Ostschweiz

Staatsgarantie führt CS-Kunden zu Kantonalbanken

Staatsgarantie führt CS-Kunden zu Kantonalbanken
Tobias Trütsch
Lesezeit: 5 Minuten

Das Verschwinden der Credit Suisse werde in der Ostschweiz keinen grossen Einfluss auf Bankdienstleistungen haben, schätzt Tobias Trütsch vom FSI-HSG, Center for Financial Services Innovation. Bei Privatkunden haben sich Marktanteile zu Kantonalbanken verschoben.

In der Schweiz betrieben gemäss der Schweizerischen Nationalbank Ende 2022 die verschiedenen Banken rund 2600 Geschäftsstellen, in der engeren Ostschweiz waren es immerhin 274 (Appenzell Innerrhoden neun, Appenzell Ausserrhoden zwölf, Thurgau 78, St.Gallen 175). Braucht es überhaupt ein solches engmaschiges Bankennetz? «Wenn es nur um die Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen geht, dann sind das sicherlich zu viele Standorte», sagt Tobias Trütsch, Geschäftsführer des Center for Financial Services Innovation an der HSG. «Es würde auch mit weniger Filialen gehen, um eine flächendeckende Grundversorgung zu gewährleisten.»

Einen Auftrag für die Grundversorgung im Zahlungsverkehr gibt es für Banken nicht, aber für die Post: 90 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung eines Kantons müssen zu Fuss oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln innert 20 Minuten Bargelddienstleistungen erreichen können. «Die Post erfüllt das», sagt Trütsch. Würde man die identischen Kriterien für Banken anwenden, wären sie nur in den Stadtkantonen Genf und Basel vollständig erfüllt. «Sobald der Kanton ländlicher wird, sind die Leute zu Fuss oder mit dem Öffentlichen Verkehr länger unterwegs, bis sie Bargelddienstleistungen einer Bank erreichen.» Allerdings sei eine solche Definition von erreichbaren Bargelddienstleistungen auch nicht mehr ganz zeitgemäss.

Präsenz markieren

Wenn es wesentlich mehr Bankfilialen gibt, als es für eine zumutbare Grundversorgung benötigen würde, dann muss es dafür einen anderen Grund geben. Für Tobias Trütsch ist klar: «Es geht auch um den Marketing-Aspekt, die Banken wollen Präsenz markieren.» Gerade Raiffeisen als «people’s bank» wolle möglichst nahe bei den Leuten sein, «das ist Teil ihrer Strategie».

Die Struktur mit den vielen kleinen Raiffeisen-Genossenschaften trägt das ihre zum dichten Filialnetz bei. «Solange die Banken auf diese Weise Geld verdienen, sehen sie kaum einen Grund, ihr Filialnetz zu redimensionieren.»

Betriebswirtschaftliche Betrachtungen stellen Banken durchaus an, was unter anderem dazu führt, dass die Zahl der Bancomaten in den vergangenen Jahren reduziert wurde. «Der Trend ist klar rückläufig», sagt Tobias Trütsch, der Autor der Studie Swiss Money Map ist. Darin hat er die Bargeldbezugspunkte in der Schweiz untersucht: Ende 2006 wurden noch rund 5700 Bancomaten in der Schweiz gezählt, bis 2020 stieg die Zahl auf über 7200 an, doch seither werden die Bankmaschinen stetig weniger: Ende 2023 waren es noch 6150 Stück.

Bargeldloses und digitales Bezahlen setzt sich immer mehr durch. «Es gibt ganz einfach weniger Leute, die Geld abheben», erläutert Tobias Trütsch den Rückgang der Zahl der Bancomaten, «und die Fixkosten pro Bancomaten sind mit 15´000 bis 40´000 Franken pro Jahr exklusive Anschaffungskosten sehr hoch.» Wenn ein Bancomat nur noch einmal am Tag benutzt wird, legen die Banken drauf. Die Banken verdienen nur dann eine kleine Gebühr, wenn Geld mit einer fremden Karte abgehoben wird. Als Teil der Fixkosten sind die Versicherungsgebühren nicht zu verachten: «Dauernd werden irgendwo Bancomaten gesprengt, das will bald niemand mehr versichern.»

Die Zahl der Bancomaten, aber auch die Zahl der Bankfilialen, wird sich nun auch durch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verringern. «Wir haben ermittelt, dass sich im Jahr 2021 gut 82 Prozent der CS-Filialen im Umkreis von einem Kilometer zu einer UBS-Filiale befanden. So nahe zwei Bankfilialen zu betreiben, macht betriebswirtschaftlich keinen Sinn», sagt Tobias Trütsch. Zudem gibt es auch etwa hundert Standorte, an denen sich UBS-Bancomaten gleich neben solchen der CS befinden – da wird es ebenfalls zu einer Bereinigung kommen.

  

«Für viele verunsicherte CS-Kunden dürfte das Argument der Staatsgarantie eine Rolle gespielt haben.»

Staatsgarantie zieht CS-Kunden an

Tobias Trütsch hat aus Statistiken der Nationalbank herausgelesen, dass die Kantonalbanken insgesamt im letzten Jahr einen signifikanten Sprung beim Neuzugang von Kundengeldern verzeichneten. Bei der CS ist dieser Wert massiv gesunken, während sich etwa die Raiffeisen-Banken normal entwickelten.

Für den Bankenspezialisten ist das eine klare Folge der CS-Übernahme: «Für viele verunsicherte CS-Kunden dürfte bei der Wahl einer neuen Bank das Argument der Staatsgarantie der Kantonalbanken eine Rolle gespielt haben. Das liegt auf der Hand: Wenn Leute Angst haben, suchen sie höchstmögliche Sicherheit.» Eine Staatsgarantie sei aus ökonomischer Sicht natürlich eine Marktverzerrung, «vor allem aufgrund dieser Garantie haben die Kantonalbanken offensichtlich Profit aus der Krise der CS geschlagen».

Export-Firmen nutzen Grossbanken

Für Firmenkunden spielen Banken eine essenzielle Rolle, für die Unternehmen in der Ostschweiz fällt mit dem Aus der CS nun eine Option weg. «Die Grossbanken finanzieren vielfach internationale Geschäfte. Da gibt es in gewissen Bereichen jetzt nur noch einen Anbieter», sagt Tobias Trütsch.

Während für einen grossen Teil der Wirtschaft die Veränderung nicht wesentlich sei, gebe es in der Ostschweiz einen vergleichsweise starken zweiten Sektor, «die industrielle Produktion beispielsweise im Rheintal ist sehr stark. Diese Unternehmen exportieren sehr viele Güter, namentlich in die EU. Um Wechselkurse abzusichern und internationale Finanzströme sicherzustellen, sind sie auf starke Partner angewiesen, vor allem international vernetzte Grossbanken», erklärt Trütsch. «Grossbanken haben viele spezialisierte Services im eigenen Haus und können Sonderwünsche erfüllen; kleine Banken kaufen solche Leistungen teilweise selbst bei den Grossbanken ein.»

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Banken als Wirtschaftsfaktor

Die Banken dienen nicht nur der Wirtschaft, sie sind auch selbst ein Teil davon. In Zentren wie Genf, Lugano und Zürich spielen Banken noch eine vergleichsweise grosse Rolle. In der Schweiz generierten im Jahr 2023 Finanzdienstleistungen (Banken und Versicherungen zusammengefasst) rund 70 Milliarden Wertschöpfung. «Der Anteil der Banken daran wird stets etwas kleiner, derjenige der Versicherungen steigt», sagt Tobias Trütsch.

Dass die Banken insgesamt weniger zur Wertschöpfung beisteuern, hat verschiedene Gründe: So waren die Zinsen in den vergangenen Jahren sehr tief, was die Banken trifft, aber auch die Summe der verwalteten Vermögen hat in der Schweiz abgenommen, während Finanzplätze wie London, Hongkong oder Singapur hier zulegten. Die Schweizer Banken haben vermehrt auch Funktionen wie etwa Callcenter ins Ausland verlagert; diese Dienstleistungen zählen dann auch nicht zum Schweizer BIP.

Der Finanzsektor trägt rund zehn Prozent zum Schweizer Bruttoinlandprodukt bei. Für die Ostschweiz könne man das nur indirekt vergleichen, erklärt Tobias Trütsch, und verweist darauf, dass 2021 Banken und Versicherungen 5,6 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachten: «Das ist recht wenig.» In der Ostschweiz ist die Relevanz des Finanzsektors also kleiner, Trütsch schätzt den Beitrag zum BIP auf bescheidene sechs Prozent.

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