Gemeinsam gegen links

Beat Tinner, Michael Götte, warum hat Ihre Partei Anspruch auf zwei Sitze im St.Galler Regierungsrat?
Michael Götte: Die SVP ist mit über 30 Prozent Wähleranteil seit über zwölf Jahren mit grossem Abstand die stärkste Partei im Kanton St.Gallen. Dies muss sich auch in der Regierung abbilden.
Beat Tinner: Die FDP übernimmt seit Jahrzehnten Verantwortung in der Regierung. Dieses Angebot macht sie der Bevölkerung auch am 8. März. Darüber hinaus hat die FDP gemeinsam mit der CVP den zweithöchsten Wähleranteil im Kanton.
Werden sich die schweizweiten Wählerbewegungen vom Herbst 2019 auch im März 2020 im Kanton St.Gallen für Ihre Partei wiederholen?
Tinner: Die FDP hat im Kanton St.Gallen seit 2008 bei allen nationalen und kantonalen Wahlen an Wähleranteilen zugelegt. Auch bei den Nationalratswahlen 2019 hat sie Wähleranteile gewonnen und den zweiten Nationalratssitz fast zum Vollmandat ausgebaut. Wir nehmen diesen Schwung in die kantonalen Wahlen mit.
Götte: Nationale und kantonale Wahlen haben ihre eigenen Gesetze. Ich bin überzeugt, dass die SVP im Vergleich zu den Wahlen im Herbst besser abschneiden wird.
Was war der Grund für diese Trends?
Götte: Das Klimathema hat die veröffentlichte Meinung dominiert. Die grünen Parteien profitierten von der damit verbundenen Mobilisierungsdynamik.
Tinner: Wir haben uns als verlässlicher, bürgerlicher Partner etabliert. Die Bevölkerung weiss, dass wir trotz unserer klaren Positionierung den Kompromiss suchen und damit den Kanton weiterbringen.
Was hat ihre Partei falsch – und was richtig gemacht?
Tinner: In der letzten Legislatur hat die FDP im Kanton St.Gallen einen massgeblichen Beitrag zum Erfolg vieler wichtiger Vorlagen geleistet: Theater St.Gallen, IT-Bildungsoffensive, Campus Platztor, Gewerbliche Berufsschule Demutstrasse, Campus Wattwil, das Klanghaus ... Die Bevölkerung hat all diesen Vorlagen mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Götte: Für mich ist es richtig, dass die SVP ihren Überzeugungen treu bleibt und keine Windfahnenpolitik betreibt. Wir müssen aber bereit sein, für diese Überzeugungen auch bei Gegenwind zu kämpfen.
Wo sind Sie auf Parteilinie, wo nicht?
Götte: Ich stehe ohne Vorbehalt zu «Sicherheit und Freiheit» als die zentralen Werte der SVP. Aus meiner Sicht und mit Blick auf die Ostschweizer Wirtschaft gehören dazu auch die bilateralen Verträge.
Tinner: Ich bin ein liberal denkender Mensch, der auf Eigenverantwortung setzt. In diesem Sinne bin ich auch auf Parteilinie. In einer liberalen Partei ist aber auch Widerspruch möglich. Ich versuche, jeweils als Brückenbauer zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln.
Welche Ziele wollen Sie als Regierungsrat als erste erreichen?
Tinner: Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und Arbeitsplätze schaffen. Das gelingt durch attraktive Steuerbedingungen für Private und Unternehmen. Nur so können wir langfristig etwa die Finanzierung der sozialen Wohlfahrt oder von Kulturprojekten gewährleisten.
Götte: In erster Linie werde ich mich dafür einsetzen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Regionen des Kantons St.Gallen wieder besser wird. Ich will ein Regierungsrat für Stadt und Land sein.
Das Thema der Stunde ist das Klima. Wie klimafreundlich sind Sie?
Götte: Ich setze auf Eigenverantwortung und Innovation. Meine Frau und ich haben bei unserem Hausbau trotz hoher Kosten entschieden, eine Erdsondenheizung einzubauen, wir reduzieren den Abfall und achten gemeinsam mit unseren Kindern auf einen nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Tinner: Berufliche wie private Reisen lege ich meistens mit dem öffentlichen Verkehr zurück. Zudem habe ich mich als Präsident der Interessengruppe öffentlicher Verkehr Ostschweiz auch politisch für den Ausbau des Schienennetzes in der Ostschweiz eingesetzt.
Muss der Kanton in Sachen Klimapolitik aktiv(er) werden – und wenn ja: Wo?
Tinner: Ich setze viel Hoffnung in das neue Energiegesetz. Nachholbedarf haben wir sicher bei den Gebäuden. So muss möglichst bald auf fossil betriebene Heizsysteme verzichtet werden. Dafür wurden kürzlich die Förderbeiträge erhöht.
Götte: Der Staat soll für Umweltthemen sensibilisieren, aber keine Verhaltensregeln aufstellen. Bei Verboten hört es bei mir auf.
Wie viele Spitäler braucht der Kanton?
Götte: Noch liegen nicht alle Fakten auf dem Tisch. Aus heutiger Sicht halte ich die Strategie «4plus5» für eine taugliche Diskussionsgrundlage.
Tinner: Die neue Spitalfinanzierung führt zu einer Konsolidierung des Angebots. Ebenso ist eine starke Verschiebung von stationären hin zu ambulanten Leistungen feststellbar. Das führte dazu, dass in der Schweiz in den letzten zehn Jahren über 100 Spitäler geschlossen oder umgenutzt wurden. Diesem Trend wird sich auch der Kanton nicht verschliessen können.
Und welche sollen geschlossen werden?
Tinner: Heute fehlen teilweise noch Kennzahlen – diese müssen durch die Regierung noch nachgeliefert werden. Klar ist: Im ganzen Kanton braucht es ein einwandfrei funktionierendes Rettungswesen und regionale Anlaufstellen für die Menschen.
Götte: Es werden keine Spitäler geschlossen, sondern kleine Mehrspartenspitäler in Gesundheits- und Notfallzentren umgebaut. Diese können an sieben Tagen die Woche und während 24 Stunden als Notfallzentrum aufgesucht werden.
Wie machen wir den Kanton St.Gallen steuerlich attraktiver?
Götte: Indem wir alles dafür tun, dass innovative Unternehmen mit zukunftsorientierten Arbeitsplätzen in den Standort Kanton St.Gallen investieren.
Tinner: Ganz einfach: Indem wir die Steuern senken. Für Private und Unternehmen.
Und wie verkehrstechnisch?
Tinner: Zürich muss zwingend in 60 Minuten von St.Gallen aus erreichbar sein. Dafür muss die Infrastruktur zwischen St.Gallen und Wil angepasst werden.
Götte: Bei der Bahn möchte ich nennen: Vollknoten Bahnhof St.Gallen, Stärkung Knoten Wil, Halbstundentakt St.Gallen-Rapperswil, S-Bahn FL-A-CH. Und bei der Strasse: Autobahnverbindung Rheintal, Engpassbeseitigungen St.Gallen und Rapperswil, Autobahnausfahrten Rorschach und Wil West.
Sind Sie für oder gegen die Plafonierung der Kulturausgaben im Kanton St.Gallen?
Götte: Kultur muss möglichst nahe bei den Menschen sein und ist daher in erster Linie Sache der Gemeinden. Auf kantonaler Ebene braucht es keine weiteren Ausgaben.
Tinner: Ich habe mich für die Aufhebung der Plafonierung eingesetzt. Die Ausgaben für die Kultur machen heute einen geringen Anteil des Staatshaushaltes aus. Kultur ist aber wichtig – auch als Standortfaktor.
Was müsste in der Bildungspolitik gemacht – oder anders gemacht – werden?
Tinner: Zu unseren Bildungsleuchttürmen müssen wir Sorge tragen. Sie sind ein wesentlicher Standortvorteil. Wir müssen die unterschiedlichen Bildungswege weiterhin verzahnen und alle Vorteile nutzen. Das ermöglicht Fachkräften aus der dualen Berufslehre, sich weiterzubilden und einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten.
Götte: Dank der hervorragenden Arbeit von SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker hat der Kanton St.Gallen in der Bildungspolitik in den letzten Jahren sehr viel bewegt, beispielsweise mit der IT-Bildungsoffensive. Nun geht es darum, diese Projekte zeitnah, zukunftsorientiert und unbürokratisch umzusetzen.
Wie begegnen wir dem Fachkräftemangel am besten?
Götte: Indem wir die Berufslehre, die höheren Fachschulen und die Hochschulen mit derselben Konsequenz fördern und vernünftige Rahmenbedingungen für familien- und schulergänzende Massnahmen definieren.
Tinner: Mit einer guten Bildungspolitik und indem wir ein grosses Potenzial aktiveren: dasjenige der gut ausgebildeten Frauen. Ich unterstütze deshalb familienergänzende Massnahmen wie ein flächendeckendes Angebot an Kindertagesstätten und Tagesstrukturen im Schulbereich. Aber auch hier gilt: Der Staat schafft die Rahmenbedingungen und soll private Anbieter nicht behindern.
Wie senken wir die Maturitätsquote und erhöhen den Berufsnachwuchs aus der Lehre?
Tinner: Ich bin gegen Quoten. Wir müssen die Jugendlichen über verschiedene Wege in unserem hervorragenden Bildungssystem informieren. Sie werden ihren Weg finden – egal ob an der Universität, der Fachhochschule oder mit einer Lehre.
Götte: Ich bin gegen jede Planwirtschaft, auch in der Bildungspolitik. Wenn es aber darum geht, die Berufslehre auf die Bedürfnisse der Zukunft auszurichten, sehe ich den Kanton St.Gallen schweizweit in einer Leaderrolle.
Muss für die öffentliche Sicherheit mehr getan werden?
Götte: Wir müssen alles daransetzen, damit die Polizei ihre Aufgaben erfüllen kann. Dazu gehört die Bereitstellung der entsprechenden personellen und technischen Ressourcen.
Tinner: Eine neue Herausforderung stellt die Cyberkriminalität dar. Hier müssen wir uns zusammen mit den umliegenden Kantonen besser aufstellen.
Wie wollen Sie die ausufernde Bürokratie im Kanton in den Griff bekommen?
Tinner: Regierung und Kantonsrat müssen sich konsequent auf die wesentlichen staatlichen Massnahmen konzentrieren und sich immer die Frage stellen, ob eine zusätzliche Leistung wirklich notwendig ist.
Götte: Die Verwaltung muss sich bewusst sein, dass die Verwaltung für den Bürger und nicht der Bürger für die Verwaltung da ist. Dazu braucht es Regierungsräte, die nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft gearbeitet haben.
Was macht für Sie eine attraktive Ostschweiz aus?
Götte: Die ungeheure Vielfalt als Lebens-, Wohn- und Arbeitsort! Dazu müssen wir Sorge tragen.
Tinner: Ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander. Vor allem müssen wir aufhören, uns selbst schlecht zu reden!
Zum Schluss: Charakterisieren Sie für uns bitte Ihren Mitbewerber.
Tinner: Michael Götte ist ein eloquenter Fraktionspräsidentenkollege, mit dem ich gut und gerne zusammenarbeite. Hoffentlich bald in der Regierung!Götte: Beat Tinner schätze ich seit vielen Jahren als engagierten Politiker.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Thomas Hary
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