Mit einzigartigen Stärken zum Erfolg

Vor fünf Jahren wurde das Netzwerk des Innovationsparks Schweiz geknüpft, um das Land für Forschungsinvestitionen und Firmenansiedlungen noch attraktiver zu machen. «Switzerland Innovation schafft für nationale und internationale Unternehmen aller Art eine Plattform, auf der sie ihre Forschungsaktivitäten gemeinsam mit unseren Universitäten und Hochschulen vorantreiben», beschreibt sich die Stiftung selbst. Neben den beiden gesetzten Standorten, jenem des Parks Zürich in Dübendorf und dem regionalen Netzwerk um die EPFL in Lausanne, kamen auch Parks in Allschwil (Basel Area), in Villigen und in Biel zum Zug. Der Ostschweiz blieb die Zuschauerrolle.
Der Kanton St. Gallen bekam vom Bundesrat gleich zweimal eine Abfuhr: Nachdem ein erstes Konzept 2014 als zu unkonkret abgewiesen wurde, fiel auch 2015 eine verbesserte Bewerbung mit der Fokussierung auf «intelligente Produktionssysteme» durch. Der Kanton Thurgau konnte sich mit seiner Bewerbung, die ein Zentrum für Forschung und Produktion in der Ernährungs- und Landwirtschaft postulierte, ebenfalls nicht durchsetzen. Ein Alleingang mit dem Projekt scheiterte ebenfalls, da in der Standortgemeinde Frauenfeld einen Kredit von 1,2 Millionen Franken für die Pilotphase an der Urne abgelehnt wurde.
St. Gallen hingegen gibt sich noch nicht geschlagen und arbeitet mit Nachdruck darauf hin, doch noch Teil des Innovationsparks Schweiz zu werden. Die Leiterin des kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit, Karin Jung, ist zuversichtlich, dass der dritte Anlauf klappen wird – und betont, warum eine erfolgreiche Bewerbung wichtig für die Ostschweiz sei: «Wenn uns das nicht gelingt, werden wir abgehängt.»
Zugang zu Informationen
Der Status, ein akkreditierter Standort des Innovationsparks der Schweiz zu sein, wird sich nicht nur im angedachten Forschungszentrum in St. Gallen manifestieren. Das neue Netzwerk wird auch eine Bedeutung weit darüber hinaus bekommen. «Es ist absehbar, dass zukünftig auch viele politische Diskussionen zu Innovationsthemen über dieses Netzwerk besprochen und vorbereitet werden», erklärt Karin Jung. Als Teil des Innovationsparks erhielte St. Gallen zudem Einsitz im Stiftungsrat von Switzerland Innovation und hätte so einen privilegierten Zugang zu Informationen.
Weiterer erwünschter Nebeneffekt: Die Organisation Switzerland Global Enterprise, die für die internationale Standortpromotion der Schweiz zuständig ist, hat den Zusatzauftrag, neben eigentlicher Vermarktung der Schweiz speziell auch das Netzwerk Switzerland Innovation zu vermarkten, wie Jung erläutert: «Wenn wir hier einen Standort haben, dann sind wir da mit dabei, dann ist auch die Ostschweiz auf der Landkarte.»
Ergänzung des Netzwerks
Es gibt also viele gute Gründe, ein Standort des Innovationsparks Schweiz zu werden. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Bundesrat keinen regionalpolitisch begründeten Entscheid fällen wird, bloss weil es noch keinen Ableger des Innovationsparks in der Ostschweiz gibt. «Darauf zu hoffen, ist chancenlos», weiss Karin Jung. Die Kriterien, wie man zu einem Zuschlag kommt, seien klar: Ein weiterer Standort muss das Netzwerk des Innovationsparks mit Themen ergänzen, die noch nicht von den anderen Standorten belegt sind. «Wir haben keine Chance mit unserer Bewerbung, wenn wir nicht aufzeigen können, in welchen Themen wir hier in St. Gallen national und international anerkannte wissenschaftliche Exzellenz haben.»
Die neuerliche Bewerbung aus der Ostschweiz soll aufzeigen, dass St. Gallen die ideale Ergänzung des bestehenden Netzwerks darstellt. Deshalb fokussiert dieser dritte Anlauf auf die Themen auf der Schnittfläche von Gesundheitstechnologie, Digitalisierung in der Wirtschaft und der MEM-Industrie. «Dieses Profil gibt es so noch nicht», hält die Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit fest.
Im Bereich Gesundheitstechnik soll der Innovationspark Ost die Entwicklung von physikalischen, chemischen und biologischen Sensoren, von Smart Materials and Processes sowie der Funktionalisierung von Oberflächen fördern. Schon heute werden in St.Gallen beispielsweise Smart-Textiles entwickelt, die Sensoren in funktionalen Fasern nutzen. Bei digitalen Technologien kann sich der Innovationspark Ost auf die Grundlagenforschung der Universität St. Gallen abstützen, um Geschäftsfelder etwa im Bereich der Anwendung von Künstlicher Intelligenz, des Internet of Things oder von Blockchains zu entwickeln. Die Ostschweizer MEM-Industrie wiederum stellt heute schon anspruchsvolle Hightech-Produkte her und kann neue Forschungsergebnisse nutzbringend umsetzen.
Diese drei Gebiete sollen sich im künftigen Innovationspark Ost verbinden, wie Karin Jung darlegt: «Schliesslich müssen Produkte herausschauen, die man am Markt verkaufen kann.»
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Auf vorhandenen Stärken aufbauen
Die Ostschweiz habe zwar, etwa im Unterschied zu Basel mit dem Pharma-Schwerpunkt, eine sehr breit aufgestellte Wirtschaft, hier werden unterschiedlichste Themen abgedeckt. «Das ist aber auch ein Vorteil und gibt unserer Region eine gewisse Stabilität», sagt die Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit, fügt aber an: «Thematisch fokussiert der Innovationspark Ost auf die spezifischen Stärken der Ostschweizer Wirtschaft und der vorhandenen wissenschaftlichen Exzellenz der in der Region ansässigen Forschungsinstitute. Dies zu bestimmen, ist anspruchsvoller als anderswo. Die nun für die Bewerbung gewählten Forschungsschwerpunkte erfüllen diese Kriterien, auch wenn nicht jedes Unternehmen direkt vom Innovationspark Ost profitieren kann.»
Der enge Fokus ist ein Lehrblätz aus den beiden vorherigen Bewerbungen. Bei einer thematisch breiteren Bewerbung wären Überlappungen mit den Themen der bestehenden Standorte programmiert. «Die anderen Standorte haben kein Interesse, einen Park aufzunehmen, der von sich sagt ‹wir können alles›», sagt Karin Jung.
Wunschdenken hat deshalb in einer erfolgsversprechenden Bewerbung nichts verloren. «Wir müssen auf vorhandenen wissenschaftlichen Stärken aufbauen», betont Jung. Die Universität St.Gallen ist ein Leuchtturm mit internationaler Ausstrahlung auf dem Gebiet der Umsetzung der Digitalisierung in den Geschäfts-Modellen und -Prozessen der Wirtschaft. Im zukunftsträchtigen Gebiet der Gesundheitstechniken streicht die St.Galler Bewerbung die Qualität der Empa in St.Gallen und des Kantonsspitals heraus – das KSSG ist das einzige nicht-universitäre Spital in der Schweiz mit einer Forschungsabteilung. Das Kantonsspital ist zusammen mit der Empa erfolgreich in der Forschung tätig – «das ist einzigartig, diese Forschungsschwerpunkte werden an anderen Standorten in der Schweiz nicht bearbeitet», sagt Karin Jung. Auch die die Fachhochschule Ost und das Forschungszentrum RhySearch auf dem Campus der NTB Buchs untermauern den in der Bewerbung formulierten Anspruch auf wissenschaftliche Exzellenz.
Engagement der Wirtschaft entscheidend
Neben der Einzigartigkeit des Profils muss ein Ostschweizer Standort des Innovationsparks Schweiz auch ein zweites, wesentliches Kriterium erfüllen: Er muss von der hiesigen Wirtschaft getragen werden. «Die Bewerbungen in der Vergangenheit sind nicht zuletzt auch daran gescheitert, dass es uns zu wenig gut gelungen ist nachzuweisen, dass unsere Wirtschaft daran ein Interesse hat», erklärt Karin Jung. Deshalb sei es entscheidend, «dass wir in der Bewerbung das finanzielle Engagement der Ostschweizer Wirtschaft dokumentieren können.»
Der Innovationspark Ost wird als Aktiengesellschaft organisiert, vom Aktienkapital von voraussichtlich drei Millionen Franken soll die Hälfte von der Öffentlichen Hand gezeichnet werden. Neben dem Kanton St. Gallen sind das die beteiligten Forschungsinstitutionen, aber auch andere Kantone und Gemeinden. Die andere Hälfte der Trägerschaft soll privat sein, diese Aktien sollen bei interessierten Unternehmen platziert werden. Erste Firmen und ein Wirtschaftsverband haben sich bereits verpflichtet; Karin Jung ist zuversichtlich, dass auch das restliche Aktienkapital von der Wirtschaft bis diesen Sommer gezeichnet wird.
«Die öffentliche Hand macht eine Anschubfinanzierung und koordiniert die Bewerbung, aber letztlich muss die Wirtschaft ein Interesse daran haben, dass das Projekt läuft», sagt Karin Jung. Natürlich habe der Kanton ein grosses Interesse daran, dass St. Gallen Teil des Netzwerks werde. «Wir sind dennoch nur die Geburtshelfer» sagt Jung, nachher müsse der Innovationspark Ost von der Wirtschaft getragen werden. «Ohne Engagement der Wirtschaft wird es nicht klappen.»
Kompetente Gremien
Die Politik wird aber auch eine Gelegenheit bekommen, sich zum Innovationspark Ost zu bekennen: Für die Anschubfinanzierung plant die Regierung, dem St.Galler Kantonsrat eine Kreditvorlage zu unterbreiten. Mit voraussichtlich etwa 10,5 Millionen Franken soll der Betrieb für die ersten zehn Jahre sicher gestellt werden, wobei die grössten Tranchen davon für den Start vorgesehen sind und die Beiträge mit der Zeit abnehmen werden.
Der Verwaltungsrat des Innovationsparks Ost soll jedoch nicht nach irgendwelchen politischen Schlüsseln zusammengesetzt werden, vielmehr sollen fünf bis sieben fachlich qualifizierte Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte die Geschicke des Ostschweizer Standorts bestimmen. Als weiteres Gremium ist ein Innovationsrat vorgesehen, dessen Mitglieder die inhaltliche Ausrichtung bestimmen sollen. Um die Koordination sicher zu stellen, sollen der Präsident oder die Präsidentin des Innovationsrat auch dem Verwaltungsrat angehören. Die Suche nach geeigneten Leuten hat bereits begonnen, «mit der Besetzung dieser Gremien können wir nicht warten, bis der Zuschlag vom Bundesrat kommt», erklärt Karin Jung.
Langwieriger Prozess
Bis der erhoffte Zuschlag kommt, dauert es tatsächlich noch eine Weile. Im Sommer 2019 hat der Kanton St. Gallen das neue Dossier bei der Geschäftsstelle von Switzerland Innovation zur Vorprüfung eingereicht. Am 19. Dezember 2019 war eine Delegation von Switzerland Innovation vor Ort, «wir haben dabei viele Themen besprochen und haben auch Hinweise bekommen, wie wir unser Dossier mit weiteren Fakten anreichern können», sagt Karin Jung. Das wird nun getan, wobei nicht das Konzept selbst überarbeitet werden muss, sondern vielmehr die verständliche Darstellung des Projekts konkretisiert werden soll.
Bis im Frühling soll diese Vorprüfung abgeschossen sein. Wenn die Rückmeldung dann nicht negativ ist und die Chancen intakt sind, will der Kanton bis im Sommer das definitive Dossier einreichen: Der Kanton bewirbt sich somit bei der Stiftung Switzerland Innovation um die Akkreditierung des Standorts St. Gallen als eigenständiger Netzwerkpartner innerhalb des Schweizerischen Innovationsparks.
Ein Experten-Komitee, in welchem die anderen Standorte des Netzwerks Einsitz haben, wird eine nächste Beurteilung machen und eine Empfehlung an den Stiftungsrat Switzerland Innovation abgeben, der seinerseits eine Empfehlung an den Bundesrat macht. Die Landesregierung dürfte dann 2021 über die Erweiterung des Netzwerks entscheiden.
Der Innovationspark Ost ist der erste, der dieses komplexe Verfahren so durchläuft. Die heutigen Standorte wurden durch ein einfacheres Verfahren bestimmt, Dübendorf und Lausanne waren ohnehin gesetzt.
Standort auf dem Campus Lerchenfeld
Der Innovationspark Ost soll räumlich im Tagblatt-Gebäudekomplex gleich neben der Empa angesiedelt werden – da, wo heute schon das Innovationszentrum Startfeld betrieben wird. Dieser erfolgreiche Innovationshub hat eine weitgehend andere Ausrichtung als der geplante Innovationspark Ost und würde weiterhin betrieben, allerdings liegen Synergien etwa im Bereich der Verwaltung und der Dienstleistungen auf der Hand. «Wir gehen nicht grundlos an diesen Standort», sagt Karin Jung, «für die Bewerbung ist es entscheidend, dass in unmittelbarer Nähe eine international anerkannte Forschungsinstitution ihren Sitz hat. Zudem hat sich im Tagblatt-Gebäudekomplex mittlerweile ein spannendes und lebendiges Innovationsumfeld etabliert. Mit dem privaten Eigentümer der Immobilie, der Gartenhof-Verwaltung AG, bestehe ein gutes Einvernehmen, mögliche Ausbauschritte eines Innovationsparks Ost wurden in einem gemeinsamen Arealentwicklungsprojekt schon angedacht.
Für allfällige Bautätigkeiten gäbe es auch mit dem Label Innovationspark keine Bundesgelder. Hingegen können für spezielle Einrichtungen, etwa Labors, Darlehen der Stiftung Switzerland Innovation beansprucht werden. Für die Unterstützung von einzelnen Forschungs- und Entwicklungsprojekten können (auch ohne das Label Innovationspark) Fördergelder von Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, beantragt werden.