Nachlassstundung: Eine oft vernachlässigte Rettungsleine

Schafft man es nicht aus eigener Kraft aus einer Liquiditäts-Enge heraus, so scheint der Konkurs die unausweichliche Konsequenz zu sein. Was viele scheinbar zunächst vernachlässigen: In der Aussichtslosigkeit und massiven finanziellen Drucks bietet die Nachlassstundung ein starkes, gleichzeitig aber auch oft unterschätztes Rettungsinstrument. Die Nachlassstundung ist ein rechtliches Verfahren, das auf die wirtschaftliche Besserstellung aller abzielt. Einerseits erhält das betroffene Unternehmen vorübergehend Entlastung finanziellen Drucks und Zwangsvollstreckungsmassnahmen durch Stundung aufgelaufener Forderungsansprüche, was es dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern erlaubt sich voll auf die Sanierung und Restrukturierung zu konzentrieren. Andererseits profitieren davon ebenfalls die Gläubiger, da das Unternehmen weiter Werte schöpfen und ihnen somit höhere Entschädigungen im Vergleich zu einem sofortigen Konkurs und Liquidation erwirtschaften kann. Unter der Voraussetzung, dass eine realistische Chance auf Sanierung des Unternehmens besteht, ermöglicht die Nachlassstundung oft erst, diese Chance auf einen Neuanfang zu ergreifen und die Sanierung unterstützend zu begleiten.
Die Nachlassstundung zielt auf die wirtschaftliche Besserstellung aller ab.»
Verwaltungsrat ist in der Pflicht
Das Obligationenrecht sieht in Artikel 725 Absatz 2 die Verantwortung klar beim Verwaltungsrat, die Notwendigkeit einer potenziellen Nachlassstundung bereits bei sich anbahnender Illiquidität zu überprüfen. In über 30 Nachlassmandaten, die wir bisher begleitet durften, war die Liquidität stets zentral, sowohl als Auslöser als auch für den erfolgreichen Verlauf der Sanierung. Das Verfahren der Nachlassstundung durchläuft dabei klar definierte Schritte und beginnt stets mit der Antragstellung an das zuständige Gericht. Üblicherweise beauftragen sich mit dieser Situation konfrontierte Unternehmen ihren Rechtsbeistand mit der Erstellung des Gesuchs und Vorschlags für den einzusetzenden Sachwalter.
Es ist jedoch auch möglich, dass der Antrag vom Unternehmen selbst oder in Unterstützung durch einen beratenden Treuhänder ausgefertigt wird. Das Gericht prüft Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit – besteht eine reelle Chance auf Sanierung, erteilt es innert weniger Tage die provisorische Stundung, die in der Regel vier Monate dauert.
Sachwalter als Mediator und Kommunikator
Unparteiisch und die Interessen von Schuldnerin und Gläubigern vertretend, analysiert und überwacht der Sachwalter die finanzielle Lage der Nachlassschuldnerin, deren Finanzaktivitäten und die Umsetzung des Sanierungsplanes. Er stellt auch die oft lädierte Kommunikation und Vertrauensverluste zwischen dem Unternehmen und seinen Gläubigern wieder her und ist verpflichtet, die stete Besserstellung der Gläubigerschaft zu wahren.
Am Ende der provisorischen Stundung erstellt der Sachwalter seinen Bericht an das Gericht und beantragt die definitive Nachlassstundung, die in der Regel für sechs Monate gewährt wird und auf erneute Anträge hin bis auf 24 Monate verlängert werden kann. In dieser Zeit erarbeitet der Sachwalter zusammen mit der Nachlassschuldnerin – nebst der eigentlichen Sanierung – die Nachlassverträge aus, die den Gläubigern der 3. Klasse (vgl. SchKG Art. 219) eine prozentuale Nachlassdividende in Aussicht stellen. Erst wenn diese Nachlassverträge die Zustimmung der Gläubiger durch festgelegte Quoren erreichen, kann das Verfahren erfolgreich per Bestätigungsentscheid des Gerichts abgeschlossen werden. Die Gläubiger erhalten ihre Nachlassdividende – und das Unternehmen schuldbefreit und saniert eine zweite Chance.
Das Verfahren der Nachlassstundung bietet somit nicht nur die Möglichkeit, dem Unternehmen dringend benötigte Zeit für die Restrukturierung sowie einen gewissen Schutz vor seinen Gläubigern zu verschaffen, sondern auch die laufende Wertschöpfung aufrechtzuerhalten.
«Das Verfahren beginnt stets mit der Antragstellung an das zuständige Gericht.»
Gegen Unkenntnis und Widerstand
In der Schweiz herrscht noch grosse Unkenntnis über dieses Verfahren; denkbar ist auch ein gewisser Widerstand gegen das Eingestehen seiner Notwendigkeit. Gerade in sich abzeichnenden Schwierigkeiten zählt jedoch jeder Moment. Unterstützend hilft der Sachwalter bei Finanzierungslösungen und Sanierungskonzepten – bei angeschlagenem Vertrauen nimmt er gegenüber der Gläubigerschaft und Lieferanten die Kommunikation und informativen Beistand in die Hand, um so voreiligen Abwendungen entgegenzuwirken.
Beispielsweise haben wir ein Unternehmen bei der Nachlassstundung begleitet, dem über Nacht sein Bankkredit eingefroren wurde. Allein durch die Nachlassstundung wurde entscheidende Zeit gewonnen, um die betriebsnotwendige Liquidität zu besorgen und das Geschäft am Leben zu halten.
So konnten zunächst weitere Umsätze generiert werden, die sonst als Schaden an die Gläubiger übergegangen wären. Zusätzlich war es dem Unternehmen daraufhin möglich, sich vollständig zu sanieren, wodurch nicht nur den Gläubigern ein Vielfaches an Forderungsentschädigung angeboten wurde, sondern das Unternehmen fortbestehen konnte und somit Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Geschäftsbeziehungen erhalten blieben. Bei einem Konkurs wären nicht nur die Gläubiger der 3. Klasse faktisch leer ausgegangen, auch die Lieferanten wären durch den Verlust dieser Geschäftsbeziehung in prekäre Lagen geraten. Die Nachlassstundung bietet Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten eine echte Chance auf einen Neuanfang. Doch der Erfolg hängt entscheidend von einer guten Vorbereitung und professionellen Begleitung ab. Erfahrene Sachwalter unterstützen Unternehmen dabei, den komplexen Prozess zu bewältigen – von der Antragstellung über die Umsetzung des Sanierungsplans bis zum Bestätigungsentscheid.
Text: Michael Städeli, Max Lang
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer