Gast-Kommentar

Leise Hoffnung bei Inflation erkennbar

Leise Hoffnung bei Inflation erkennbar
Thomas Stucki ist Chief Investment Officer der St.Galler Kantonalbank
Lesezeit: 3 Minuten

Die Inflationsraten sind in vielen Ländern seit dem Höchststand im letzten Sommer deutlich gesunken, in den USA von 9.1 Prozent auf 4.9 Prozent, in der Schweiz von 3.5 Prozent auf 2.6 Prozent. Euphorie kommt dennoch nicht auf.

Text: Thomas Stucki

Die Geldentwertung ist immer noch stark und mit dem Auftrag der Zentralbanken zur Gewährung der Preisstabilität nicht vereinbar. Der Rückgang der Inflationsraten wird vor allem durch tiefere Energiepreise getrieben. Die Kerninflation ohne die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise ist deshalb ein zuverlässigeres Spiegelbild des Inflationsdrucks in der Wirtschaft.

Die Kerninflation hält sich mit 5.5 Prozent in den USA und 2.2 Prozent in der Schweiz konstant hoch und liegt deutlich über den Zielvorstellungen der Zentralbanken. Signale, dass der Inflationsdruck in den nächsten Monaten auch bei den Kernraten abnehmen wird, sind jedoch zunehmend erkennbar.

Die Kerninflation wird vor allem durch die Weitergabe der Kostensteigerungen im Dienstleistungssektor getrieben. Ein wichtiger Faktor dabei sind die Löhne. Nun scheint auch in diesem Sektor das Top erreicht zu sein, wie die Daten aus den USA darlegen. Die Preissteigerungen bei den Dienstleistungen waren im April so tief wie letztmals im Juli 2022. Der Beitrag des Sektors zur US-Inflationsrate ist mit 3.9 Prozent zwar immer noch doppelt so hoch wie historisch üblich, aber abnehmend.

Nachlassende Nachfrage in Industrie und Grosshandel

Unsere quartalsweise Umfrage bei Ostschweizer Unternehmen zeigt, dass die Preisdynamik im Gastgewerbe und im Detailhandel immer noch hoch ist. In den im Produktionsprozess vorgelagerten Bereichen wie der Industrie oder dem Grosshandel sinkt die Zahl der Firmen, die in den nächsten drei Monaten höhere Preise erwarten, aber deutlich.

In diesen Branchen sind die Lager mit Endprodukten angewachsen, was auf eine nachlassende Nachfrage hindeutet. Die Preise können nicht mehr so einfach angehoben werden. Bis dieser Effekt beim Konsumenten und damit bei der Inflationsrate ankommt, dauert es noch eine Weile, aber die Saat für einen abnehmenden Inflationsdruck ist gesetzt.

Die Zinserhöhungen der Zentralbanken entfalten mit ihrer normalen zeitlichen Verzögerung ihre Wirkung. Die wirtschaftliche Entwicklung schwächt sich ab. Betroffen davon ist vor allem das Verarbeitende Gewerbe, während die Dienstleistungen noch vom guten Arbeitsmarkt profitieren.

Dieses Bild zeigt sich praktisch in allen westlichen Ländern. Diese Entwicklung ist gewollt und die Voraussetzung dafür, dass die Inflation unter Kontrolle gebracht werden kann. Ob die Zinserhöhungen und die damit verbundene konjunkturelle Bremswirkung zu stark waren, wird man erst gegen Jahresende beurteilen können. Ich bin aber der Meinung, dass eine spürbare Rezession nicht befürchtet werden muss.

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Inflationsziel in Sichtweite

Für die Zentralbanken bedeutet das, dass sie den Zyklus der Zinserhöhungen beenden können. Bei der Fed ist dies mit der letzten Erhöhung des Leitzinses Anfang Mai auf 5.00 Prozent bis 5.25 Prozent bereits geschehen. Die SNB wird im Juni noch eine Zinserhöhung von 0.50 Prozent auf 2.00 Prozent vornehmen müssen. Danach macht es auch in der Schweiz Sinn, die weitere Entwicklung im Preisgeschehen abzuwarten.

Der sinkende Preisdruck, der sich am Anfang der Produktionskette bereits zeigt, wird diese nun durchlaufen. Nach und nach wird er sich auch in sinkenden Kernraten der Inflation zeigen. Positive Überraschungen nach unten sind im zweiten Halbjahr gut möglich.

Die Fed wird zudem damit leben können, wenn die Kerninflation nur in einen Bereich zwischen 2 Prozent und 3 Prozent sinkt. Das Inflationsziel der SNB mit einer Inflationsrate zwischen 0 Prozent und 2 Prozent rückt auch in Sichtweite.

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