Gast-Kommentar

SNB testet den Devisenmarkt

SNB testet den Devisenmarkt
Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank
Lesezeit: 3 Minuten

Thomas Jordan hat an einem Anlass erstmals angetönt, dass die SNB auf eine anhaltend hohe Inflation reagieren werde. Das wurde dahingehend interpretiert, dass die SNB eine Zinserhöhung in Aussicht stelle, analysiert Thomas Stucki von der SGKB.

Nachdem die Fed und andere Zentralbanken wie die Bank of England angesichts der hohen Inflationsraten bereits mitten in einem Zinserhöhungszyklus stecken und die EZB offen mit Zinserhöhungen ab Juli liebäugelt, sollten die Äusserungen von Thomas Jordan keine Überraschung mehr sein.

Dennoch hat der Devisenmarkt in Pawlowscher Art reagiert. Der Franken ist unmittelbar nach der Veröffentlichung des Redetextes am späteren Mittwoch Nachmittag sowohl gegenüber dem Euro als auch gegenüber dem US-Dollar um je rund einen Rappen teurer geworden.

Das Ganze hat sich am Donnerstag Morgen bei Handelsbeginn in Europa, offenbar nach der Lektüre der Morgenzeitungen, wiederholt. Seither ist es um den Franken wieder ruhig geworden.

Geblieben ist die Diskussion, wann die SNB erstmals die Zinsen erhöhen wird. Angereichert wird sie mit Spekulationen darüber, die SNB könne gezielt mittels Verkäufe von Devisenreserven den Franken aufwerten, um die Inflation in der Schweiz zu dämpfen. Auf letzteres will ich hier nicht näher eingehen, da ein solches Vorgehen aus meiner Sicht keinen Sinn ergibt.

Zinstrend zeigt nach oben

Anders sieht es bezüglich der Zinserhöhungen durch die SNB aus. Der weltweite Trend zeigt klar in Richtung höhere Zinsen. Dem kann und wird sich auch die SNB nicht entziehen. Die inflationären Treiber werden nicht so schnell verschwinden wie noch im letzten Jahr gedacht.

Der Handlungsdruck für die SNB ist aber verglichen mit demjenigen anderer Zentralbanken gering. Die Inflationsrate steigt zwar auch in der Schweiz steil an und lag im April mit 2.5% über dem Zielband der SNB von 0% bis 2%. Im internationalen Vergleich ist der Inflationsdruck jedoch gering und der Kaufkraftverlust weniger schmerzhaft.

Die SNB kann deshalb mit einer restriktiveren Geldpolitik noch zuwarten und die negative Zinsdifferenz zum Euroraum wieder grösser werden lassen. In der Vergangenheit betrug diese im Geldmarktbereich zwischen 1.00% und 1.50%. Seit der Einführung von Negativzinsen durch die EZB ist sie auf unter 0.50% gefallen.

Deshalb haben wir unsere Prognose einer ersten Zinserhöhung der SNB von 0.25% im Dezember dieses Jahres nicht verändert. Im ersten Halbjahr des nächsten Jahres wird die SNB den Leitzins weiter anheben und die Periode der Negativzinsen in der Schweiz beenden.

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Franken bleibt stark

Der Franken wird auf die erste Leitzinserhöhung ähnlich reagieren wie letzte Woche. Im ersten Moment wird er rund ein bis zwei Rappen aufwerten und sich dann beruhigen. Für den Kurs des Frankens ist wichtiger, was mit dem US-Dollar und dem Euro generell passiert.

Die Fantasie für den Dollar wird schwinden, wenn Zinserhöhungen der Fed zum Alltag gehören. Die Kapitalflüsse in Richtung USA werden dann abnehmen. Der Dollar wird es daher schwer haben, die Kursgewinne der letzten Wochen halten zu können.

Wie sich der Euro in den nächsten Monaten bewegen wird, ist mit einer grossen Unsicherheit behaftet. Einerseits kann er von den ersten Zinserhöhungen der EZB profitieren, anderseits ist die Abhängigkeit der Eurozone vom russischen Gas ein Damoklesschwert, das jederzeit zuschlagen kann.

Alles in allem wird der Franken das bleiben, was er in unsicheren Zeiten halt ist: Ein sicherer Hafen und eine Währung, die über die Zeit stärker wird.

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