Gast-Kommentar

Employer Branding mit Ecken und Kanten

Employer Branding mit Ecken und Kanten
René Eugster
Lesezeit: 5 Minuten

Will ein Unternehmen den War for Talents gewinnen, muss es zu seiner Marken- und Werte-DNA stehen. Es darf sie nicht der Konformität zuliebe «waschen», sondern sollte sich vielmehr authentisch und damit glaubwürdig positionieren.

Text: René Eugster, Agentur am Flughafen

Ob Jeff Bezos, Eva Perón, Marie Curie, Napoleon oder Frida Kahlo – Pionierinnen und Pioniere in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Militär, Kunst und Kultur sind oder waren in erster Linie authentisch. Um ihre Ideen erst so richtig gross zu machen, brauchten und brauchen sie von der Sache überzeugte Mitwirkende oder Mitarbeitende. Daran hat sich bis heute nichts geändert – und genau das ist der Kern von Employer Branding.

Ein bisschen «New Work» reicht kaum

Im Zug des sich verschärfenden Fachkräftemangels steht Employer Branding bei Unternehmen sämtlicher Couleur und Grösse hoch im Kurs. Führungsriegen überbieten sich gegenseitig mit Fringe Benefits wie «Work-Life-Balance», «Home-Office» oder «New Work». Doch lassen sich mit diesen unterdessen eher abgedroschenen Begriffen beziehungsweise Massnahmen wirklich Mitarbeitende finden, die Feuer und Flamme sind für die Ideen, Werte und Versprechen eines Unternehmens? Mitarbeitende, die die Ärmel hochkrempeln und ihr Letztes geben, um die Extrameile für den Unternehmenserfolg zu gehen?

Authentizität schafft Glaubwürdigkeit

Für einen Teil der Generationen Y und Z mögen diese Massnahmen kurzfristig als Anreiz wirken, insbesondere für die aufstrebende White-Collar-Fraktion. Doch die meisten Unternehmen brauchen zur Leistungserbringung nicht nur angehende Manager, sondern ganz viele Blue-Collar-Arbeiter. Am Rande der Verzweiflung suchen Unternehmen dann nach irgendjemandem, die oder der nicht ihrer wahren Marken- und Werte-DNA entspricht. Das funktioniert zwar, doch oft kommt nach kurzer Zeit das grosse Erwachen, weil sich die falschen Personen bewerben.

Will ein Unternehmen die richtigen Mitarbeitenden finden, muss es seine Ideen, Werte und Versprechen definieren und dazu stehen. Es muss eine klare Haltung einnehmen – auch auf die Gefahr hin, sich da und dort unbeliebt zu machen. Das Rad muss es dazu aber nicht neu erfinden. Seit jeher haben Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen so positioniert, dass sich diese möglichst scharf von denen der Konkurrenz differenzieren und eine genau definierte Zielgruppe anpeilen. Eine Person ohne Führerschein, Mitglied einer grünen Partei und nicht statusaffin kommt für den Jaguar-Konzern kaum als Kundin oder Kunde infrage – und wohl ebenso wenig als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter. Da braucht es eher einen «Petrol Head».

  

Die «Waschmaschinen» laufen auf Hochtouren

Im Bemühen darum, möglichst alle Erwartungen von möglichst allen Bewerberinnen und Bewerbern zu erfüllen, haben viele Unternehmen ihre «Waschmaschinen» mittlerweile auf Dauerbetrieb gestellt. Waffenkonzerne verkaufen plötzlich keine Waffen mehr, sondern «Gerätschaften zur Verteidigung», als ob ein Panzer nicht genauso für den Angriff eingesetzt werden könnte. «Peace-Washing» nennt sich das. Es geht hier nicht darum, ob es moralisch vertretbar ist, Waffen zu produzieren und zu verkaufen, sondern darum, aktiv zu kommunizieren, was man wirklich herstellt, und Fachkräfte zu finden, die damit kein Problem haben, dafür aber die technischen Herausforderungen schätzen.

Genauso wenig sollte ein Öl- oder Gaskonzern so tun, als würde sein Kerngeschäft neuerdings nicht mehr in der Förderung und Verarbeitung fossiler Energieträger bestehen. Hier sind wir beim «Green-Washing». Solche Unternehmen sollten Mitarbeitende suchen, die sich mit der grossen Geschichte des schwarzen Goldes identifizieren können. Sie werden sie bestimmt finden.

Und zu guter Letzt: Es wäre fahrlässig, wenn Finanzinstitute plötzlich so tun würden, als ob Geld zu verdienen nicht mehr ihre Kernkompetenz wäre, dafür aber die Rettung irgendeiner Pflanze auf den Nikobaren. Die Liste liesse sich endlos weiterführen.

Für eine authentische und damit glaubwürdige Positionierung einer Arbeitgebermarke braucht es gestandene Marketing- und Brandingexpertinnen und -experten und weniger die Personalabteilung.

René Eugster

Employer Branding ist eine Marketing- und Führungsaufgabe

Um die richtigen Fachkräfte – eben auch auf Blue-Collar-Ebene – zu finden, muss ein Unternehmen seine Marken- und Werte-DNA definieren, auf ihre Relevanz auf dem Markt der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abstimmen und möglichst spannend kommunizieren. Dies erfordert neben Erfahrung auch einiges an Kreativität und ist daher eher eine Aufgabe für Marketing- und Brandingexperten und weniger für die Personalsachbearbeiter – oder eine Unternehmensberatung mit breitgefächertem Dienstleistungsangebot. Zumal sich Marketing- und Verkaufsexperten schon seit jeher dafür verantwortlich zeichnen, die passenden Kundinnen und Kunden für Dienstleistungen und Produkte zu ermitteln, mit ihnen in einen Dialog zu treten und am Ende des Tages einen Abschluss zu erzielen. Schliesslich geht es beim Employer Branding um nichts anderes.

Von der Arbeitgebermarke erfordert dies, Authentizität und nicht Konformität. Als Aushängeschild spielt dabei der oder die CEO eine wichtige Rolle. Kommunikationsscheu hin oder her, er oder sie muss sich aus dem Fenster lehnen – mit dem Risiko, sich dadurch angreifbar zu machen. Denn Menschen arbeiten nicht nur mit, sondern auch für Menschen, die es ihnen wert sind, die eigene Arbeitskraft einzusetzen und die Extrameile zu gehen.

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Der Weg zum «Match» in sechs Schritten

Folgende sechs Schritte empfehlen sich, damit es zu einem «Match» zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern kommt:

1) Bevor sich ein Unternehmen mit der eigenen Marken- und Werte-DNA beschäftigt, sollte es zusammen mit Spezialisten ausserhalb ihres nur wohwollend nickenden Dunstkreises analysieren, was bestehende und potenzielle Mitarbeitende von ihm halten. Oft stellt man dann ernüchtert fest, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinandergehen.

2) Ebenfalls sollte eine Firma eruieren, warum Mitarbeitende zur Konkurrenz abwandern oder sich Talente für andere Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber entscheiden. Nicht immer ist der Lohn der Grund dafür!

3) Verfügt ein Unternehmen über diese Informationen, muss es aus der Marken- und Werte-DNA eine Employer Value Proposition entwickeln. Wer sich dabei bloss ein «sexy Image» geben will, das wenig mit der Realität zu hat, wirkt unglaubwürdig.

4) Stimmen Anspruch und Wirklichkeit bei der Marken- und Werte-DNA überein, geht es darum, die Bestandteile herauszuschälen, die für die Gewinnung und Bindung möglicher Mitarbeitender relevant sind.

5) Nun geht es ums eigentliche Employer Branding, das heisst, es gilt zu klären, mit welchen Massnahmen man die Employer Value Proposition an die Frau respektive den Mann bringt. Wichtig ist dabei, stets das grosse Ganze im Blick zu behalten, sprich sich bei sämtlichen Massnahmen konsequent an der Marken- und Werte-DNA zu orientieren. Ein plötzlich herumgeisternder neuer Trendwunsch darf nicht dazu verleiten, an der Employer Value Proposition oder gar an den Werthaltungen des Unternehmens herumzubasteln.

6) Schliesslich sollte ein Unternehmen die Aufgabe des Employer Branding und die kontinuierliche Kommunikation der Employer Value Proposition auf oberster Führungsebene verankern und institutionalisieren, und es sollte die Aussenwahrnehmung stetig durch externe Sparringspartner reflektieren, verbessern und schärfen.

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