«Innovation beginnt bei den Rahmenbedingungen»

Beat Tinner, was wurde in dem Jahr nach der Lancierung der Innovationsstrategie für KMU schon umgesetzt?
Ein Schwerpunkt lag auf den Vorbereitungen zum «Sensor Innovation Hub» am Standort Buchs der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Die OST, RhySearch und der Switzerland Innovation Park Ost werden die Nutzungsmöglichkeiten des Reinraums modernisieren, erweitern und besser zugänglich machen. Ziel ist es, diese Infrastruktur für Unternehmen besser nutzbar zu machen – insbesondere in der Präzisionsfertigung.
Das ist aber noch nicht alles, oder?
Nein. Parallel dazu laufen mehrere Projekte aus der Umsetzungsplanung. So wurde im Sommer die Konzeptphase für ein digitales Innovationsportal abgeschlossen. Es soll KMU ab dem ersten Halbjahr 2026 den Zugang zu Informationen, Ansprechpartnern und Finanzierungshilfen erleichtern. Auch die Stärkung branchenübergreifender Netzwerke kommt voran: Ab Herbst 2025 startet eine Pilotphase, um den Austausch zwischen KMU zu aktuellen Herausforderungen zu fördern und Lösungen dafür zu entwickeln.
Welche Rückmeldungen aus der Wirtschaft haben Sie bislang erhalten?
Die Rückmeldungen aus der KMU-Landschaft sind durchwegs positiv. Bereits während der Erarbeitung der Strategie waren rund 100 KMU beteiligt, ihre Inputs flossen in die Umsetzungsplanung ein. Erste Tests mit Prototypen des Innovationsportals zeigen grosses Interesse. Besonders stark war die Resonanz auf den «Sensor Innovation Hub». Insbesondere aus der Präzisionsfertigung wird er als wertvolle Entwicklung begrüsst.
«In der Ostschweiz gibt es noch Potenzial bei der Kapitalmobilisierung.»
Konkret: Wie viele Projekte wurden bisher unterstützt?
Als Trägerkanton von INOS – dem Innovationsnetzwerk Ostschweiz – fördern wir gezielt Innovationsvorhaben in KMU. 2024 wurden allein aus dem Kanton St.Gallen 82 Projekte unterstützt – ein sehr hoher Wert. Die in der Strategie zusätzlich vorgesehene Massnahme «Finanzierung Innovationsprojekte» befindet sich derzeit im Aufbau.
Bei der Lancierung wurde gesagt, dass viele KMU ihr Innovationspotenzial nicht kennen würden. Wie gehen Sie dieses Thema an?
Unsere KMU sind bereits heute in vielen Bereichen innovativ. Die Strategie zielt darauf ab, diese Stärke noch gezielter zu fördern. Dafür schaffen wir Rahmenbedingungen, die Innovation erleichtern – etwa durch bessere Vernetzung mit Forschung, Bildung und Wirtschaft. So sollen bestehende Potenziale sichtbarer und einfacher nutzbar werden.
Und wie stellen Sie sicher, dass auch kleinere und weniger vernetzte Unternehmen profitieren?
Das digitale Innovationsportal sowie eine geplante physische Anlaufstelle sind hier zentral. Sie sollen KMU niederschwellige Zugänge zu Informationen, Netzwerken und Fördermöglichkeiten bieten. Auch vereinfachte Prozesse spielen dabei eine wichtige Rolle.
Wie entwickelt sich die Innovationsinfrastruktur im Kanton St.Gallen?
Der erwähnte «Sensor Innovation Hub» ist ein zentrales Element. Er stärkt nicht nur bestehende Unternehmen, sondern schafft auch neue Perspektiven für Start-ups, Fachkräfte und Bildungsinstitutionen. Er verbessert die Aus- und Weiterbildung und macht den Standort insgesamt attraktiver. Die St.Galler Regierung, der Kantonsrat und auch der Landtag des Fürstentums Liechtenstein unterstützen das Projekt. Im November 2025 entscheidet die Stimmbevölkerung über die kantonale Kostenbeteiligung.
Welche Rolle spielt das geplante Innovationsportal im Gesamtkontext?
Das Portal ist ein zentrales Element der Strategie. Es soll den Zugang zu Ansprechpartnern, Fördermitteln und Netzwerken digital erleichtern – ergänzt durch eine physische Anlaufstelle. Ziel ist es, Innovationshürden zu senken, insbesondere für kleinere Unternehmen.
Die Strategie sieht vor, wirtschaftliche Schlüsselthemen zu definieren. Welche stehen derzeit im Fokus?
Im Vordergrund stehen die Branchen Gesundheit, ICT und Präzisionsfertigung. Die Themen werden aktuell mit Partnerinstitutionen aus dem Innovationsökosystem weiter konkretisiert. Auch im Rahmen meiner Präsidialtätigkeit liegt der Fokus klar auf dem Leitthema «Innovation schafft Fortschritt».
Die Wirksamkeit der Strategie wird auch überprüft, oder?
Ja. Die Projektfortschritte werden auf operativer Ebene laufend überprüft. Da die Umsetzung im Sommer 2024 begonnen hat, ist es für eine belastbare Wirkungsevaluation derzeit allerdings noch zu früh.
Wurden bereits Mittel aus dem Sonderkredit oder der NRP abgerufen?
Ja, die bisherigen Aufwendungen wurden wie geplant aus dem Sonderkredit für das Mehrjahresprogramm der Standortförderung 2023–2027 finanziert. Die Ausgaben liegen im vorgesehenen Budgetrahmen.
Hat das aktuelle Zinsumfeld die Innovationsbereitschaft eigentlich der KMU beeinflusst?
Das Zinsumfeld ist ein Faktor unter mehreren. Die jüngsten Senkungen der SNB haben ein kapitalfreundlicheres Klima geschaffen, das Innovationsprojekte begünstigt. Gleichzeitig sehen wir in der Ostschweiz im Vergleich zu Zürich oder der Romandie noch Potenzial bei der Mobilisierung von Kapital und Netzwerken – hier setzt unsere Strategie gezielt an.
Die angekündigten US-Zölle auf Schweizer Exporte sorgen für Verunsicherung. Welche Folgen erwarten Sie für St.Galler KMU?
Rund 18 Prozent der Exporte aus dem Kanton St.Gallen gehen in die USA. Die Zölle stellen daher eine ernsthafte Bedrohung für viele Unternehmen dar. Die Herausforderung muss aber gesamtschweizerisch angegangen werden. Wichtig ist, dass Politik und Wirtschaft geeint auftreten. Kurzfristig stehen bewährte Instrumente wie die Kurzarbeitsentschädigung zur Verfügung.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer