Den digitalen Wandel aktiv gestalten

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«Wir brauchen Schwarm- statt Silodenken, wenn wir den digitalen Wandel bewältigen wollen», sagt Wolfgang Jenewein, Ordinarius für Betriebswirtschaft an der HSG. Er sprach an der jüngsten Kundentagung der Sirnacher Beschaffungswirtschaftsspezialistin INNOSourcing GmbH.

Eineinhalb Tage, die uns weiterbringen: Dieses Versprechen hat der CXO Event 2017 in der Kartause Ittingen in Warth eingelöst. Er brachte zwar keine abschliessende Lösung hervor, jedoch «Puzzleteile für ein Bild, das wir heute noch nicht kennen», so Hansruedi Blickenstorfer, Geschäftsführer und Inhaber der INNOSourcing GmbH.

Der anregende Austausch zwischen Top-Referenten und Teilnehmern aus Industrie, Wissenschaft und Forschung brachte zutage, dass die Schweiz für die Digitalisierung/Industrie 4.0 gut aufgestellt ist. «Das Thema ist in den Firmen angestossen», bilanzierte Thomas Schnadt, Mitinhaber der INNOSourcing GmbH. Mehr Mut zu einer «trial and error»-Kultur sei spürbar. Doch der Prozess werde eher evolutionär statt revolutionär ablaufen.

Den wirtschaftspolitischen Rahmen setzte zum Auftakt der bekannte Ökonom und Buchautor Beat Kappeler. Für die Digitalisierung brauche es die «Ökonomie der Fläche». Die steigende Produktivität führe wiederum zu Einkommens- wie Nachfrageeffekten, und die Automatisierung ziehe ausgelagerte Firmen zurück ins Land. Politische Risiken seien vor allem im Bereich der Handelspolitik zu orten. Ein Zollkrieg oder neue Zollmauern dürften den Welthandel so stark beeinträchtigen, dass eine Industrie 4.0 hinfällig, der Wohlstand beeinträchtigt würde.

Erfolgreiche Unternehmen, die Veränderungen ablehnten, sind von digitalen Technologien quasi über Nacht überrollt oder schwer beschädigt worden, erinnerte der St. Galler Universitätsprofessor Wolfgang Jenewein. «Der digitale Tornado erwischt eine Industrie nach der anderen, und das Tempo erhöht sich», warnte der Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, der sich vor allem mit Führungsprozessen beschäftigt.

Statt die Zukunft zu planen sollten Unternehmen dazu übergehen, die Zukunft zu beeinflussen und zu gestalten, forderte Jenewein. Zu diesem Wechsel von der «Causation» zur «Effectuation» gehörten eine offene, abteilungsübergreifende Haltung, ein Schwarm- statt ein Silodenken. Es brauche vor allem die richtigen Leute, und schliesslich werde die Frage nach dem Warum der unternehmerischen Tätigkeit wichtiger als zuvor, «wenn wir den digitalen Wandel bewältigen wollen».

«Bei allen Risiken der Digitalisierung sind die Chancen enorm, das gilt gerade auch für KMUs», sprach Michael Henke, Leiter des Dortmunder Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik, Mut zu. Angesichts der Ängste und Befürchtungen von KMUs zeige das Institut darum an konkreten, kleinen Schritten auf, wie digitale Technologien eingesetzt werden können. Die Industrie 4.0 führe nicht nur zur «smart factory», sondern müsse weiter gefasst werden, als Internet der Dinge und Dienste und als Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen.

Angesichts der ökonomischen Chancen (Produktivität) könne der Einkauf hier eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn er sich vom operativen Bestellschreiber zum Datenspezialisten entwickle. Darum gelte es, alte Denkmuster zu verlassen und neue Geschäftsmodelle zu entwerfen. Ebenso müsse eine Kultur des Machens gefördert werden, plädierte Henke für einen neuen Management-Ansatz. «Einfach die Krawatte abzulegen und alle zu duzen, reiche nicht. Cool kann man sich nicht kaufen».

Auf dem Bild: Michael Henke (Mitte) vom Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik unterhält sich mit Hansruedi Blickenstorfer und Thomas Schnadt von der INNOSourcing GmbH.