Alle Zahlen auf einen Blick

Alle Zahlen auf einen Blick
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Im Mai präsentierten Studenten der Fachhochschule St.Gallen in rund sechzig Unternehmen die Ergebnisse ihrer Praxisprojekte. Was bringen diese? Der Flawiler Formen- und Werkzeugbauer Büchler Reinli + Spitzli AG engagierte vor vier Jahren ein Studententeam, um eine Software zu konzipieren mit dem Ziel, das Wachstum und die Vielfalt der Produktionsprozesse überschaubar zu gestalten – die Software ist heute unverzichtbar.

«Unsere Firma hat sich massiv verändert», berichtet Andreas Scherrer, Inhaber und Geschäftsführer der Büchler Reinli + Spitzli AG in Flawil. 2008 kaufte er der Geberit die damalige Büchler Werkzeugbau AG ab. Die Fusion mit der Reinli + Spitzli AG erfolgte 2014. Ein Jahr später erwarb das Unternehmen einen Maschinenpark und eine weitere Liegenschaft in Flawil. Im April 2018 erfolgte die Fusion mit dem Werkzeugbau-Unternehmen Aemisegger AG aus Gossau. Die Büchler Reinli + Spitzli AG baute nebst dem Formen- und Werkzeugbau zudem seine Service-Dienstleistungen aus und forcierte den Bereich Präzisionsfertigungen.

Viel Know-how für Unikate

Seit 2008 verdoppelte Büchler Reinli + Spitzli AG die Mitarbeiterzahl auf achtzig, davon 17 Auszubildende. Entsprechend entwickelte sich der Umsatz. Inzwischen betreibt das Unternehmen rund 120 Grossmaschinen und kann 15 verschiedene Fertigungsprozesse wie Fräsen, Drehen, Schleifen, Lasern und so weiter im Hause anbieten. Mit den Werkzeugen stellen deren Kunden beispielsweise Spritzguss-Teile wie Schraubverschlüsse, Rohre, Medizinalwerkzeuge oder Autozubehör her. «Jedes Werkzeug ist ein Unikat, die Vielfalt ist enorm», sagt Andreas Scherrer. Diese Vielfalt macht die Firma unabhängiger für den Fall, dass Produkte nicht mehr nachgefragt werden. «Wer seinerzeit etwa einzig auf Werkzeuge für die Produktion von CDs gesetzt hat, ist heute weg vom Fenster», weiss Andreas Scherrer. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, benötigt die Büchler Reinli + Spitzli AG enormes technisches Know-how. «Deshalb bilden wir selber aus und rekrutieren daraus unseren Berufsnachwuchs», so Scherrer.

«Entscheidend ist, dass wir das Wachstum der letzten Jahre organisatorisch im Griff haben», erklärt Verwaltungsratspräsident Martin Grob. Aktuell ginge es darum, die enorme Auslastung gut zu managen. Um solche und künftige Herausforderungen meistern zu können, liessen Scherrer und Grob vor vier Jahren von einem Studententeam der Fachhochschule St.Gallen ein softwaregestütztes Informationssystem konzipieren. Dieses dient dazu, kluge Entscheidungen zu treffen: Mit welchen Aufträgen verdient die Firma wie viel? Wo verliert sie Geld? Welche Prozesse lagert man besser aus? Wo ist die Firma nicht produktiv genug? «Wir versuchten, den Studenten ein kreatives Umfeld zu bieten, und legten vertrauensvoll alle Zahlen offen», so Martin Grob.

 

Preisgekröntes Projekt

Die Begeisterung für das neue softwaregestützte Informationssystem war damals gross – immerhin gewannen die Studenten mit ihrem Praxisprojekt den WTT YOUNG LEADER AWARD und sorgten für Aufmerksamkeit. «Wir werden heute noch darauf angesprochen», erzählt Andreas Scherrer. Doch wie sieht es nach vierjährigem Betrieb mit der viel gepriesenen Praxistauglichkeit dieser Projekte aus? «Ein Jurymitglied des Awards, ein Finanzchef eines international tätigen Konzerns, sagte mir damals, ich würde ein geniales Führungsinstrument erhalten», so Scherrer. Selbst sei ihm das damals nicht in vollem Umfang bewusst gewesen, aber heute wisse er: «Ohne diese Software hätten wir Probleme». Die Konkurrenz beneide ihn darum. Verkaufen will er die Software nicht. Sie sichert dem Unternehmen einen Vorsprung, weil sie betriebsspezifisch und massgeschneidert konzipiert ist.

Herzstück der Software bildet eine transparente, jederzeit abrufbare Übersicht von Aufträgen – von der exakt berechneten Offerte über die Auftragsabwicklung bis zur Nachkalkulation und Verrechnung. Welche Maschinen, welche Leute müssen für einen Auftrag wie lange eingesetzt werden? Welche Ressourcen – wie etwa Elektrizität – werden benötigt? «Zuvor konnten wir nicht im Detail eruieren, weshalb ein Auftrag mehr, weniger oder gar nicht rentierte», erklärt Martin Grob. «Heute kennen wir die Treiber exakt. Alles ist vernetzt – von der Kundenfront über die Produktion bis zur Buchhaltung.» Verwaltungsrat und Geschäftsleitung werden aus der Software monatlich mit einem übersichtlichen Informations-Cockpit versorgt, um die finanzielle und strategische Führung des Unternehmens zu gewährleisten. «Damit legten wir auch die Basis für die Digitalisierung unserer Firma», freut sich Andreas Scherrer.

«Früher trugen wir alle Daten von Hand in unzählige Listen ein, Nachkalkulationen waren extrem aufwendig», erzählt der Produktionsleiter Roger Sewer. Jeder habe in seinem Gärtchen «gebastelt». Heute sehe er jederzeit per Knopfdruck, ob die Aufträge wie geplant durchlaufen. Bei rund 200 Aufträgen pro Monat ist das sehr hilfreich. «Daraus lernen wir ständig: Wo machen wir Fehler? Was tun wir gut?» Dank der Software hätte er zudem die Lagerbestände stets im Griff. Auch für die Leiterin Administration, Barbara Held, erleichtert die Software die Arbeit: «Wir wissen, woher die Zahlen kommen. Sie sind absolut verlässlich.» Die Zusammenarbeit mit der externen Treuhandgesellschaft habe sich dadurch vereinfacht. «Wir erledigen vieles effizienter und erhalten übersichtlichere Entscheidungsgrundlagen.»

Praxisprojekte und WTT YOUNG LEADER AWARD
Unter der Leitung der Wissenstransferstelle WTT der Fachhochschule St.Gallen engagieren sich Studenten der FHS jährlich in rund sechzig Praxisprojekten für Unternehmen in der Region. Die besten werden am WTT YOUNG LEADER AWARD ausgezeichnet. Infos: www.fhsg.ch/praxisprojekte