St.Gallen

Nachhaltigkeit neu gedacht

Nachhaltigkeit neu gedacht
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Beim 2. Greenovation Summit am 29. Oktober 2025 in Uzwil drehte sich alles um zukunftsweisende Nachhaltigkeitsstrategien, mutige Unternehmer und handfeste Lösungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Namhafte Persönlichkeiten aus Industrie, Forschung und Unternehmertum gaben Impulse, wie ökologische, soziale und ökonomische Verantwortung in der Praxis vereint werden können. Höhepunkt des Tages war die Verleihung des «Greenovation Award 2025» an drei innovative Unternehmen.

Text: PD/stz.

In seinen Eröffnungsworten blickte Bühler-CEO Stefan Scheiber auf einen für ihn und die Unternehmensgruppe «stürmischen Sommer» zurück. Den August werde er nie mehr vergessen: Am 1. August, dem Nationalfeiertag, kam die Meldung vom US-Zoll von 39 Prozent auf Schweizer Güter, und bereits am 2. August erfolgte die erste Bestellungsabsage ins Haus. Bei solchen Zollaufschlägen, kombiniert mit einem starken Franken, müsse man schon über «sehr gute Produkte» verfügen, um erfolgreich im Markt bleiben zu können. Dazu kam der Tod von Urs Bühler, langjährigem Eigentümer des Technologiekonzerns Bühler, im Alter von 82 Jahren – auch das am 1. August.

Doch Scheiber hatte auch Positives zu vermelden, etwa die erfolgreiche Teilnahme einiger Auszubildender an den diesjährigen SwissSkills. Die Bühler AG ist mit einem Marktanteil von 60 Prozent Weltmarktführerin in der Getreideverarbeitung. Die Nachhaltigkeit werde im Unternehmen – wissensbasiert – weiter vorangetrieben, und daran werde sich auch nichts ändern. Die Klimaerwärmung, betonte Scheiber, sei eine Tatsache. Für diese Beharrlichkeit und die hohe Wertschöpfung mit den Produkten aus der Ostschweiz bekomme das Unternehmen auch viel Zuspruch aus den USA.

Enkeltauglichkeit statt nur Nachhaltigkeit

Pascal Loepfe-Brügger, Geschäftsführer der Appenzeller Alpenbitter AG und Urenkel des Firmengründers, hat das Wort «Nachhaltigkeit» aus dem Unternehmensvokabular gestrichen. Der viel bessere Begriff für ihn sei «Enkeltauglichkeit». Bei ihnen habe ein Quartal 25 Jahre und nicht drei Monate, es gehe darum, was das heutige Handeln für die nächsten Generationen heisse; diesen Ansatz verfolge sein Unternehmen bereits seit über 50 Jahren. Enkeltauglichkeit bedinge gesunde Finanzen, einen hohen Eigenfinanzierungsgrad und eine moderate Dividendenpolitik.

Ein Beispiel für Enkeltauglichkeit sei der Bau des neuen Hochregallagers mit Platz für rund 2200 Paletten; damit liessen sich pro Jahr mehrere tausend Kilometer Lastwagenfahrten von St.Gallen nach Appenzell und zurück einsparen. Als grösster privater Waldbesitzer von Appenzell Innerrhoden wurden die eigenen Mitarbeiter in den firmeneigenen Wald geschickt, um das für den Bau nötige Holz zu schlagen. Für Loepfe-Brügger bedeutet Chefsein, «Vertrauen zu geben und Verantwortung zu tragen», denn Ziele erreiche man mit Menschen. Die Kernwerte auf den Flaschen des Alpenbitters, so Loepfe-Brügger, gälten auch für die Appenzeller Alpenbitter AG: Charakter, Stil, Persönlichkeit. Die Vier-Tage-Woche gebe es im Unternehmen bereits seit 140 Jahren; Vertrauen gewinne man nicht von heute auf morgen.

Während der auch für ihn schweren Corona-Zeit mit einer aufs Minimum reduzierten Gastronomie habe man bewusst niemanden entlassen, sondern den Mitarbeitern die Gelegenheit gegeben, Restanzen aufzuarbeiten und bauliche Renovationen im Haus vorzunehmen. Das neueste Produkt des Hauses, «Amorum Alpinum», sei ein ausschliesslich in der Ostschweiz hergestelltes Rumgetränk. Anders als üblich stamme der Zucker nicht aus Zuckerrohr, sondern aus thurgauischen Zuckerrüben.

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Mobilität der Belegschaft neu konzipieren

«Elefanten zum Tanzen bringen» war der Titel des Referats von Marc Stoffel, Mitgründer der 42 Hacks AG. Mit Elefanten symbolisiert er grosse Verkehrsunternehmen und kantonale Entscheidungsträger. Zum Tanzen animiert werden sie «durch Daten, Hacks und Unternehmertum». Das als Genossenschaft organisierte Startup verhilft den Kundenunternehmen zu neuen, nachhaltigen Mobilitätslösungen für die Mitarbeiter in Form von Mobilitätsallianzen.

Die Bühler AG als Leuchtturmprojekt, die Stadler Group und über 20 andere grosse Arbeitgeber gehören heute zum Kundenkreis von 42 Hacks. Mittels vieler anonymisierter Bewegungsdaten und viel KI («sie ist nicht immer schlau, aber fleissig») können Verkehrsströme analysiert und optimiert werden. Ein grosser Teil der Fahrten lasse sich gleich schnell oder sogar schneller mit dem öffentlichen Verkehr oder aktiv – zu Fuss oder per Velo – bewältigen. Wichtig dabei sei der Einbezug der letzten Meile, denn nur eine Optimierung von Tür zu Tür sei aussagekräftig.

Netto-Null-Ziel der Amag bis 2040

In den drei gleichzeitig stattfindenden Breakout-Sessions wurden in kleinerer Runde konkrete Ansätze für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen vorgestellt und diskutiert. Ina Walthert, Head Group Sustainability der Amag, erläuterte die Anstrengungen der Mobilitätsanbieterin, bis im Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Bereits heute engagiert sich das Familienunternehmen beispielsweise beim Bau von Photovoltaikanlagen, beim Recycling von Autoakkus und beim Bau von Elektroladestationen.

Eine grosse Chance sieht Walthert beim bidirektionalen Laden, bei dem Autos nicht nur mit Strom betankt werden, sondern im Bedarfsfall auch Energie ins Netz einspeisen können. Christian Locher, Projektingenieur Produktentwicklung an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, brach eine Lanze für «Design for Sustainability» und illustrierte das unter anderem mit dem «Ulmer Hocker» von Max Bill, der sehr einfach und aus teils gebrauchten Teilen bestand – 1954 konzipiert. Design sei nicht identisch mit Styling: «Styling bringt nur kurzfristigen Nutzen und ist nicht nachhaltig!»

Daraufhin erläuterte er das Vorgehen von «Design for Sustainability» in fünf Schritten. Martin Bachofner, CEO der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi AG, forderte in seinem Vortrag: «Bauen wir eine Welt für Kinder.» Bachofner: «Die ganze Schweiz spricht heute von ökologischer Nachhaltigkeit. Dabei werden es Themen der sozialen Nachhaltigkeit sein, welche uns in naher Zukunft wie Boomerangs um die Ohren fliegen werden.» Die internationalen Programme der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi bauen auf Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit. Mit ihren Bildungsprojekten erreicht sie jährlich rund 220 000 Kinder, Lehrer und Eltern auf vier Kontinenten.

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Beim Anbau Wasser, Fläche und Energie sparen

Sascha Rohner, Co-Founder der FrugalTec AG, sprach über Vertical Farming und die kreislauffähigen Produkte für den B2C- und den B2B-Markt. Wichtig bei dem modular aufgebauten und so einfach in verschiedenen Höhen produzierbaren Pflanzenturm sind nachhaltige Rohstoffe und Produktionsprozesse. Das Wort «frugal» im Firmennamen ist Programm: Es bedeutet Genügsamkeit, Sparsamkeit und einen bewussten Umgang mit Ressourcen. Dazu gehört auch, keine unnötige Komplexität in die Produkte zu integrieren – nur das, was wirklich notwendig ist.

Mit seiner Aussage, man solle mit weniger Mitteln mehr Wert schaffen, bestätigt er das Designprinzip einer nachhaltigen Zukunft seines Vorredners Christian Locher. Also keine unnötige Komplexität, nur das, was wirklich notwendig ist. Er erwähnte auch den ernsten Hintergrund für seinen Markt: Die Anbaufläche ist der limitierende Faktor in der Welternährung. Mit den derzeitigen Anbaumethoden würden wir bis 2050 nur noch etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ausreichend ernähren können. Und jedes Jahr verlören wir landwirtschaftliche Anbauflächen in der Grösse von 14 Millionen Fussballfeldern. Sein Fazit: «Es ist nicht das Ende, das zählt, sondern wie wir den Kreislauf von Anfang an beim Design gestalten.» Wichtig seien Anstrengungen für die Kreislaufwirtschaft.

Das Model mit dem Quanten-Effekt

Andrea Riege, AI-Fashion-Designerin und Mitgründerin von AI-COM.ch, einem Teil der Spherix AG, sprach über AI-COM als eine der ersten Kreativagenturen weltweit, die sich seit 2023 ausschliesslich auf KI-gestützte Medienproduktionen spezialisiert hat. Sie unterlegte mit vielen Beispielen ihre Meinung, man könne nicht mehr unterscheiden, was KI-generiert ist und was nicht.

Eines davon ist ein Model aus Deutschland. Vroni, die eine KI-Version von sich hat, muss nun also nicht mehr nach Teneriffa reisen, sondern bietet dem Werbemarkt ihr «Aussehen» an. So war sie kürzlich gebucht – und hat gleichzeitig ihr KI-Model vermietet.

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Greenovation Award 2025

Durch die Preisverleihung des Greenovation Awards führte Martin Oswald, Leiter Regionalmedien und Mitglied der Galledia-Gruppenleitung. Es konnten folgende Unternehmen mit innovativen, kreativen und zukunftsweisenden Projekten ausgezeichnet werden:

Kategorie Produkt – Matica AG
Matica hat eine Speicherlösung für überschüssige Solarenergie entwickelt. Die Jury zeigte sich bei der Matica AG besonders überzeugt von ihrem innovativen Ansatz zur Lösung des globalen Problems der Energiespeicherung durch die Entwicklung des «SeasON»-Sorptionsspeichers, der langjährigen und kontinuierlichen Weiterentwicklung innovativer Speichertechnologien sowie der Langlebigkeit und Effizienz der angebotenen Produkte.

Kategorie Dienstleistung – Skat Consulting
Skat engagiert sich seit 1978 in über hundert Ländern im Bereich Nachhaltigkeit und Entwicklung. Die Jury überzeugte bei Skat Consulting vor allem das eher unsichtbare, aber wirkungsvolle Engagement, die Rolle als «Hidden Champion» und die Multiplikatorfunktion des Unternehmens. Skat Consulting agiert oft im Hintergrund, erzielt dennoch grosse Wirkung durch kontinuierliche Entwicklungsarbeit und setzt Impulse, die sich positiv auf viele Bereiche auswirken – ganz im Sinne eines stillen Vorreiters im internationalen Umfeld.

Kategorie Projekt – 42 Hacks
42 Hacks arbeitet mit grossen Unternehmen zusammen, um neue Mobilitätslösungen zu entwickeln und so CO₂ zu sparen. Die Jury überzeugte an 42 Hacks der starke Fokus auf Kollaboration, die leichte Multiplizierbarkeit der entwickelten Lösungen sowie der frische, innovative Ansatz, mit dem gesellschaftliche und klimarelevante Herausforderungen in grossem Massstab durch offene Zusammenarbeit adressiert werden.

Der Greenovation Summit endete mit einem Dank an alle Teilnehmer, verbunden mit dem Wunsch, sie könnten viele Ideen mitnehmen, die sich auch im Alltag anwenden liessen.

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