Alles – ausser Maschinen
Als sich vor gut 60 Jahren in Deutschland die Idee der Maschinenringe verbreitete, war der Grundgedanke tatsächlich, teure landwirtschaftliche Maschinen gemeinschaftlich zu nutzen. In der Schweiz sind die Maschinenring-Organisationen erst viel später aufgekommen. «Zu diesem Zeitpunkt war die Landwirtschaft schon stark entwickelt, der Grundgedanke hatte sich eigentlich erübrigt», sagt Fabian Brühwiler, Geschäftsführer eines Unternehmens, das dennoch Maschinenring Ostschweiz AG heisst. «Das Thema Maschinen hat man seinerzeit auch angeschaut, doch es kam in der Ostschweiz nie richtig zum Fliegen. Darum sind wir ein Nischenplayer, der andere Dienstleistungen anbietet.»
Gerade in der Berglandwirtschaft haben Landwirte etwa für Erntearbeiten sehr enge Zeitfenster, deshalb wollen sie ganz sicher sein, dass sie die notwendigen Geräte dann auch nutzen können. Also besitzen sie die wichtigsten Maschinen selbst. «Von aussen betrachtet sieht das vielleicht nach einer gewissen Übermechanisierung aus, doch die Ausrüstung ist schlicht notwendig, damit man die Arbeiten auf dem Feld überhaupt erledigen kann.» Auf bestimmte Arbeiten mit Grosstechnik, etwa mit einem Mähdrescher, haben sich wiederum Lohnunternehmer spezialisiert. Sie vermieten ihre Maschinen nicht, sondern kommen mit ihrem Team, um das Feld zu bestellen oder die Ernte einzubringen.
Ersatz, wenn Betriebsleiter ausfallen
Nichtsdestotrotz gibt es in der Schweiz 13 regionale Maschinenringe – vor 25 Jahren waren es sogar noch 60, etliche haben sich seither zusammengeschlossen. In der Ostschweiz stand bei der Gründung die Koordination des landwirtschaftlichen Betriebshelferdienstes im Vordergrund. Diese wurde im Kanton Thurgau aus den Verbänden herausgelöst und dem Maschinenring Ostschweiz übertragen – im Kanton St.Gallen bearbeitet dies der St.Galler Bauernverband. Die Ostschweiz, die Fabian Brühwiler betreut, ist je nach Dienstleistung mal grösser, mal kleiner. Eigentlich umfasst das Einzugsgebiet die Kantone Thurgau, St.Gallen und beide Appenzell, fallweise ist der Maschinenring Ostschweiz auch im Fürstentum Liechtenstein oder im Kanton Schaffhausen tätig.
Der landwirtschaftliche Betriebshelferdienst ist heute eine zentrale Dienstleistung des Maschinenrings Ostschweiz. «Wenn ein Bauer krank ist, sich von einem Unfall erholt oder auch mal in die Ferien möchte, dann sind wir dafür besorgt, dass er einen Ersatz auf dem Hof hat», sagt Fabian Brühwiler. Um einen qualifizierten Ersatz für einen Betriebsleiter stellen zu können, verfügt das Unternehmen über einen Pool an ausgebildeten landwirtschaftlichen Allroundern – fünf Festangestellte und zusätzliche Temporärkräfte. Bei planbaren Abwesenheiten kann ein Einsatz gut vorbesprochen werden, bei einem Notfalleinsatz etwa aufgrund eines Unfalls muss sich ein Betriebshelfer auf einem Hof aber auch spontan zurechtfinden können.
Gefahrenpotenzial erkennen
Eine weitere Dienstleistung ist der bauliche Gewässerschutz. «Diesen Bereich decken wir in der ganzen Ostschweiz als Branchenlösung für die Landwirtschaft ab», erklärt Fabian Brühwiler. Dabei werden auf Bauernhöfen Güllengruben kontrolliert und Entwässerungspläne erstellt. «Wir zeigen auf, wo welche Flüssigkeit hinläuft, wenn einmal etwas austreten sollte. Es geht darum, das Gefahrenpotenzial zu erkennen und zu dokumentieren.»
Beratung und Sensibilisierung sind wesentliche Teile dieses Leistungsauftrags. «Es gibt praktisch nie einen Unfall aufgrund einer defekten Güllegrube, sondern oft aufgrund falschen Handlings oder wegen Materialermüdung», sagt Fabian Brühwiler. «Unsere Leute kommen aus der Praxis, die erkennen mögliche Probleme und können auch bauliche Anpassungen empfehlen.»
«Wenn ein Bauer sich von einem Unfall erholt, dann sind wir dafür besorgt, dass er einen schnellen Ersatz auf dem Hof hat.»
Schneeräumung in der ganzen Schweiz
In seinem Büro in Wängi ist Fabian Brühwiler auch als Geschäftsführer der Maschinenring (Schweiz) AG tätig, einer gemeinsamen Organisation der regionalen Maschinenringe. «Wir haben die Kräfte gebündelt, um an nationalen Ausschreibungen teilzunehmen», sagt der Doppel-Chef. Akquiriert werden Aufträge vor allem im Bereich Winterdienst und Umgebungspflege, ausgeführt werden sie dann von den regionalen Maschinenringen.
Damit sollte in erster Linie ein Zusatzeinkommen für Bauern in weniger intensiven Zeiten generiert werden, doch der Erfolg war grösser als erwartet: «Der Winterdienst hat eine Dimension angenommen, die mit Ressourcen aus der Landwirtschaft allein gar nicht mehr abzudecken wäre.» Der nationale Maschinenring ist bei der Schneeräumung einer der grösseren Dienstleister in der Schweiz und betreut unter anderem sämtliche Bahnhöfe der SBB. Deshalb werden auch Baufirmen, Gärtner oder Forstbetriebe mit eingebunden. «Rein maschinelle Schneeräumung können wir problemlos mit der Landwirtschaft abdecken», sagt Fabian Brühwiler, «doch viele Aufträge sind mit Handarbeit verbunden, Schneeräumung auf den Perrons beispielsweise, dafür brauchen wir zusätzliche Leute.»
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Logistik für Zuckerrüben
Im Mandat für die Transportorganisation Frauenfeld koordiniert der Maschinenring Ostschweiz auch die Strassentransporte von Zuckerrüben vom Feld bis zur Zuckerfabrik Frauenfeld. Dies umfasst etwa 1300 Bauern in den Kantonen Zürich, Schaffhausen und Thurgau. «Im Schnitt liefern wir während der Saison pro Tag 6000 bis 8000 Tonnen Zuckerrüben an.» Fabian Brühwilers Team sorgt dafür, dass sich nicht an einem Tag Traktoren und Lastwagen auf der Zufahrt stauen und am nächsten Tag die Produktion mangels Zuckerrübennachschub stillsteht. Zusammen mit dem Maschinenring West koordiniert der Maschinenring zudem die Strassenanlieferungen zur zweiten Zuckerfabrik in Aarberg, dazu gehören auch Bahntransporte etwa aus dem Mittelland. Für die Bahntransporte sind andere Organisationen zuständig.
«Wir haben die Kräfte gebündelt, um an nationalen Ausschreibungen teilzunehmen.»
Viele Standbeine
Die Maschinenring Ostschweiz AG ist also ein vielfältiges landwirtschaftliches Dienstleistungsunternehmen mit mehreren Standbeinen – ausser eigenen Maschinen. Aktionäre sind der Verband Thurgauer Landwirtschaft/Landtechnik, die Thurgauer Milchproduzenten, die Thurgauer Landfrauen und der St.Galler Bauernverband. «Unser Unternehmen gehört also indirekt den Bauern», sagt Fabian Brühwiler. Deshalb ist der Maschinenring auch nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern soll primär einen Mehrwert für die Landwirtschaft bieten. Gewerbliche Tätigkeiten wie die Schneeräumung oder ein Tochterunternehmen, das sich auf Photovoltaik im landwirtschaftlichen Umfeld spezialisiert hat, stützen mit ihren Erträgen die Dienstleistungen für die Landwirtschaft.
Text: Philipp Landmark
Bild: Rebekka Grossglauser