Fall Vincenz: Staatsanwaltschaft durchsucht Redaktion von «Inside Paradeplatz»

Text: stz.
Im Zentrum der Ermittlungen steht die Frage, wie interne Dokumente der Bank Julius Bär im Zusammenhang mit den Affären um Pierin Vincenz und Beat Stocker an die Öffentlichkeit gelangt sind. Die betroffenen Artikel von Inside Paradeplatz stammen aus den Jahren 2016 und beleuchten mögliche Interessenkonflikte bei Beteiligungen von Vincenz und Stocker im Umfeld von Raiffeisen und Aduno.
Das Verfahren wurde ursprünglich 2019 eingeleitet, nachdem in der «Handelszeitung» über eine interne Lecksuche bei Julius Bär berichtet worden war. Eine erste Sistierung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft wurde vom Zürcher Obergericht aufgehoben. In der Folge wurde Inside-Paradeplatz-Herausgeber Lukas Hässig befragt und später zum Beschuldigten erklärt.
Nach einem weiteren Sistierungsentscheid der Staatsanwaltschaft im Jahr 2023 intervenierte Beat Stocker als Privatkläger erneut erfolgreich beim Obergericht. Dieses verpflichtete die Ermittlungsbehörden im Frühjahr 2024, das Verfahren aktiv weiterzuführen und allfällige Zwangsmassnahmen anzuordnen.
Erste Zwangsmassnahme gegen ein Medium seit 1995
Am 15. Mai 2025 erliess die Staatsanwaltschaft daraufhin eine Verfügung zur Hausdurchsuchung. Diese wurde rund zwei Wochen später vollzogen. Laut Einsatzrapport der Kantonspolizei Zürich verliefen die Durchsuchungen ohne Zwischenfälle. Sämtliche sichergestellten Unterlagen und Geräte wurden auf Antrag des Betroffenen versiegelt. Die Entscheidung über deren Auswertung obliegt nun dem Zwangsmassnahmen-Gericht.
Die Aktion gegen Inside Paradeplatz sorgt in der Schweizer Medienlandschaft für Aufmerksamkeit. Es handelt sich um den ersten bekannten Fall seit 30 Jahren, in dem Zwangsmassnahmen gegen eine Schweizer Redaktion wegen des Verdachts auf Bankgeheimnisverletzung ergriffen wurden.
Hintergrund der rechtlichen Grundlage ist eine Verschärfung des Strafartikels zum Bankgeheimnis, die am 1. Juli 2015 in Kraft trat. Seither können auch Personen ausserhalb des Bankensektors – etwa Journalisten – strafrechtlich belangt werden, sofern eine Verletzung von Geschäfts- oder Bankgeheimnissen vermutet wird. Ob im aktuellen Fall eine solche vorliegt, ist Gegenstand des laufenden Verfahrens. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Bank Julius Bär ist in den aufsehenerregenden Fall um den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz involviert, da eine verdächtige Transaktion über ihre Bücher den Stein ins Rollen brachte und die Ermittlungen auslöste. Die Privatbank fungiert in dem Verfahren jedoch nicht als Klägerin oder Angeklagte, sondern als ein zentrales Puzzleteil, dessen interne Meldung die Affäre ans Licht der Öffentlichkeit beförderte.
Der Kern des Vincenz-Falls dreht sich um den Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung, des Betrugs und der Urkundenfälschung. Vincenz soll sich bei Firmenübernahmen, die von der Raiffeisen-Tochter Aduno getätigt wurden, persönlich und im Verborgenen bereichert haben.
Die Verbindung zu Julius Bär wurde öffentlich, als der Finanzblog «Inside Paradeplatz» über eine Zahlung von 2,9 Millionen Schweizer Franken berichtete. Dieses Geld floss von einem Konto bei Julius Bär, das dem Mitangeklagten Beat Stocker gehörte, auf ein Konto von Vincenz bei der Raiffeisen Bank. Diese Transaktion, die als Darlehen für einen Immobilienkauf deklariert wurde, löste bei Julius Bär intern einen Geldwäscherei-Alarm aus.
In der Folge leitete die Bank Julius Bär eine interne Untersuchung mit dem Codenamen «Project Van Gogh» ein. Ziel dieser Untersuchung war es, die undichte Stelle zu finden, durch welche die Informationen über die Transaktion an die Öffentlichkeit gelangt waren, was eine potenzielle Verletzung des Bankgeheimnisses darstellte.
Die von Julius Bär gemeldete verdächtige Transaktion war ein entscheidender Auslöser für die strafrechtlichen Ermittlungen der Zürcher Staatsanwaltschaft gegen Pierin Vincenz und weitere Beteiligte.