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Karrieren im Finanzwesen: Bildung zwischen Praxis und Akademie

Karrieren im Finanzwesen: Bildung zwischen Praxis und Akademie
Rosmarie Obermayer-Marra
Lesezeit: 5 Minuten

Welche Ausbildung führt am besten zu einer erfolgreichen Laufbahn im Finanzwesen? Fünf Ostschweizer Bildungsexperten – Zeno Adams/HSG, Pascal Egloff/OST, Mirko Galasso/BVS, Thierry Kurtzemann/Akademie St.Gallen und Rosmarie Obermayer-Marra/KV Ostschweiz – geben Einblick in Wege, Kompetenzen und Perspektiven für die nächste Generation von Finanzprofis.

Rosmarie Obermayer-Marra, Geschäftsführerin des Kaufmännischen Verbands Ostschweiz, sieht in der Lehre einen starken Pfeiler: «Sie bietet jungen Menschen einen praxisnahen Zugang zur Finanzwelt und erlaubt es, früh Verantwortung zu übernehmen.» Gleichzeitig steige die Bedeutung akademischer Abschlüsse – gerade bei komplexeren Fach- oder Führungsfunktionen. Ihr Fazit: «Alle Wege haben ihre Berechtigung. Entscheidend ist die Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung und Anpassung an ein dynamisches Umfeld.»

«Die klassische Lehre ist nach wie vor ein bewährter Einstieg ins Bankwesen», ist auch Mirko Galasso, Geschäftsführer der BVS St.Gallen, überzeugt. Junge Menschen erhielten dadurch von Anfang an praktische Erfahrung und könnten sich berufsbegleitend weiterentwickeln – sei es über eine Höhere Fachschule, einen Fachausweis oder ein späteres Studium. «Es gibt keinen eindeutig besseren Weg. Entscheidend sind die individuellen Ziele und das eigene Engagement.»

«Karriere ist kein Sprint, sondern ein anspruchsvoller Langstreckenlauf.»

Auch für Thierry Kurtzemann, Schulleiter der Akademie St.Gallen, ist die Lehre mit anschliessender Weiterbildung ein sinnvoller Weg: «Man wächst mit den Herausforderungen und sammelt Praxiserfahrung on the job. Die Höhere Fachschule mit Vertiefung in Banking & Finance etwa bietet eine gute Grundlage für die Übernahme anspruchsvoller Fach- oder Führungsaufgaben – praxisnah, aber akademisch fundiert.»

Und Pascal Egloff, Leiter des Kompetenzzentrums Banking & Finance an der OST, sagt: «Ich habe selbst nach der Lehre an einer Fachhochschule und später an der Universität studiert. Der duale Bildungsweg erlaubt eine sehr praxisnahe Entwicklung – und diese Erfahrung prägt einen nachhaltig. Wer beide Welten kennt, kann theoretisches Wissen gezielt in die Praxis übertragen.»

Zeno Adams, Programmleiter des Masters in Banking and Finance (MBF) an der HSG, beobachtet eine andere Tendenz: «Der Grossteil unserer Studenten im MBF-Programm kommt mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor – nur wenige haben eine klassische Banklehre gemacht.» Gleichwohl erkennt er die Bedeutung alternativer Einstiegswege an.

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Kompetenzen von heute: strukturieren, beraten, handeln

Die Anforderungen im Finanzwesen verändern sich rasch – nicht nur durch technologische Entwicklungen, sondern auch durch neue Kundenerwartungen. Thierry Kurtzemann sieht im Beratungsalltag klare Anforderungen: «Sozialkompetenz, regulatorisches Wissen und ein gewisses Verkaufsflair sind unerlässlich – besonders im Retail- und Firmenkundengeschäft, das die Ostschweiz stark prägt.»

«Ja, heute braucht es eine gute Balance aus Fachwissen, technologischer Kompetenz und sozialen Fähigkeiten», bestätigt Mirko Galasso. Kunden müssten verständlich beraten, Daten fundiert analysiert und moderne Tools souverän genutzt werden. Auch Rosmarie Obermayer-Marra unterstreicht: «Ein tiefes Verständnis für Finanzprodukte ist ebenso wichtig wie Kommunikationsstärke und Kundenorientierung. Vertrauen und Verlässlichkeit sind zentrale Werte in der Kundenbeziehung.»

Zeno Adams differenziert je nach Position: «Im Investment Banking müssen die Bewertungsmodelle sitzen, im Trading sind fundierte Kenntnisse Pflicht. Aber viele Stellen – etwa im Wealth Management oder im Vertrieb – sind klassische People’s Jobs. Da zählen Fingerspitzengefühl, Souveränität und Authentizität.» Pascal Egloff sieht die grösste Herausforderung in der systematischen Problemlösung: «Unsere wichtigste Kompetenz ist es, komplexe Fragen zu strukturieren, mutig anzugehen und Schritt für Schritt umzusetzen. Genau das trainieren wir in der Ausbildung – praxisnah, methodisch und reflektiert.»

«Wer bereit ist, sich einzuarbeiten, hat gute Chancen.»

Berufswege sind individuell – Weiterbildung ist universell

Einigkeit herrscht bei der Bedeutung kontinuierlicher Weiterbildung. «Die Kombination aus generalistischer Grundausbildung und gezielter Spezialisierung funktioniert hervorragend», so Galasso. Er empfiehlt insbesondere die HF Wirtschaft, ergänzt durch Fachausweise oder Zertifikate in Digital Finance.

Kurtzemann nennt den Fachausweis Finanzplanung als attraktive Option: «Dieser baut stark auf Beratungskompetenz im Umgang mit privaten Kunden auf – ein klarer Mehrwert für Banken, Versicherungen und Finanzgesellschaften.» Auch Egloff sagt: «Ich empfehle einen stufenweisen Aufbau mit CAS-Programmen – ob spezifisch, etwa im Corporate Banking, oder strategisch, wie unser CAS in zukunftsorientiertem Bankmanagement. Oft ergeben sich neue Perspektiven im Austausch mit anderen Studierenden – dieser Aspekt wird häufig unterschätzt.»

Adams beobachtet, dass rund zehn Prozent seiner Masterstudenten den CFA oder CAIA absolvieren. «Diese Zertifikate geniessen in der Finanzindustrie durchaus Anerkennung, insbesondere im Investment- und Asset Management.» Obermayer-Marra sieht in internationalen Abschlüssen wie dem CFA oder einem MBA eine «wertvolle Ergänzung – kein Muss, aber ein starkes Plus». Entscheidend sei, dass diese Diplome auf Berufserfahrung aufbauen und nicht isoliert betrachtet werden.

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Digitalisierung, Regulierung – und lebenslanges Lernen

Mit der Digitalisierung verändert sich nicht nur das Arbeitsumfeld, sondern auch das Lernen selbst. Zeno Adams drückt es so aus: «Die Wissensvermittlung ist heute nicht mehr exklusiv. Es gibt viele hochwertige Online-Ressourcen. Was unser Studium einzigartig macht, ist das gemeinsame Lernen mit klugen, motivierten Menschen.» Thierry Kurtzemann ergänzt: «Neue Technologien fordern auch die Ausbilder. Lerninhalte müssen aktuell, relevant und zielgruppengerecht aufbereitet werden. Doch trotz aller Digitalisierung bleibt der Mensch im Zentrum.»

Pascal Egloff sieht einen Trend zurück zur Präsenzlehre: «Der direkte Austausch ist durch kein Online-Tool zu ersetzen. Gerade im Banking ist Vertrauen zentral – und das beginnt im persönlichen Gespräch.» Und Mirko Galasso fasst es so zusammen: «Microlearning, E-Learning und modulare Formate werden wichtiger – doch sie ersetzen nicht die klassische Basis.» Rosmarie Obermayer-Marra geht mit ihm einig: «Die Zukunft ist hybrid und flexibel. Wer diese Veränderungen als Chance begreift, wird sich erfolgreich entwickeln.»

«Ein tiefes Verständnis für Finanzprodukte ist ebenso wichtig wie Kommunikationsstärke und Kundenorientierung.»

Quereinstiege und neue Karrieremuster

Immer häufiger finden auch Quereinsteiger ihren Weg in die Finanzbranche. «Wir beobachten einen steigenden Bedarf an strukturierten Weiterbildungen für Personen, die nicht klassisch im Banking gestartet sind», sagt Egloff. Diese Entwicklung erfordere Offenheit auf beiden Seiten – bei Unternehmen wie bei den Interessenten.

Auch Kurtzemann hat positive Erfahrungen gemacht: «Quereinsteiger bringen oft wertvolle Perspektiven mit, müssen aber gezielt aufgebaut werden. Dafür braucht es flexible Bildungsformate und begleitende Praxisphasen.» Obermayer-Marra sieht in solchen Karrieren ein Zukunftsmodell: «Die Grenzen zwischen Branchen verschwimmen. Wer bereit ist, sich einzuarbeiten, hat gute Chancen – vor allem mit den richtigen Weiterbildungen.»

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Vielfalt der Wege – Gemeinsamkeit im Anspruch

So unterschiedlich die Bildungswege auch sind, in einem sind sich alle fünf Experten einig: Die Anforderungen in der Finanzwelt steigen – fachlich, technologisch und menschlich. Wer langfristig erfolgreich sein will, braucht solides Grundwissen, Neugier, Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, immer weiterzulernen.

«Es gibt nicht den einen richtigen Weg», sagt Galasso. «Aber es gibt viele gute – und wir begleiten unsere Lernenden auf genau diesem Weg.» Egloff ergänzt: «Karriere ist kein Sprint, sondern ein anspruchsvoller Langstreckenlauf – und Bildung ist das beste Training dafür.»

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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