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Frauencharisma am vrus-Forum 21

Frauencharisma am vrus-Forum 21
Lesezeit: 13 Minuten

Am 17. September fand das vrus-Forum 21 in Wittenbach statt. Professor Pascal Gantenbein, Fitness-Unternehmer Andrej Ammann, Bischof Markus Büchel, Familienunternehmer Louis Grosjean, Hells-Angels-Zürich-Präsident Hemi, Jurist Marcel Würmli und Taliban-Entführungsopfer Daniela Widmer sprachen und diskutierten zum Thema Wandel. Ein Erlebnisbericht von Danielle Baumgartner Knechtli – mit einer Replik von Isabel Schorer.

Die Bilder zum Anlass finden Sie hier.

"Da flackert mir im Mai 2021 in meiner Inbox eine Mail entgegen (ich weiss, Mails flackern nicht, aber lassen Sie mir doch die Freude) von einem Marcel Würmli, der mich mit «Ciao Danielle» anspricht und mich persönlich zu einer Veranstaltung einlädt, er würde sich sehr freuen, wenn….. Müsste ich den kennen? Der spricht mich ja mit Du an!

Überschwemmt, wie ich bin, von allen möglichen und unmöglichen Einladungen, an all denen teilzunehmen kein normaler Mensch die Zeit aufbringt, hat der Trick gewirkt, denn ich widerstehe meinem radikalen Reflex, die Delete-Taste zu betätigen. Ich beäuge die Einladung genauer: vrus? Wasissendas? Die Homepage scanne ich routiniert quer (kann man quer scannen?), sehe den Namen Michèle Mégroz, ok, die kenne ich, die find ich gut und dann bleibt mein Auge am Satz hängen «Teilnahme ausschliesslich auf persönliche Einladung».

Wow! Wie schaffte ich es in diesen erlauchten Kreis?

Geld will der trotzdem von mir, im Voraus, und einen ganzen Nachmittag aus dem Kalender reissen soll ich dafür? Das kann ich nicht mal guten Gewissens auf Geschäftsspesen und Geschäftszeit abbuchen, der direkte Bezug zu meiner Arbeit als Direktorin einer Unternehmung scheint mir zu schwach, obwohl … , aber egal, ich will mich vor niemandem rechtfertigen müssen, ich begleiche das aus dem eigenen Sack.

Da sehen Sie mal, wie doof sich Frauen meines Kalibers benehmen, während Angestellte eines in dieser Veranstaltung nicht genannt werden wollenden Bankinstituts locker Besuche in Clubs der schönen Damen über den Spesenzettel abrechnen. Aus heutiger Sicht gesehen hätte ich es über das Geschäft abbuchen sollen, doch ich bin zu faul (oder zu privilegiert?), um die Rechnung hervorzukramen und den halben Ferientag umzubuchen. Für den besagten Nicht-Mehr-Angestellten gilt übrigens immer noch die Unschuldsvermutung.

Am 14. September flackert es wieder in meiner Mailbox und nur, weil das Mail von Marcel Würmli ist, unterdrücke ich meinen Delete-Drang, der immer aufdringlicher wird, je mehr Pandemie-Gedöns und Online-Events herumschwirren. Es wird doch tatsächlich ein 3G-Präsenz-Event. Die erlebnisreiche Zeit, die mir Marcel bis Freitagmittag wünscht, hätte ich mir jedoch anders vorgestellt. Ein entzündeter Weisheitszahn, der eine Woche und unzählige Schmerzmittel und Antibiotika kaum zähmen konnte, und eine operative Entfernung des Übeltäters an eben diesem Freitagmorgen vor der Veranstaltung liessen mit an der Wichtigkeit des Events für mich persönlich zweifeln. Doch in der Gewissheit, bereits widrigere Bedingungen überlebt zu haben, fuhr ich hin.

  

Ich hätte es wissen müssen!

Immer das Gleiche! Seit ich mich erinnern kann, immer das Gleiche! Oder ist es hier noch extremer als sonst? Wann war ich zuletzt an einem solchen Anlass? War das auch in der Ostschweiz?

WO SIND DIE FRAUEN? Überall sehe ich Anzüge, dunkle Anzüge, oder dunkle Hosen mit Hemd, mit den Ausnahmen Albert Nufer und Martin Leuthold, aber die gelten nicht, denn diese beiden Herren sind per Definition eigensinnig. Klar, dass auch ihre Kleidung aus der Reihe fällt. Dem Herrn Leuthold wurde dann auch von der Jurypräsidentin Isabel Schorer die lederne Bratwurst (handwerkliches Meisterstück von Raphaela Götz der Götz Manufaktur), der vrus-Persönlichkeitspreis für Eigensinn, übergeben, nicht für seine Kleidung, sondern für sein nicht verlöschendes Feuer für ausgefallene, innovative Stoffe.

Die Teilnehmerliste weist ein Anteil von knapp 20 Prozent weiblichen Teilnehmerinnen aus. Gefühlt waren es für mich um einiges weniger. Item. Marcel Würmlis Einstiegsreferat über das Thema «Charisma» löste in mir einen unwiderstehlichen Drang zur Widersprache aus. Marcel sprach von DEM Charismatiker, ER, DER Charismatiker, er nannte viele Beispiele, alles MÄNNER. Gibt es charismatische Frauenbeispiele? – Sicher, aber von denen hört man nicht viel und ihre Qualitäten sind nicht über jeden Zweifel erhaben: die griechische Sappho, die biblische Sara, Rachel, Frida Kahlo, Diana, Michelle Obama.

Die Merkmale Präsenz, Macht und Wärme werden bei Frauen allerdings oft ins Negative gedreht. Eine mit Präsenz kann als geltungssüchtig und eitel betitelt werden, Eine mit Wärme, der man sich gerne mit allerlei Intimen anvertrauen möchte, riskiert, als Klatschtante schubladisiert zu werden. (In meiner Fixierung auf Frauen gehe ich jetzt nicht weiter darauf ein, dass ein Mann mit dem Attribut Wärme riskiert, von seinen Geschlechtskollegen als Weichei oder – was ich, wenn ich ein Mann wäre, als noch schlimmer empfinden würde – Baumumarmer, bezeichnet zu werden.)

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Zum Thema Macht und Frauen, ja, da habe ich eine Anekdote auf Lager

Ich bewarb mich einmal bei einer Gemeinde um eine sehr wichtige Stelle. Qualifiziert dafür war ich ohne Zweifel. Vier Männer interviewten mich, einer davon der Gemeindepräsident, der mich aus früheren beruflichen Zusammenhängen kannte, ich war per Du mit ihm. Er stellte mich dem Berufungsgremium vor und erwähnte unter anderem, in lustigem und jovialen Ton, dass er Zeuge sei, dass ich Haare auf den Zähnen hätte.

Ich bekam den Job nicht, fragte auch nie beim Gemeindepräsidenten nach, warum. Seine auf die noch besseren Qualifikationen meines Mitbewerbers hinweisende, politisch selbstverständlich korrekte Antwort hätte die Löwin in mir geweckt, ich hätte ihm mit meiner dicken Pratze eine verpasst und ihn in Stücke gerissen.

Gerade als ich mir während Marcels Vortrag notierte: «Charisma ≠ Klugheit, ≠ Besonnenheit, ≠nachhaltiger Inhalt, ≠ Sein (sondern eventuell nur Schein), betonte er, dass hinter dem Charisma natürlich auch Inhalt sein müsse, der richtige Inhalt wohlgemerkt, ansonsten man es mit einem Hitler oder Stalin zu tun bekomme. Charisma könne man lernen mittels üben, zuhören, mit dem Herzen sprechen.

Ich frage mich, ob Charisma nicht überbewertet ist

Habe ich nicht kürzlich gelesen, dass eine Erklärung für die Zusprachen für Herrn Scholz als neuer Kanzler seine Ähnlichkeit mit Frau Merkel gerade bei der Eigenschaft Charisma liegen könnte? Beide haben nämlich keines und gehen Dinge eher ruhig und technokratisch an. Kann verlockend sein für eine Gesellschaft, die sich als Individuen und in Teilkollektiven in Gefühlsausbrüchen dauerhaft erhitzen.

Aber zurück zu den charismatischen Frauen, die sich auf einem schmalen Grat zwischen Bewunderung und Absturz bewegen. Sind sie charismatisch oder wollen es sein, betreiben sie einen Eiertanz – ein µ zu viel, und sie gelten als aufdringlich, exaltiert, überdreht, im schlimmsten Fall als unheimlich, vielleicht gar okkult bis hin ins Hexenhafte.

Gerne hätte ich mich nach Marcels Vortrag charismatisch zu Wort gemeldet, und da ich vorne sass, stellte ich mir vor, dass ich mich dafür umdrehen müsste, damit ich direkt zum Publikum spräche, ansonsten mein Charisma ja im leeren Raum vor mir verpuffte. Ich würde die Sache der Frau ansprechen.

Aber natürlich ganz schnell, bevor ein ungemütliches Raunen durch die Reihen ginge, dem Publikum zu verstehen geben, dass ich keine Kampf-Lesbe oder Radikalemanze sei, dass mich Gendersterne oder Doppelpunkte oder Gross-I-Endungen kalt lassen, dass ich die Art von Feministin sei, die Männern durchaus eine Daseinsberechtigung zusprächen und ich gäbe mir alle Mühe, nicht als Amazone zu wirken, obwohl ich kämpferisch und selbstbewusst auftreten würde. Wie gesagt, ein Eiertanz, zu dem es nicht kam, weil Marcel ohne Pause zum Vortrag von Prof. Dr. Pascal Gantenbein, den er als charismatisch bezeichnete, überleitete.

 

 

Das Kernstück seines Vortrags war die Klassierung von Krisen in Stärke 1-3 und die Gesetzmässigkeiten, die historische Studien über die Ursachen von Krisen ermittelt haben

Ich formuliere es mal salopp und umgangssprachlich: Für eine sich anbahnende Krise braucht es eine Ware oder Dienstleistung, deren Preis schwierig festzustellen ist und für die es kein Ersatzgut gibt. Die Akteure auf dem Markt sind fasziniert und begeistert und die allgemeine Blindheit verursacht einen Run auf das Gut. Der Preis steigt, alle machen Gewinne. Und plötzlich merkt Einer, dass alles nur Schall und Rauch ist, Gerüchte verbreiten sich, einer stösst das Ding ab, weitere stossen ab, der Preis fällt, Panik bricht aus, der Preis des einmal so verheissenden Guts fällt ins bodenlose und reisst je nach Gut andere Wirtschaftssektoren mit ins Verderben. Danach reiben sich alle die Augen und fragen sich, wie man nur so blind sein konnte.

Da dachte ich wieder an DEN Charismatiker. Ähnlicher Mechanismus, nicht? Erinnert an einen Bankchef in der Schweiz, doch gerade neulich, an den tiefen Fall einer Frau: Elizabeth Holmes mit ihrem Biotech-Unternehmen Theranos. Ich erinnere mich noch, wie ich mich freute, als Frau Holmes in den Olymp der weiblichen Wunderkinder aufstieg. Jetzt wird ihr der Prozess gemacht. Sie hat Charisma, denn sie hat alle Welt davon überzeugt, dass ihre Bluttests Krankheiten nachweisen können, obwohl sie wusste, dass es nicht stimmt.

Ihr Fall ist tief

Ich hätte es spätestens dann wissen sollen, als die schöne Frau sich mit Rollkragenpullover à la Steve Jobs zu bekleiden begann. Ich zähle lieber auf Authentizität als auf Charisma, obwohl auch dies ein etwas überstrapazierter Begriff ist.

Herr Gantenbein sprach vom nötigen Strukturwandel: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Risikobewusstsein seien gefragt und neue Geschäftsmodelle, die der Kundschaft ihre Produkte in neuer Weise anbieten.

Endgültig auf das Frauenthema fixiert, was sonst wirklich nicht meine Art ist, überlegte ich mir Folgendes und bereitete mich innerlich bereits wieder darauf vor, dass Marcel die Gnade finden würde, Zeit für eine Fragerunde zu finden. Ich würde dann sagen: Storytelling braucht der Kunde! Frauen können das! Wirklich? Oder meine ich das nur, weil ich gut im Storytelling bin und leite davon ab, dass alle Frauen es auch zu sein haben? OK, diesen Satz eher nicht bringen.

Aber wie wäre es mit: Nachhaltigkeit und Risikobewusstsein – diese Eigenschaften kann man doch Frauen zuschreiben. Frauen sind die Nestbauerinnen und Männer die Jäger. Punkt. Nestbauerinnen agieren nachhaltig. Punkt. Jäger nur für das kurzfristige Vergnügen. Punkt. Nestbauerinnen sind auch risikobewusster, die Plackerei soll ja Bestand haben. Aber stelle ich mich mit einer solchen Aussage nicht in die Ecke der biologistischen Welterklärer? Das wäre schrecklich. Also lieber nichts sagen.

Aber zum Strukturwandel, den Herr Gantenbein anspricht: Warum spricht den keiner vom Geschlechter Strukturwandel in den Chefetagen? Und überhaupt, warum der Drang, sich an dieser Veranstaltung zu Wort zu melden? Sich exponieren ist nicht immer lustig, ich habe im Leben schon ein paar Mal eins aufs Dach bekommen, weil ich den Mund nicht halten konnte, das mach ich nur noch, wenn es sich wirklich lohnt. Ich kann auch ganz allein mit mir reden, da wird es auf jeden Fall nicht langweilig. Aber mich wieder mal profilieren, wäre schon was, wenn ich nun so oder so hier sitze.

Die Verwaltungsratsmandate, mit denen ich mein Gehirn beschäftigt halten will, wenn ich bald operativ kürzertreten werde, befinden sich immer noch in weiter Ferne. Dafür braucht’s Networking, Networking und nochmals Networking, sonst kommst du auf keinen grünen Zweig! Hier bist du ein Nobody, nicht mal Namensschilder gibt es, wir sollen wahrscheinlich in diesem Forum einfach Menschen sein und den Status mal beiseitelassen.

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Schöner Gedanke, wirklich

Aber ich bin keine Petra Gössi, kein Michael Götte, kein Bischof Markus Büchel, kein Marcel Würmli, kein Pascal Gantenbein, keine Isabel Schorer, kein Peter Kuratli, kein Dudl (sorry an alle Promis, die ich nicht als solche erkannt habe). Ich brauche dringend eine Plattform, liess jedoch die ersehnte Fragerunde ungenutzt verstreichen. Ich hatte zu wenig Fleisch am Knochen, Herr Gantenbein lieferte mir zu wenige Bezugspunkte, mithilfe derer ich einen eleganten Bogen zurück zu Marcels Vortrag hätte schlagen können, um nicht als «eine am Thema vorbeischwätzende Rednerin» entlarvt zu werden.

Auch ärgerte mich ein bisschen, dass Herr Gantenbein nicht über die aktuelle Wirtschaftslage und Prognosen sprach. Die hätte ich am Montagsmeeting zur Profilierung nutzen können unter gleichzeitigem Namedropping. Aber gut, das wirtschaftshistorische Halbwissen, dass ich mir vom Vortrag gemerkt habe, tut es vielleicht auch für diesen Management Montag. Vielleicht bietet die NZZ am Sonntag noch etwas Besseres, mal sehen.

Als der Dudl – Andrej Ammann – nach der Pause auftrat, war ich gerade damit beschäftigt, mein Mutterhaus zu besänftigen und zu versprechen, dass ich die Monsterdateien, die sie wie üblich mit sehr kurzer Frist am Vorabend von mir angefordert hatten, pünktlich am Abend amerikanische Zeit abliefern würde. Damit verschaffte ich mir den nötigen zeitlichen Freiraum.

Als ich dann von meinem Mobiltelefon aufblickte und mich auf das Geschehen auf der Bühne konzentrierte, dachte ich im ersten Moment, was für einen Trottel der Marcel nun hier hingestellt hatte. Dudl wird mir die Titulierung verzeihen, denn das Trottelsein ist seine Masche, das schreibt er selber in seinem Buch (zum Beispiel auf den Seiten 17 und 48), das er den Interessierten schenkte und das ich in einem Schnurz mit diebischem Vergnügen am Wochenende gelesen habe.

Am Schluss des Referats hatte ich ihn richtig lieb gewonnen, Bewunderung für seine Lebensfreude, seine Selbstironie und seine Werte stieg in mir hoch. DER hat Charisma, Charisma mit gutem Inhalt.

Auch mit Charisma gesegnet scheint mir die Familie Grosjean, in der 15. Generation Besitzer der Caves du Château d’Auvernier. Zugunsten des Bruders Henry verzichten die drei weiteren Geschwister (Louis, der Vortragshalter, und zwei Schwestern) auf ihr Erbe, um den Besitz, die Weintradition und die nachhaltige Zukunft nicht durch Zerstückelung zu gefährden. Louis hat vom Vater den Auftrag erhalten, seinem Bruder als Coach und Mentor beizustehen, unentgeltlich wohlverstanden, und die beiden Schwestern haben sehr gute Berufe und sind im Familienbeirat, den Louis leitet, vertreten. Gottseidank, denn es hätte mir wirklich gestunken, auch noch das Frauenhaar in der Grosjean-Suppe zu finden.

  

Dann ein Highlight:

Bischof Markus Büchel im Gespräch mit Hemi, Hells-Angels-Präsident aus Zürich. Zerknirscht entscheide ich mich sofort gegen eine Wortmeldung nach dieser Ohren- und Augenweide, denn das Frauenthema macht hier einfach keinen Sinn, da sind sie hoffentlich mit mir einig. Obwohl, die Hells Angels scheinen mir bei Thema Frauen ein µ umgänglicher zu sein (falls Sie sich beginnen, über den Einsatz des µ in meinem Text wundern: Ich arbeite in der Maschinenindustrie, dort kann sogar der Bruchteil eines µ matschentscheidend sein, und das Gute ist, «mein» Unternehmen kann das µ, deshalb liebe ich es).

Der Bischof Büchel ist jedoch ein PR Profi. Mit dem Frauenthema würde ich ihn nicht aus der Bahn werfen. Er bringt heikle Themen von sich aus aufs Tapet, Frauen und Missbräuche, und nimmt sich damit sofort aus der (meiner) Schusslinie. Die Kirche brauche eben für das Thema Frauen noch etwas Zeit, und natürlich verurteilt er die Missbräuche. Nun, ich lass es gut sein, ich ertrage es stumm, leide still vor mich hin und verdränge meine Bewunderung für die Tiefe des Glaubens beider Männer an die Segnungen von gemeinschaftlichem Denken und Tun.

Schade eigentlich, statt verdrängen könnte ich mich freuen, doch meine Zeit im katholischen Klosterinternat hat mich abgehärtet, noch immer verbiete ich mir, der katholischen Kirche auch nur ein Jota näher zu rücken. Trotzdem, ich attestiere beiden Gästen Charisma, der eine spielt geschickt und mit viel trockenem Humor mit unseren Vorurteilen gegenüber diesen «gewalttätigen Knastbrüdern» (die sind übrigens alle unschuldig, wie wir erfahren haben), der andere bleibt Rom und seinem Glauben treu und schafft es trotzdem, uns zu überzeugen, kein Kadavergehorsamer zu sein.

Die Krönung ist der Auftritt von Daniela Widmer. Endlich eine Frau! Und was für eine! Selbstverständlich ist ihr Vortrag einstudiert, auf jeden Fall die Dramaturgie. Trotzdem: Das kann nicht jede. Ich habe ihr jedes Wort, jede Gefühlsregung, jede Stimmmodulation, jede Geste abgekauft. Warum? Weil sie durch und durch authentisch wirkte. (Charisma wäre hier absolut das falsche Wort.)

Im Saal wurde es mucksmäuschenstill. Und logo gab es nachher keine Diskussionsrunde mehr. Mein Frauenthema war im Lichte der Situation der Frauen in Afghanistan und im Lichte dessen, was Frau Widmer in ihrer Gefangenschaft bei den Taliban erlebte, ein Jammern auf hohem Niveau.

Es wird passendere Gelegenheiten geben, mich für meine erwünschten Verwaltungsratsmandate in Szene zu setzen. Ich werde sie kriegen (bescheidener: es)! Dann werden Sie staunen: Ich kann nämlich Charisma …, weil ich authentisch bin. Punkt. Machen Sie sich jetzt schon darauf gefasst, dass ich wiederkomme. Das viele Charisma hat mir gefallen. Dann werde ich meine Klappe nicht mehr halten. Ich brauche diese Mandate, wirklich!"

www.danielle-baumgartner.com

«Frauencharisma am vrus-Forum 21», erschienen am 23.09.2021: Eine Replik von Isabel Schorer

Ciao Danielle, darf ich dich zu einem Kaffee einladen?

Ja, wir dürfen uns duzen. Es ist zwar schon eine Weile her, dass wir uns begegnet sind, aber wir kennen uns persönlich und entsprechend ist die Du-Ansprache korrekt. Ich möchte mich bei dir für den tollen Erfahrungsbericht bedanken. Die angegebenen elf Minuten Lesezeit kamen mir definitiv kurzweiliger vor. Eine persönliche Optik von einem selbst erlebten Event ist immer spannend. Dennoch hat es mich gereizt (auch, als Frau), meinen Blickwinkel auf die Veranstaltung zu teilen, da die Wahrnehmungen unabhängig vom Geschlecht sehr unterschiedlich sein können.

Der charismatische Mensch – ist dieser männlich, weiblich oder einfach charismatisch?

Mir ist nämlich (bis zu deinem Bericht) nicht aufgefallen, dass das Inputreferat nur in männlicher Form gehalten wurde. Für mich war es selbstverständlich, dass beide Geschlechter, also auch ich, angesprochen waren.

Auch wenn nur ein Fünftel der Teilnehmenden weiblich war, empfand ich das Publikum als divers – nun einmal abgesehen von der Garderobenwahl der Herren in den bekannt gedeckten Farben. Da gebe ich dir absolut recht. Aus meiner Sicht ist die Frage heute nicht mehr «Wie viele Frauen sind da?», sondern «Sind spannende, kompetente oder eigenständige Personen vor Ort?». Unabhängig vom Geschlecht.

An der Veranstaltung habe ich die unterschiedlichsten Menschen kennenlernen dürfen, welchen ich sonst wahrscheinlich nicht begegnet wäre. So konnte ich mein Netzwerk erweitern, was für mich an solchen Anlässen auch immer wichtig ist. Und es gehört für mich auch dazu, dass heute jeder/jede so kommen kann, wie er/sie sich wohlfühlt, unabhängig der Bekleidung – auch im Anzug. Wobei, wenn sich einige Personen ein Beispiel an Martin Leuthold nehmen würden, dann gibt es vielleicht eines Tages einen Preis für die kreativste Kleidung – vielleicht sogar eine lederne Krawatte. Ach ja, das hatten wir doch schon einmal und eigentlich möchte ich die Lederkrawatte nicht zurück.

Selbstverständlich wurde kein Preis für ausgefallene Kleidung vergeben, sondern für Eigensinn. Diesen Preis habe ich Martin Leuthold übergeben dürfen. Es macht mich stolz, dass ich Martin Leuthold für sein Schaffen würdigen durfte, welches mich immer wieder beeindruckt.

War ich die Quotenfrau?

Wurde ich nur ausgewählt, weil die Veranstaltung noch eine Frau auf der Bühne brauchte? Nein. Diesen Gedanken hatte ich auch nie. Ich durfte diese Rolle einnehmen, weil ich in diese Funktion passte und ich die Anfrage annehmen wollte. Gerade im Jahr 2021, wo 50 Jahre Frauenstimmrecht gefeiert werden, bin ich dankbar für die Vorreiterinnen, welche viel für uns Frauen geleistet haben. Aber ich möchte deshalb nicht nur aufgrund meines «Frauseins» ausgewählt werden. Ich denke, das wäre auch nicht die Absicht dieser starken Frauen gewesen.

Der Inhalt der Veranstaltung bot mir ein abwechslungsreiches Programm und beleuchtete das Thema Wandel und Charisma aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Ich fand es spannend, unterschiedliche Blickwinkel zu erhalten, wie beim Talk mit Bischof Markus Büchel und Hemi.

Natürlich gibt es auch eine Vielzahl an grossartigen weiblichen Persönlichkeiten, die eine spannende Geschichte zum Thema Wandel erzählen könnten. Einige Beispiele dafür findest du aktuell in der Ausstellung «Frauen Macht Mode» im Textilmuseum St.Gallen. Aber ich möchte, dass nach vorne geschaut wird und nicht immer aus der Opferrolle über die «Genderungerechtigkeit» geschrieben und gesprochen wird. Ich bin dankbar, wie viel erreicht wurde, und möchte diesen Pfad gestärkt von dieser Energie weitergehen.

Lass uns gemeinsam die Zukunft mitgestalten

Ich möchte mich nochmals herzlich für deinen spannenden Kommentar bedanken und hoffe, dass meine Replik auch bei dir in den Posteingang flackert. In diesem Sinne:

Ciao Danielle, darf ich dich zu einem Kaffee einladen? Ich würde mich auf ein Gespräch mit dir freuen. Wir können uns ja über Quoten unterhalten, zum Beispiel darüber, wie viel höher die Zusage-Rate bei einer persönlichen Anschrift ist.

Liebe Grüsse und bis bald, Isabel