Gast-Kommentar

Verwirrende Signale an den Finanzmärkten

Verwirrende Signale an den Finanzmärkten
Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank
Lesezeit: 3 Minuten

An den Finanzmärkten werden deutliche Signale ausgesendet. Die Meinung der Anleger ist gemacht. Nur zeigen die Signale in unterschiedliche Richtungen. Das macht ihre Interpretation nicht einfach.

Für die Obligationenmärkte ist die Rezession eine beschlossene Sache. Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe ist seit Anfang Juli von 1.40% auf 0.43% gefallen. Einen so starken Rückgang in so kurzer Zeit gab es zuletzt nach dem Konkurs von Lehman Brothers 2008. Die zehnjährigen Zinsen in den USA sind 0.40% tiefer als die Rendite der Obligation mit einer Laufzeit von zwei Jahren. So stark invers war die Zinskurve zuletzt 2001 nach dem Platzen der Dot- Com-Blase.

Das gleiche Bild zeigt sich bei den Zinsen in Grossbritannien. Es ist die Folge der veränderten Erwartungen an die Geldpolitik der Zentralbanken. Wenn man den Futures-Märkten glaubt, beginnt die Fed ab dem nächsten Sommer mit kontinuierlichen Zinssenkungen. Der SNB werden in diesem Jahr noch zwei Zinserhöhungen um je 0.50% im September und Dezember zugestanden. Aber dann ist am Bürkliplatz Schluss mit Leitzinserhöhungen.

Rohstoffpreise unter Druck – Aktien im Hoch

Ins gleiche Horn stossen die Rohstoffpreise. Die Kupferpreis hat in den letzten Wochen 30% verloren, zugebenermassen nach einem stolzen Anstieg im letzten Jahr. Ähnlich sieht es beim Aluminium und bei anderen Industriemetallen aus. In den letzten Tagen ist auch der Ölpreis ins Rutschen geraten. Auch er ist nun 30% tiefer. Die Begründung ist überall die gleiche: Die schwache Konjunktur lässt die Nachfrage sinken.

Nichts wissen von einer Rezession wollen dagegen die Aktienmärkte: Seit dem Tief von Mitte Juni hat der Swiss Performance Index 7% zugelegt. Die Wachstumstitel an der amerikanischen Nasdaq sind im gleichen Zeitraum gar um 18% gestiegen. Die Zentralbanken werden es schon wieder richten und rechtzeitig Geld ins System pumpen. Die Konjunktur wird zwar kurz schwächeln, sich aber dann schnell erholen. Warum soll es diesmal anders sein als bei den letzten Konjunkturabschwächungen? Entsprechend wird jede schwächere Konjunkturzahl an den Börsen mit Käufen bejubelt.

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Inflation sorgt für weitere Zinserhöhungen

Was im heutigen Kommentar bisher nicht vorgekommen ist, ist das Wort Inflation. Es scheint, als seien die Finanzmärkte diesem Thema überdrüssig geworden. Dabei steigen die Inflationsraten weiter, breiten sich die Preiserhöhungen auf immer mehr Produkte und Dienstleistungen aus und gelingt es den Gewerkschaften zunehmend, Lohnerhöhungen durchzusetzen.

Tiefere Benzinpreise werden in den nächsten Monaten die Inflationsrate nach unten drücken. Die allgemein akzeptierte Inflationsdynamik ist damit aber noch nicht unter Kontrolle. Deshalb werden die Zentralbanken die Inflation bei ihren Zinsentscheiden im nächsten Jahr stärker gewichten als die Konjunktur. Zuerst muss die Inflation gebrochen werden, bevor ein stabiles Wachstum über eine längere Zeit möglich ist.

Die Fed wird im nächsten Jahr das Tempo der Zinserhöhungen drosseln und eventuell eine längere Pause einlegen. Der erwartete schnelle Richtungswechsel in der Zinspolitik ist aber unwahrscheinlich. Dass sich die Wirtschaft in den USA dadurch stärker abschwächt, wird in Kauf genommen. Die SNB wird auch im nächsten Jahr noch die Gelegenheit haben, den Leitzins anzuheben.

Dies ist auch nötig. Zum einen wird die Inflation auch in der Schweiz nicht so schnell verschwinden, zum anderen kann sich die SNB ein Zinspolster aufbauen, um zukünftig bei Bedarf mit Zinssenkungen zu reagieren. Wenn sich diese Erkenntnis im Markt ausbreitet, werden die Renditen der Obligationen wieder steigen und der Weg der Aktienmärkte wird wieder holpriger. Die Zeit der schwierigen Finanzmärkte ist leider noch nicht vorbei.

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