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«Die Zölle wirken auch indirekt»

«Die Zölle wirken auch indirekt»
Nicola Tettamanti
Lesezeit: 3 Minuten

Bei den KMU in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie ist aktuell eine «strategische Zurückhaltung» auszumachen, wie Nicola Tettamanti, Präsident des Verbands Swissmechanic aus Weinfelden, beobachtet.

Nicola Tettamanti, in der Ostschweiz sind exportorientierte KMU der MEM-Branche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Swissmechanic hat kürzlich mitgeteilt, dass die US-Zölle von 39 Prozent bereits Wirkung entfalten – können Sie Beispiele nennen?
Im September hat Swissmechanic gemeinsam mit BAK Economics eine Umfrage unter den Mitgliedern durchgeführt, um die Folgen der US-Zölle systematisch zu erfassen. Die Resultate zeigen deutlich: Die Zölle entfalten Wirkung, insbesondere in exportstarken Regionen wie der Ostschweiz. Rund ein Drittel der exportierenden Betriebe sieht den Standort Schweiz dadurch geschwächt. Konkret berichten Unternehmen von höheren Beschaffungskosten, verschobenen Aufträgen oder einem spürbaren Rückgang der Nachfrage aus den USA. Dennoch halten viele an ihren Investitionen fest – rund zwei Drittel investieren weiterhin in der Schweiz und in der EU. Das spricht für eine gewisse Stabilität, darf aber nicht als Entwarnung verstanden werden: Fast 40 Prozent der Betriebe können die längerfristigen Auswirkungen der Zölle noch nicht abschätzen.

Nun soll der US-Zoll statt zwischenzeitlich plus 39 Prozent gleich wie bei der EU 15 Prozent betragen.  Bremst das die Ostschweizer Wirtschaft weniger?
Eine Zollbelastung von über 43 Prozent – den MFN-Tarif dazu gerechnet – hat unsere exportorientierten KMU massiv unter Druck gesetzt. Für viele Unternehmen war der US-Markt zeitweise schlicht nicht mehr wirtschaftlich zu bedienen. Die nun vereinheitlichten 15 Prozent sind zwar weiterhin ein Wettbewerbsnachteil gegenüber zollfreien Handelsbeziehungen – aber sie liegen in einem Bereich, mit dem unsere Betriebe wieder planen können. Zentral bleibt aber auch der Zeitpunkt, wann dieser neue Tarif eintreten wird. Damit wird die Ostschweizer Wirtschaft deutlich weniger gebremst als zuvor. Gleichzeitig ist klar: Es sind nicht alle Probleme vom Tisch. Die verbleibenden 15 Prozent stellen weiterhin eine substanzielle Hürde im internationalen Wettbewerb dar, und auch Themen wie regulatorische Anforderungen, Lieferkettenstabilität und Wechselkursrisiken bleiben bestehen. Aus Sicht von Swissmechanic zeigt dieser Schritt dennoch, dass konstruktive Lösungen im internationalen Handel möglich sind. Wir hoffen, dass auf dieser Basis weitere Vereinfachungen oder gar vollständige Zollbefreiungen verhandelt werden können, damit Schweizer KMU im globalen Wettbewerb nicht strukturell benachteiligt bleiben.

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Wie reagieren die Unternehmen in der Ostschweiz – gibt es Verlagerungen von Produktionsstätten?
Die Umfrage zeigt, dass die meisten Unternehmen derzeit auf Stabilität setzen. Nur ein kleiner Teil – rund 9 Prozent – denkt über eine Reduktion der US-Präsenz nach oder prüft Produktionsverlagerungen. Gleichzeitig halten 64 Prozent an ihren Investitionen in der Schweiz fest. Viele Firmen beobachten die Entwicklung genau, wollen aber erst reagieren, wenn sich die handelspolitischen Rahmenbedingungen verfestigen. Diese strategische Zurückhaltung prägt aktuell die Stimmung.

Die von Swissmechanic vertretenen Unternehmen sind auch indirekt von den Zöllen betroffen, etwa als Zulieferer der ohnehin schon gebeutelten Autoindustrie.
Das trifft zu. Viele unserer Mitglieder beliefern grössere Systemanbieter, die ihrerseits in die US-Automobil- oder Maschinenindustrie exportieren. Dadurch wirken die Zölle auch indirekt – über geringere Auftragsvolumen, Preisdruck und  verlängerte Zahlungsfristen. Diese Kettenreaktion trifft insbesondere kleinere und mittlere Zulieferbetriebe, die oft nur begrenzte finanzielle Puffer haben.

In der Prognose der KOF ETH ist immer wieder von «Unsicherheit» die Rede. Wie wirkt sich solche Unsicherheit in den Betrieben aus?
Unsicherheit führt bei KMU meist zu Zurückhaltung. Viele Betriebe verschieben grössere Investitionsentscheide und fokussieren sich auf kurzfristige Planung. Laut unserer Umfrage planen 44 Prozent derzeit keine konkreten Massnahmen, beobachten aber die handelspolitische Entwicklung genau. Dieses Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Druck und strategischem Abwarten prägt die Stimmung in vielen Werkhallen – die Lage bleibt volatil.

«Für viele Unternehmen war der US-Markt zeitweise schlicht nicht mehr wirtschaftlich zu bedienen.»

Was könnte der Bund in dieser volatilen Lage für die Wirtschaft tun?
Die Unternehmen wünschen sich in erster Linie mehr handelspolitische Klarheit. 55 Prozent der Befragten fordern eine aktivere Positionierung der Schweiz gegenüber den USA, fast die Hälfte spricht sich für gezielte Verhandlungen zur Zollreduktion aus. Zudem sehen viele Betriebe Bedarf an temporären Entlastungen – etwa bei Exportförderung oder Steueradministration. Entscheidend ist, dass die Schweiz als verlässlicher und planungssicherer Wirtschaftsstandort wahrgenommen wird.

Die Schweiz ist auch ein resilienter Wirtschaftsstandort – wird die Ostschweizer Wirtschaft die aktuellen Herausforderungen so gut meistern wie frühere Krisen?
Die MEM-Industrie in der Ostschweiz hat ihre Widerstandskraft mehrfach bewiesen – ob beim Frankenschock, während der Pandemie oder in Phasen hoher Energiekosten. Auch jetzt zeigen die Betriebe Anpassungsfähigkeit. Doch die Zölle sind ein strukturelles Problem, das längerfristig wirken kann. Die Unternehmen stehen zu ihrem Werkplatz, doch ohne handelspolitische Perspektive bleibt der Druck bestehen.

Text: Philipp Landmark

Bild: zVg

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