Boomregion Wil

Das Portal zur Ostschweiz

Das Portal zur Ostschweiz
Lesezeit: 6 Minuten

Robert Stadler kennt die Region Wil von Kindesbeinen auf: Aufgewachsen ist er in Kirchberg, seine Eltern führten dort ein Radio-TV-Geschäft. Heute leitet er als Standortförderer die Geschäftsstelle von WirtschaftsPortalOst. Der Verein will die Kräfte von Wirtschaft und Politik «für eine attraktive, zukunfts- und wettbewerbsfähige Arbeits- und Lebensregion» bündeln. Ob das gelingt, verrät Stadler im Gespräch.

Robert Stadler, wir haben diesen LEADER-Sonderteil «Boomregion Wil» genannt. Ist die Bezeichnung zutreffend?
Diese Einschätzung ist durchaus berechtigt: So ist die Zahl der Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen. Auch das Bevölkerungswachstum liegt über dem Ostschweizer Schnitt und dürfte gemäss einer Studie des HEV auch weiter anhalten. Unsere Bevölkerung ist zudem im Durchschnitt jünger als in anderen Regionen und verbleibt damit länger im Erwerbsleben. Der Fachkräftemangel dürfte sich deshalb weniger stark ausgeprägt zeigen. Auch der Standortqualitätsindikator der Credit Suisse zeigt, dass unsere Region im Wettbewerb der Schweizer Regionen etwas an Boden gewonnen hat. 

Worin sehen Sie denn die Besonderheiten der Region?
Die Region bildet das Portal zur Ostschweiz: Wir punkten insbesondere mit der Lage und der guten Erreichbarkeit, bei günstigeren Kosten als im Grossraum Zürich. Deshalb können wir stärker von Verdrängungseffekten in der boomenden Region Zürich profitieren als andere Regionen. Wir verfügen über hoch innovative Unternehmen und haben eine klare industrielle Positionierung. Die Branchenschwergewichte liegen beim Maschinenbau, der Metall- aber auch der Nahrungsmittelindustrie, in denen wir überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsanteile aufweisen. Und last, but not least sind die Behörden hier wirtschaftsinteressiert und arbeiten über die Kantonsgrenzen zusammen. Wil West ist ein gutes Beispiel dieses gemeinsamen und grenzübergreifenden Willens, die Region zu bewegen und gute Voraussetzungen für die weitere Entwicklung zu schaffen. 

In der ganzen Ostschweiz kranken wir aber etwas daran, dass wir zwar sehr gute Arbeit leisten, aber diese zu wenig selbstbewusst nach aussen tragen.
Das ist in unserer Region nicht anders. In Bezug auf das regionale Selbstverständnis können wir uns noch weiter verbessern. Denn mitten durch unsere Region geht eine Kantonsgrenze. Für die Unternehmen sind solche Grenzen zwar kaum relevant, aber in der Politik spielen sie weiterhin eine Rolle. Heute geht es aber nicht mehr ohne Zusammenarbeit im funktionalen Raum. Das braucht ein Umdenken – und eine solche Entwicklung ist nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Beispiele einer erfolgreichen interkantonalen Zusammenarbeit gibt es in unserer Region einige – wie die Kantonsschule Wil, die auch Schülern aus dem Hinterthurgau offen steht.

 

 

«Wir wollen den Wirtschaftsraum zwischen Aadorf und Niederbüren positionieren, stärken und entwickeln.»

Das WirtschaftsPortalOst wurde im Mai 2019 als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Politik in der Region Wil gegründet. Weshalb braucht es das WPO?
Unsere Region hat grosses Entwicklungspotenzial und viele engagierte Menschen. Wir nutzen unsere Chancen aber häufig zu wenig, weil sich niemand den Wirtschaftsinteressen der gesamten Region widmen und die vorhandenen Kräfte bündeln konnte. Gleichzeitig machen wir die Erfahrung, dass sich Wirtschaft und Politik ein Stück weit auseinanderleben. Hier geben wir Gegensteuer: Als Verein, der als Public-Private-Partnership organisiert ist, bietet WPO eine Plattform, bei der sich Politik und Wirtschaft austauschen.

Deshalb engagieren Sie sich in Themen, die sowohl Politik als auch Wirtschaft betreffen und die Standortattraktivität positiv beeinflussen?
Natürlich. Zurzeit arbeiten wir zum Beispiel daran, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit attraktiven Kindertagesstätten-Strukturen zu verbessern. Das nützt den Gemeinden, die ihren Einwohnern externe Betreuungsangebote bieten wollen. Aber es ist auch im Interesse der Wirtschaft: Ein gutes Angebot an Kinderbetreuung hilft, die Erwerbsquote zu erhöhen und den Fachkräftemangel zu entschärfen. Bei solchen Themen ist WPO prädestiniert, um Gemeinden und Wirtschaft koordinierend zusammenzubringen.

Heisst das, dass Sie sich von der Standortförderung, den Gewerbeverbänden und den Handelskammern zuwenig vertreten fühlten?
Nein keineswegs, es sind schlicht andere Aufgaben und ein anderer Fokus. WPO ist nicht nur ein Wirtschaftsverein, sondern auch eine regionale Standortmarke. Unsere Aufgabe ist die Positionierung, Stärkung und Entwicklung des Wirtschaftsraums zwischen Aadorf und Niederbüren. Wir sind regional besser verankert als ein kantonaler Verband. Abgesehen davon arbeiten wir mit den genannten Organisationen zusammen: So steht unser Präsident Hansjörg Brunner gleichzeitig dem Thurgauer Gewerbeverband vor. Oder Christof Oswald ist Vizepräsident der IHK St.Gallen-Appenzell und gleichzeitig engagiertes WPO-Vorstandsmitglied. Auch die beiden kantonalen Standortförderungen haben Einsitz in unserer Wirtschaftskommission. Diese Vernetzung ist wichtig und hilft, Synergien statt Doppelspurigkeiten zu schaffen.

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«Unsere Bevölkerung ist jünger als in anderen Regionen und verbleibt damit länger im Erwerbsleben.»

Dann hat das WPO nun seinen Platz gefunden?
Ja. Wie immer, wenn etwas Neues entsteht, tauchen Fragen und Unsicherheiten auf. Braucht es die neue Organisation wirklich? Worin unterscheidet sie sich von bestehenden Vereinen? Das war auch bei der Gründung von WPO vor zwei Jahren spürbar. Doch diese Fragen haben sich mittlerweile weitgehend geklärt. Unsere positive und dynamische Entwicklung hat viele überrascht. Sie beweist aber auch, dass WPO einem Bedürfnis entspricht und wir eine Lücke schliessen. Ansonsten hätten wir als neu gegründeter Verein nicht bereits fast 300 Mitglieder und immer wieder neue Partner gewinnen können – und das notabene während einer Pandemie. Nach einer ersten Zurückhaltung wollen auch immer mehr Vereine Kooperationspartnerschaften mit uns abschliessen, um die Zusammenarbeit auf eine offizielle Stufe zu heben, zuletzt der AGV Südthurgau. 

Merken Sie bereits, dass das WPO als Stimme ernst genommen wird, etwa in der Politik?
Dadurch dass wir in allen unseren Gremien prominent und stark vertreten sind, hatten wir von Anfang an eine gewisse Beachtung. Der erfolgreiche Start unseres Vereins hat sein Weiteres dazu beigetragen, dass WPO von Politik und Verwaltung wahr- und ernstgenommen wird. So wird zum Beispiel beim Kanton St.Gallen diskutiert, inwiefern sich WPO in der Wirtschaftsentwicklung von Wil West einbringen kann. Dank unseren direkten Verbindungen und Kontakten in die St.Galler und Thurgauer Politik können wir Einfluss ausüben. Auch beteiligen wir uns bei regionalen Anliegen an Vernehmlassungen.

«Wir machen die Erfahrung, dass sich Wirtschaft und Politik ein Stück weit auseinanderleben.»

Was sind meine Vorteile als WPO-Mitglied – und was für Voraussetzungen muss ich mitbringen?
Mitglieder können mit zwei Personen kostenlos an unseren Vernetzungsanlässen wie dem WPO-Unternehmeranlass oder dem WPO-Sommeranlass teilnehmen. WPO bietet eine regionale Vernetzung über Kantons-, Gemeinde- und Branchengrenzen hinweg und ermöglicht den direkten Austausch zwischen Wirtschafts- und Gemeindevertretern. Mit einer Mitgliedschaft gibt man aber auch ein Statement zugunsten eines starken Wirtschaftsstandorts ab und kann mit beeinflussen, wohin die Reise geht. Mitglied kann grundsätzlich jede juristische oder natürliche Person werden, welche die Stärkung der Lebens- und Arbeitsregion Wil teilt. Interessanterweise haben auch längst nicht alle Mitgliedunternehmen ihren Firmensitz in einer der 23 Mitgliedgemeinden: Rund zwölf Prozent der Unternehmen stammen von ausserhalb der Region.

Ein riesiges Projekt, das die Region beschäftigt, ist Wil West. Wie realistisch ist das neue Wirtschaftsareal mit eigenem Autobahnanschluss tatsächlich?
Das neue Wirtschaftsareal Wil West in den Gemeinden Münchwilen und Sirnach ist das grösste, unbebaute und zusammenhängende Gebiet im Kanton Thurgau. Es liegt hervorragend an den Achsen St.Gallen-Zürich und Toggenburg-Bodensee, erhält einen Autobahnanschluss, zwei Bahnhaltestellen und separat geführte Fuss- und Velowege. Auf dem Areal sollen bis zu 3000 neue Arbeitsplätze entstehen. In Kürze stehen in den Kantonsparlamenten St.Gallen und Thurgau entscheidende Weichenstellungen an. Ich bin überzeugt, dass die grossen Chancen des Projekts erkannt werden und die Realisierung starten kann. Ich freue mich schon sehr darauf, wenn 2024 der Baustart der Arealerschliessung erfolgt. Die Region wird dann enorm an Profil gewinnen.

Und was steht noch auf der WPO-Agenda?
Nach einem zweiten Sommeranlass beschäftigt uns WPO-Impuls von Ende Oktober. Der Anlass bietet unseren vielen «Hidden Champions» eine Plattform und beweist, wie innovativ unsere Region ist. Und dann folgt anfangs Dezember der WPO-Unternehmeranlass mit Mitgliederversammlung, bei dem wir wieder einen prominenten Gast begrüssen. In den nächsten Monaten wird uns auch das erwähnte Kita-Projekt üdamit zu tun, dass WPO selbst ein Startup ist und deshalb auch Jüngere oder Frauen mehr anspricht. Diesen Schwung möchten wir ausnutzen und weiterhin «Gas geben».

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Thurnheer

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