Vertrauen hat kein Preisschild

«Die Ostschweiz ist ein unterschätzter, aber bedeutender Standort», sagt Christoph Wettstein von Reichmuth & Co. «Bereits im 19. Jahrhundert war die Region international geprägt – heute sind es Familienunternehmen, die langfristig denken und Verantwortung übernehmen.» Auch Michael Eicher von der LGT bestätigt: «Die Region zieht viele vermögende Privatpersonen an. Persönliche, langfristige Beziehungen stehen hier im Zentrum.» Und Daniel Kummer von der Thurgauer Kantonalbank ergänzt: «Unsere Kunden sind bodenständig, eher langfristig orientiert und legen grossen Wert auf Vertrauen und Nähe.»
Diese regionale Verwurzelung prägt auch die Art der Beratung. Antonio Piccolo von Reichmuth & Co sagt: «Kunden und Berater begegnen sich auf Augenhöhe, oft mit ähnlichen Werten.» Michael Eicher hebt die Wichtigkeit von Kontinuität hervor: «In der Ostschweiz ist es entscheidend, dass die Kundenbeziehung über Jahre hinweg getragen wird.» Und Daniel Kummer sieht das Private Banking als «Partnerschaft, oft über Generationen hinweg».
«In der Ostschweiz steht das individuelle Gespräch im Vordergrund.»
Individualität vor Internationalität
Wie aber unterscheidet sich der Ansatz in der Ostschweiz von dem in den grossen Finanzzentren? «Zürich und Genf sind international ausgerichtet, oft stark standardisiert», sagt Christoph Wettstein. «Hier in der Ostschweiz steht das individuelle Gespräch im Vordergrund.» Das bestätigt auch Daniel Kummer: «Unsere Kunden erwarten keine Finanzprodukte von der Stange, sondern eine massgeschneiderte Betreuung.» Die Nähe zur Kundschaft sei ein echter Vorteil. «Wir kennen unsere Kunden und sie kennen uns – das schafft Vertrauen und ermöglicht eine nachhaltige Zusammenarbeit.»
Einigkeit herrscht auch bei der Frage, für wen Private Banking sinnvoll ist. Michael Eicher sagt: «Grundsätzlich kann jeder bei uns investieren – sinnvoll wird es ab einem substanziellen Anlagevolumen.» Das ist auch bei der TKB so. Gemäss Daniel Kummer bewege sich der Einstiegspunkt aber in der Regel zwischen 250´000 und 500´000 Franken Vermögen. Reichmuth & Co geht bewusst einen anderen Weg: «Wir setzen keine Mindestgrenze», sagt Antonio Piccolo. «Wichtiger ist die individuelle Ausgangslage.» Auch kleinere Vermögen könnten mit der richtigen Strategie sinnvoll angelegt werden – entscheidend sei die langfristige Perspektive.
Die Auswahl des passenden Partners sei letztlich Vertrauenssache, sind sich alle einig. «Ein seriöser Private-Banking-Partner ist persönlich, unabhängig, transparent – und denkt vom Kunden her», so Christoph Wettstein. Michael Eicher hebt die Übereinstimmung zwischen Kunden und Bank hervor: «Bei uns können Kunden analog zur Strategie der Fürstenfamilie von Liechtenstein investieren.» Und Daniel Kummer rät, auf Beratungskompetenz, Erfahrung, Gebührenstruktur und Betreuungsmodell zu achten – «und natürlich darauf, ob man sich ernst genommen fühlt».
Typische Fehler: Emotionen und Klumpenrisiken
Ein weiteres Thema: typische Fehler bei der Vermögensverwaltung. «Viele Kunden investieren zu emotional», sagt Michael Eicher. «Der Herdentrieb und die Angst vor Verlusten führen zu überhasteten Entscheidungen.» Antonio Piccolo ergänzt: «Oft fehlt die Zeit für eine ganzheitliche Planung – gerade bei Unternehmern.» Daniel Kummer sieht die Ursache häufig in mangelnder Diversifikation: «Klumpenrisiken sind anfällig für Schwankungsrisiken. Und daher gilt das alte Börsen-Sprichwort ‹Nicht alle Eier in einen Korb legen›.» Dazu komme eine gewisse Trägheit im Portfolio: «Manche Anlagen werden schlicht zu lange gehalten, obwohl sie nicht mehr zur Strategie passen.»
Nachhaltigkeit und alternative Investments spielen in allen drei Häusern eine wachsende Rolle. «Nachhaltige Anlagen sind heute Standard», sagt Daniel Kummer. «Wir fragen unsere Kunden systematisch nach ihren Präferenzen.» Reichmuth & Co bietet gezielte Infrastrukturinvestitionen an – etwa in Güterwagen oder Solaranlagen. «Diese Investitionen sind verständlich strukturiert, realwirtschaftlich sinnvoll und bieten stabile Erträge», sagt Antonio Piccolo. LGT wiederum bietet über die Fürstenstrategie Zugang zu exklusiven Anlageklassen. «Wir investieren mit Weitblick – auch im Sinne künftiger Generationen», sagt Michael Eicher. Neben klassischen ESG-Instrumenten gibt es bei LGT auch wirkungsorientierte Modelle: «Impact-Investing ist ein wachsendes Thema.»
«Private Banking ist dann erfolgreich, wenn es die Menschen versteht – nicht nur ihre Finanzen.»
Planung wichtiger als Timing
Und wie wirkt sich die aktuelle (Tief-)Zinssituation aus? «Obligationen in Schweizer Franken sind wenig attraktiv», sagt Christoph Wettstein. «Dividendenstarke Aktien und alternative Anlagen rücken in den Fokus.» Auch Michael Eicher beobachtet eine «wachsende Suche nach Alternativen zu klassischen Zinsanlagen». Und bei der TKB bleibt die Anlagestrategie entscheidend: «Zinsniveaus ändern sich – das disziplinierte Verfolgen einer klaren und langfristigen Anlagestrategie ist wichtiger, als das kurzfristige Reagieren auf Marktveränderungen», findet Daniel Kummer.
Die Nähe zu Deutschland, Österreich und Liechtenstein ist ein weiterer Vorteil der Region. «Die Lage im Vierländereck erweitert unser Einzugsgebiet», sagt Michael Eicher. Auch Reichmuth & Co betreut über ihre Tochtergesellschaft gezielt Kunden aus Deutschland. Die TKB beobachtet ebenso seit Jahren eine steigende Nachfrage aus dem süddeutschen Raum. «Die Stabilität der Schweiz und die Reputation des Finanzplatzes spielen eine wichtige Rolle – gerade im internationalen Vergleich», sagt Daniel Kummer. Und: Für viele ausländische Kunden sei die Schweizer Beratungskultur ein Pluspunkt.
Was die Zukunft betrifft, sehen alle drei Banken Herausforderungen – aber auch Chancen. «Die Digitalisierung verändert die Branche, keine Frage», sagt Daniel Kummer. «Doch die persönliche Beratung bleibt zentral.» Reichmuth & Co setzt bewusst auf eine Balance: «Digitale Tools dort, wo sie nützen – persönlicher Austausch, wo er nötig ist.» Michael Eicher sieht in künstlicher Intelligenz grosses Potenzial – «aber sie wird nie das persönliche Vertrauen ersetzen».
Die LGT investiert deshalb gezielt in digitale Lösungen, ohne dabei das Menschliche aus dem Blick zu verlieren. «Technologie ist ein Werkzeug – der Mensch bleibt das Zentrum.»
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«Die Region zieht viele vermögende Privatpersonen an.»
Impulsgeber und Sparringspartner
Nicht zuletzt verändert sich auch die Kundschaft. «Jüngere Generationen haben andere Vorstellungen von Vermögensverwaltung», sagt Antonio Piccolo. «Transparenz, Nachhaltigkeit und Sinn spielen eine grössere Rolle.» Daniel Kummer ergänzt: «Kunden sind heute oft viel besser informiert als früher und erwarten eine offene Diskussion auf Augenhöhe.» Die Banken reagieren mit Informationsangeboten, persönlichen Coachings und neuen Formaten. «Es geht um Selbstbestimmung – und darum, Verantwortung für das eigene Vermögen zu übernehmen», sagt Michael Eicher.
Auch die Rolle der Banken selbst wandelt sich. «Wir sind nicht mehr nur Verwalter von Vermögen, sondern auch Impulsgeber und Sparringspartner», sagt Christoph Wettstein. Diese Entwicklung verlange neue Kompetenzen – nicht nur im Bereich Finanzen, sondern auch in Kommunikation, Psychologie und Technologie. «Private Banker müssen heute vielschichtige Persönlichkeiten sein – fachlich kompetent, aber auch empathisch und vorausschauend.»
Ein weiterer Aspekt ist die Nachfolgeplanung in Familienunternehmen, ein zentrales Thema für viele Ostschweizer Kunden. «Gerade in Familienbetrieben ist die frühzeitige Übergabe ein komplexer Prozess», sagt Daniel Kummer. « Dabei braucht es Fingerspitzengefühl, Erfahrung – und eine professionelle Beratung; auch bei Anlagethemen.» Michael Eicher ergänzt: «Wenn Unternehmer frühzeitig planen, lassen sich viele Konflikte vermeiden – und gleichzeitig Werte sichern.»
Private Banking ist also gerade in der Ostschweiz mehr als nur Vermögensverwaltung. Es ist eine Haltung – geprägt von Nähe, Nachhaltigkeit und Vertrauen. Oder, wie es Antonio Piccolo formuliert: «Private Banking ist dann erfolgreich, wenn es die Menschen versteht – nicht nur ihre Finanzen.»
Text: Stephan Ziegler
Bild: zVg