Schiessanlage Uzwil eröffnet

Schiessanlage Uzwil eröffnet
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Drei Jahre Arbeit, reichlich Erspartes und sehr viel Enthusiasmus investierte Rolf Künzle in den Umbau des ehemaligen Ortskommandopostens Uzwil in eine Indoor-Trainingsanlage für Sport- und Combat-Schützen –­ inklusive Waffengeschäft und feinmechanische Werkstatt.

Wer auf dem SBB-Parkplatz vor dem Bahnhof in Uzwil sein Fahrzeug abstellt, erblickt seit kurzer Zeit genau gegenüber, in der leicht verwitterten, die westliche Seite der parallel zum Parkplatz verlaufenden Friedbergstrasse begrenzenden Mauer, ein weisses Schild über einem von einem Gittertor bewehrten Eingang. «Unterirdische Schiessanlage Uzwil» steht darauf zu lesen. 31 schlichte schwarze Buchstaben, gesäumt von zwei zahnradartigen Logos. Nichts Besonderes, möchte man meinen. Doch für Rolf Künzle bedeuten diese 31 Buchstaben, dass Träume wahr werden können, wenn man sie mit Herzblut verfolgt und den Weg konsequent und bis zum Ende beschreitet.

Für ihn bedeutete dieser Weg: Drei Jahre Knochenarbeit, rund eine Viertelmillion Franken Investitionen (die Arbeitsleistung mitgerechnet), weitgehender Verzicht auf Ferien, Freizeit, unnötige Anschaffungen oder gar Luxus – und die Überwindung von Rückschlägen sowie körperlichen Strapazen und Schmerzen, eine gebrochene Zehe inklusive.

Stollen aus dem Zweiten Weltkrieg

Doch starten wir die Geschichte ganz am Anfang – anno 1941. Damals wurde in Uzwil ein Luftschutzstollen in Betrieb genommen, verborgen im Hang westlich des heutigen Bahnhofs. Ab 1955 wurde der Stollen vom Zivilschutz belegt, diente als Ortskommandoposten für Uzwil und Umgebung. Als der Zivilschutz ans Tageslicht zügelte, blieb der Stollen als Zeitzeuge zurück. Verwaist und ungenutzt. Bis Rolf Künzle, Inhaber eines Waffengeschäfts, Sportschütze und Waffensammler, die Idee hatte, den Stollen in eine unterirdische Schiessanlage zu verwandeln.

Jeder, der Rolf Künzle kennt, weiss: Dieser sympathische Waffenfreund hat öfter Pläne und Projekte im Kopf – und setzt sie auch um. So wie damals, als er für einen Kunden drei Schweizer Ordonnanzwaffen in vergoldete Prunkstücke verwandelte (siehe SWM 3/2017). Parallel zu diesem Projekt entwickelte er die Idee der eigenen Schiessanlage im Stollen zu einem durchdachten Business-Konzept, welches die Verantwortlichen von Uzwil ebenso überzeugte wie die Bewilligungsbehörden. Sodann pachtete Rolf Künzle den Stollen – und startete mit dem Umbau. «Hätte ich gewusst, worauf ich mich einlasse – ich würde es wieder tun», sagt er mit einem breiten Grinsen.

Wobei ihm das Lachen die vergangenen drei Jahre nicht immer leichtfiel. Jeden Tag nach Feierabend sowie an zahllosen Samstagen und Sonntagen schuftete Rolf Künzle im Stollen. «Die Arbeit war gigantisch, manchmal wusste ich nicht, wo zuerst Hand anlegen», erinnert er sich. «Der heutige Schiesskeller war einst in aus Betonziegeln errichtete Büros unterteilt, die Böden waren uneben, diverse Mauern standen meiner Idee im Weg, Sanitäranlagen, Wasser- und Stromleitungen, das gesamte Raumkonzept – alles war nicht nutzbar, veraltet und marode», erklärt er.

  

57 Tonnen Material händisch entsorgt

Mit einem angemieteten, elektrisch betriebenen Abbruchroboter zertrümmerte Rolf Künzle das Mauerwerk, das seinem Plan im Weg stand. Er riss Böden und Türen heraus, zerstückelte mit einer mächtigen Flex den alten Öltank, entfernte Leitungen und bestehende Einrichtungen, realisierte Kernbohrungen für die Lüftung.

Den anfallenden Schutt beförderte er ans Tageslicht – Stück für Stück, Schaufel um Schaufel, Schubkarre um Schubkarre. «Insgesamt waren es gut 57 Tonnen Material», hat er nachgerechnet. Im Gegenzug verfrachtete Rolf Künzle jede Menge neues Material in den Stollen hinein. Backsteine und Mörtel, Zement zum Planziehen der Böden, Panzerglasscheiben, Panzer- und Schallschutztüren, hunderte Quadratmeter von Schallschutzplatten mit Rückschussgutachten, WC-Schüsseln und Lavabos, eine komplette Küche, Möbel, Kabel, IT-Geräte, Unmengen von Brettern, Balken, Trägermaterialien sowie den Sand für den Kugelfang und – natürlich – die Lüftungsanlage. «Die musste ich komplett zerlegen, durch den schmalen Zugang in den Stollen bugsieren und Stück für Stück wieder zusammenbauen», erzählt Rolf Künzle.

Auch der Transport der Panzerschränke, in denen jetzt Waffen und Munition lagern, war eine Sisyphusarbeit. «Beim Bohren eines Lochs in der Decke, um Dübel für den Lastenkran zu befestigen, traf ich eine Wasserleitung. Das war ein mindestens ebenso erhebender Moment wie jener, als mir der Abbruchroboter die grosse Zehe zertrümmerte», schildert Rolf Künzle – und schmunzelt!

Alles neu, alles hell, alles praktisch und durchdacht

Heute freilich erinnert nichts mehr an die schweisstreibende Plackerei nach dem Motto «Blut, Schweiss und Tränen» in der staubigen, stickigen Luft des alten Stollens. Wer die Panzertüre am Stolleneingang durchschreitet, blickt in helle, weisse Räumlichkeiten, deren gerundete Decken eher an moderne Architektur als an einen Stollen erinnern.

Direkt beim Eingang befinden sich abschliessbare Fächer, in denen Gäste Wertgegenstände, Munition und zum Training benötigtes Material lagern können. Rechts vom Zutrittsstollen liegt die Werkstatt, mit deren Einrichtung Rolf bei unserem Besuch Anfang Juni noch intensiv befasst war. An seinem Ende dann weitet sich der Bogengang zu beiden Seiten. Links befindet sich eine Empfangstheke samt kleinem Büro.

An der Rückwand stehen massive Panzerschränke. «Hier lagern Waffen und Munition, denn neben dem Schiessbetrieb umfasst das Angebot ja auch alle Dienstleistungen meines bis anhin in Wienacht-Tobel (Lutzenberg) AR domizilierten Waffengeschäfts», erklärt Rolf Künzle. Dieses hat er per 3. April in den Stollen in Uzwil gezügelt. «Ich verkaufe Neuwaffen und Occasionen, kaufe Waffen, Militaria oder ganze Sammlungen sowie Erbschaften auf, verwerte Altwaffen fach- und sammlergerecht», beschreibt Künzle das Konzept seines Ladengeschäfts. Daher hat er neben dem Büro auch einen Showroom eingerichtet, in dem bereits zahlreiche Waffen das Auge des Sammlers erfreuen. Zudem erledigt Rolf Künzle feinmechanische Arbeiten sowie Reparaturen und Servicedienste nach Kundenvorgabe.

Gegenüber von Tresen und Büro befindet sich die L-förmige Theke der Küche, die Rolf Künzle installiert hat, sowie eine gemütliche Sitzecke, aus der heraus man durch zwei Panzerglasscheiben direkt in die 5 x 25 Meter grosse Schiessanlage blicken kann. «Schiesssport hat ja auch etwas mit Geselligkeit, Fachsimpeln und Austausch unter Gleichgesinnten zu tun», schmunzelt Rolf Künzle – und nimmt sich ein Getränk aus einem der Kühlschränke.

 

25-Meter-Schiessanlage für alle Kaliber

Die Schiessanlage selbst ist über einen kurzen, von gleich zwei Schallschutztüren begrenzten Gang zugänglich und durch eine dicke, massiv gedämmte Schutzwand von den Aufenthaltsräumen abgeschirmt. Der komplett frei nutzbare Raum ist fünf Meter breit, etwas mehr als 25 Meter lang und drei Meter hoch. Beim Kugelfang befindet sich die Absaugung der Schiebelüftung, welche Stäube und Gase von den Schützen weg nach vorne transportiert und durch moderne Filter wieder ins Freie bläst. In einem kleinen Nebenraum links in der Schiesshalle lagern Scheibenständer und Zubehör. «Ich habe mich für einen Sandkugelfang entschieden, weil die Anlage damit für alle Waffen bis hinauf zu Kaliber .50 BMG tauglich ist und selbst dann nichts passieren kann, wenn jemand versehentlich Leuchtspurgeschosse abfeuert – obwohl deren Nutzung natürlich verboten ist», sagt Rolf Künzle.

Die beigen, speziell für den Einsatz in Schiessanlagen geprüften Schallschutzplatten und der V-förmige Lüftungskanal zentral unter dem Stollen-Dom schaffen in Kombination mit der hellen LED-Beleuchtung und zusätzlichen Spots im Bereich der Zielanlage eine angenehme und helle Atmosphäre. Rollbare Tische, auf denen Munition, Waffen und Ausrüstung deponiert werden können, erlauben es, aus beliebigen Distanzen zu trainieren, ohne ständig vor und zurücklaufen zu müssen. Und da es keine fixen Schiessbahnen gibt, erlaubt die Anlage flexibles Trainieren – für Freizeit-, Combat- oder IPSC-Schützen ebenso wie für behördliche Waffenträger sowie im Rahmen von Schulungen und Kursen. «Wir sprechen gezielt alle Freunde des Schiesswesens an, vom Anfänger bis zum Berufsprofi, vom Hobbyschützen über den Sammler bis zum Wettbewerbsschützen. Jeder Mann und jede Frau, welche die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, sind willkommen», sagt Rolf Künzle.

Aktuell ist die Anlage samt Waffengeschäft und Werkstatt mittwochs bis freitags von 17 bis 22 Uhr und am Samstag von 13 bis 20 Uhr geöffnet. Am Sonntag sowie ausserhalb der regulären Öffnungszeiten bietet Rolf Künzle in individueller Absprache die Möglichkeit für Kleingruppen-Trainings an. Ab Anfang August wird er zudem Unterstützung erhalten. Dann ist Erwin Eberle, der die vergangenen Jahre für die Kessler Auktionen AG tätig war, als Partner mit von der Partie. «Zu zweit können wir noch flexibler agieren. Zudem ergänzen wir uns puncto Know-how über Waffen, beim handwerklichen und betriebswirtschaftlichen Geschick sowie im Wissen um das Sammeln von und das Handeln mit Waffen und Militaria perfekt», sagt Erwin.

Bereits tüfteln beide an weiteren Angeboten. «Das aber ist Zukunftsmusik», sagen sie. Man darf also gespannt sein, was noch alles kommen wird in der neuen Schiessanlage vis à vis vom Bahnhof Uzwil.

Text und Bild: Jörg Rothweiler