St.Gallen

Die Zukunft der Universität neu denken

Die Zukunft der Universität neu denken
HSG-Rektor Bernhard Ehrenzeller
Lesezeit: 6 Minuten

Der traditionelle Dies academicus fand am Samstag nach zwei virtuellen Feiern wieder auf dem Campus der Universität St.Gallen (HSG) statt. Gefeiert wurde mit Universitätsangehörigen und Gästen aus Politik, Wissenschaft und Bevölkerung.

Einmal im Jahr bringt der akademische Feiertag der Universität St.Gallen Freunde und Ehemalige der HSG mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und der Bevölkerung zusammen. Der diesjährige Dies academicus wurde durch Rektor Bernhard Ehrenzeller eröffnet.

«Sankt Denkplatz»

Wie der langjährige Präsident der Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching, Ernest Boyer, sagte, sollen sich Campus-Gemeinschaften an sechs Prinzipien ausrichten, begann Rektor Bernhard Ehrenzeller seine Rede:

educationally purposeful – auf Bildung ausgerichtet;

open – offen;

just – gerecht;

disciplined – diszipliniert;

caring – fürsorglich oder mitfühlend;

celebrative – feierlich sollten Universitäten sein.

«Universitäten bieten Vielfalt in der Einheit, gleichzeitig sind sie Teil einer Wertegemeinschaft. Hochschulen sind zudem Orte, deren Wirkung über ihre Gemeinschaft im engeren Sinne hinausgehen», sagte der Rektor. Gerade mit SQUARE habe die HSG einen Ort geschaffen, an dem nicht nur die Lehre und das Lernen neu gestaltet werden, sondern der auch vermehrt zum Brückenschlag – nach innen und aussen – einlade.

Der Austausch zwischen «Personalities in Residence», Studenten und Dozenten sowie Partnern aus der Praxis stehe im Vordergrund. Das Schild «Sankt Denkplatz» prange neu auch an HSG-Türen – tatsächlich sei die Stadt mit der Ankunft ihres namensgebenden Heiligen eben auch ein geistiger Kraftort, ein Denkplatz, geworden.

Wolle eine Universität der Gesellschaft wirklich dienen, dürfe sie sich nicht nur als Dienstleisterin verstehen – «sie muss als Expertenorganisation der Gesellschaft auch als Kritikerin gegenüberstehen und den Studenten das Bewusstsein vermitteln, dass kritisches Denken, auch sich selbst gegenüber, Teil der Verantwortung ist», sagte Bernhard Ehrenzeller.

Das kommende Jubiläumsjahr, 125 Jahre HSG, solle ein Jahr des Feierns, aber ebenso ein Jahr der Reflexion über «die Zukunft der Universität» sein, zu deren Diskussion alle eingeladen seien, schloss Rektor Bernhard Ehrenzeller seine Ansprache.

Kurze Videos liessen das HSG-Jahr 2021 bis 2022 Revue passieren. Mit der Rückkehr des Lebens auf den Campus nahmen auch die Aktivitäten mit Beginn des Herbstsemesters 2021 wieder stark zu. Highlights waren die Eröffnung des SQUARE Mitte Februar 2022 und die Eröffnung des Masterstudiengangs in Computer Science im Oktober 2021, ein Nachhaltigkeitskurs sowie ein Studentenprojekt im Rahmen der National Model United Nations. Auch das 50-jährige Jubiläum des Frauenstimmrechts in der Schweiz wurde in den Videos rückblickend beleuchtet.

Digitale Universität, studentisches Engagement, Exzellenz

«Ich bin ein Staffelläufer. Und ich bin nicht ganz hundert», begann der Präsident der Studentenschaft (SHSG), Lukas Zumbrunn, seine Rede. Der Stab des Staffellaufs werde von Jahr zu Jahr übergeben. Als 99. Präsident der Studentenschaft verpasse er zwar das hundertste Präsidium und damit das 125-Jubiläumsjahr der Alma Mater, dennoch blicke er mit Freude zurück auf 100 Jahre SHSG im Jahr 2021 und die kürzliche Eröffnung des SQUARE. Mit dem Neubau verbunden sei auch ein anstehender Paradigmenwechsel.

Lukas Zumbrunn gab dem Publikum seine Perspektive, was die HSG bis 2062 – dem Jahr seiner möglichen Pensionierung – beschäftigen werde, mit auf den Weg. Er setzte drei Akzente: Erstens, «Die digitale Universität kommt», zweitens «Studentisches Engagement fördert die Persönlichkeit» und drittens, «Exzellenz, von der Vergangenheit in die Zukunft». Unter digitaler Universität verstehe er die Trennung von Wissensvermittlung und -anwendung. Während Wissensvermittlung «on demand» Flexibilität ermögliche und Kosten senke, könne neu in die Wissensanwendung in kleineren Gruppen investiert und Budget für Coaching erstellt werden.

Am SQUARE könne die Universität St.Gallen den Schritt wagen, weg vom «über das lebenslange Lernen Reden» hin zum «aktiven lebenslangen Lernen Praktizieren». Engagement trage wesentlich zur Persönlichkeitsbildung bei. Studenten lernen, Verantwortung zu übernehmen – an der HSG wie auch später im Leben. Zahlreiche Ehemalige seien heute auf vielfältige Art und Weise Wegbereiter in der HSG-Community. Stolz sein möchte Lukas Zumbrunn im Jahre 2062 auch auf die Praxisnähe, welche die Universität lebt. Chancen der Zusammenarbeit seien zu nutzen – SQUARE biete hierzu das optimale Experimentierfeld.

Die Studentenschaft zeichnete Dr. Felix Grisard, Präsident des Verwaltungsrates der HIAG und Mitglied des HSG Beirats, mit dem Mentorpreis sowie Alexander Gruber, Ph.D., mit einem Teaching Award aus.

Drei Ehrendoktorate verliehen, drei neue Ehrensenatoren

Die Verleihung der Ehrendoktorate richteten sich an drei Professoren:
Dr. Mike Burkart, Professor in Unternehmensführung und Finanz-Contracting an der London School of Economics and Political Science, wurde als international bedeutender Forscher, insbesondere mit wegweisenden Arbeiten zum Einfluss von Shareholder-Aktivismus und Unternehmensübernahmen auf den Unternehmenswert, von der School of Finance (SoF-HSG) mit dem Ehrendoktorat geehrt. Mike Burkart habe wesentlich zum Verständnis beigetragen, wie die Qualität des Aktionärsschutzes und der optimale Anteil stimmberechtigter Aktien auf Übernahmeergebnisse sowie die Qualität von Corporate Governance wirken.
Eileen Fischer, Ph.D., Professorin an der Schulich School of Business in Toronto, wurde als führende Wissenschaftlerin und internationale Stimme auf dem Gebiet der qualitativen Konsumentenforschung, von der School of Management (SoM-HSG) mit dem Ehrendoktorat der Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Eileen Fischer gelte als Pionierin in der Erforschung von Verbindungen zwischen Konsumenten, Unternehmen und deren Markenprodukten sowie Entwicklungen dieser Märkte.
Dr. Silvana Tenreyro, Professorin in Geldpolitik und internationaler Ökonomie an der London School of Economics and Political Science und externes Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England, wurde von der School of Economics and Political Science (SEPS-HSG) mit dem Ehrendoktorat der Wirtschaftswissenschaften geehrt. Silvana Tenreyro ist führende Wissenschaftlerin in makroökonomischen Fachbereichen und Vorbild dafür, dass sich akademische Höchstleistungen mit aktivem Engagement in wirtschaftspolitischen Gremien verbinden lassen. Sie nahm virtuell an der Verleihung teil.

In den Ehrensenat aufgenommen wurden folgende drei Persönlichkeiten:
Die langjährige Geschäftsführerin der Stiftung Startfeld sowie Initiantin des 2017 gegründeten Bildungslabs Smartfeld Cornelia Gut-Villa wurde für ihre grossen Verdienste und Engagements um den Standort St.Gallen sowie die Universität zur neuen Ehrensenatorin der HSG ernannt. Im Rahmen von Smartfeld fördert sie nicht nur die Zukunftskompetenzen und Kreativität junger Menschen, auch macht sie sie mit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters vertraut. Cornelia Gut-Villa unterstützt die Universität als Unternehmerin in der Ausbildung einerseits («insight»), in der unternehmerischen Anwendung anderseits («impact»).
Mit Dr. Dr. Dr. h.c. Ann-Kristin Achleitner und Dr. Paul Achleitner nimmt die Universität St.Gallen zwei herausragende Impulsgeber neu in den Ehrensenat auf. Ann-Kristin Achleitner habilitierte 1994 als erste Frau an der HSG. Paul Achleitner promovierte 1985 an der HSG. «Sie haben nicht nur Institutionen geformt, sondern mit ihrer Integrität und ihrer persönlichen Zuwendung vielen ein Vorbild gegeben, insbesondere der jungen Generation», sagte Rektor Bernhard Ehrenzeller in seiner Ehrenansprache. Mit ihrem «feu sacré» habe das Ehepaar Ann-Kristin und Paul Achleitner die Universität in Forschung und Lehre, im Mentoring und der Weiterbildung geprägt. Die Aufnahme in den Ehrensenat sei der Beginn einer weiteren Etappe eines gemeinsamen Weges an und mit der HSG.

«HSG Impact Awards» an drei Projekte

Im Rahmen des Dies academicus 2022 wurden auch die HSG Impact Awards verliehen. Zum fünften Mal wurden HSG-Forschende prämiert, die mit ihren Projekten einen besonders wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Folgende drei Projekte bzw. Forschende wurden ausgezeichnet:
Dr. Sebastian Kernbach, Prof. Dr. Martin Eppler und Prof. Dr. Sabrina Bresciani erhielten die HSG-Impact-Award-Auszeichnung für ihr Projekt «Life Design». Life Design ist ein wissenschaftlicher Gestaltungsansatz, der seinen Ursprung an der Universität Stanford unter dem Titel «Design Your Life» hatte. Am «Life Design Lab» der Universität St.Gallen wird ein neue Life-Design-Ansatz eingesetzt. Die Wirkung des St.Galler Life-Design-Ansatzes wird seither insbesondere in Hinblick auf die Entwicklung von Psychologischem Kapital untersucht, welches sich aus Selbstwirksamkeit, Hoffnung, Optimismus und Resilienz zusammensetzt.
Dr. Thomas Beschorner und Prof. Dr. Martin Kolmar wurden für ihr Projekt «Ethik der Covid-19 Pandemie» mit dem HSG Impact Award geehrt. Die Covid-19-Pandemie hat die Gesellschaft in der vergangenen zwei Jahren beschäftigt wie kein anderes Thema. Es wurde deutlich, dass die damit verbundenen Frage- und Problemstellungen nicht nur virologischer, ökonomischer und statistischer Natur sind, sondern im Kern ebenso gesellschaftliche und ethische Dimensionen beinhalten. In einer Serie von Artikeln in öffentlichen Leitmedien des deutschsprachigen Raums mischten sich Thomas Beschorner und Martin Kolmar in diese Diskussion mit ein, um durch fundierte sachliche Analysen und normative Reflexionen Debattenbeiträge zu leisten.
Dr. Heike Bruch, Prof. Dr. Nils Fürstenberg und Frederik Hesse wurden für ihr Projekt «Die Zukunft der Arbeit verantwortungsvoll gestalten: Implikationen aus dem Pioneering-Projekt Resilienz und Hochleistung @Hilti» ausgezeichnet. Neben den fundamentalen ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ist seit Einzug der Corona-Pandemie auch eine abrupte Veränderung der Zusammenarbeit in Unternehmen zu beobachten: Homeoffice, virtuelle Zusammenarbeit und der vermehrte Einsatz digitaler Kommunikationsmittel. Das Forschungsprojekt widmete sich diesen Themen mit dem Ziel, Hilti bei der erfolgreichen Bewältigung dieser globalen Krise zu unterstützen.

Verleihung des Latsis-Preises

Die Fondation Latsis Internationale ehrt jährlich an ausgewählten Universitäten der Schweiz Nachwuchsforschende. Dieses Jahr ging der Preis an Prof. Jamie Gloor, Ph.D., Assistenzprofessorin für Diversity and Leadership Science. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen: Zukunft der Arbeit und Führungskräfte, Diversität, Künstliche Intelligenz, Emotionen und Humor.

Zweiter HSG Kulturpreis 2022

Für ihr kulturelles Engagement ehrt die HSG in diesem Jahr das Solidaritätshaus St.Gallen. Das sogenannte «Solihaus» ist ein offenes Haus für Flüchtlinge und Migranten aus der Region St.Gallen, Appenzell und Thurgau. Es bietet diesen kostenlos eine Tagesstruktur, Hilfe in unterschiedlichen Belangen, Freizeitmöglichkeiten und Kurse. Mit verschiedenen Veranstaltungen erlaubt das Solihaus auch persönliche Begegnungen zwischen Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung.

Mit Singen des «Gaudeamus igitur» ging der Festakt des Dies academicus 2022 zu Ende.

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