Innovaare: Wo Industrie auf Forschung trifft

Innovaare: Wo Industrie auf Forschung trifft
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Wovon St.Gallen noch träumt, gibt es anderswo schon. Zum Beispiel im Park Innovaare im aargauischen Villigen, einem der fünf nationalen Innovationsparks. Seine Ausrichtung ist stark mit den Forschungsschwerpunkten des Paul-Scherrer-Instituts verbunden, das sich in unmittelbarer Nähe befindet.

Schon auf den ersten Blick lässt sich erahnen: Hier entsteht etwas Grosses. Zwar sind auf dem Areal gegenüber des Paul-Scherrer-Instituts PSI im aargauischen Villigen noch keine Gebäude zu sehen, aber die Fläche des Aushubs ist riesig. 38 000 Quadratmeter sind es, auf denen in den nächsten vier Jahren der Erweiterungsbau des Hightech-Parks Innovaare entsteht. Davon sind 23 000 Quadratmeter vermietbare Nutzfläche. Der Spatenstich war im vergangenen November, Mitte dieses Jahres soll mit den Baumeisterarbeiten begonnen werden. Finanziert wird der neue Bau von der CPV/CAP Pensionskasse Coop. Sie investiert rund 150 Millionen Franken.

Fünf Parks, ein Netzwerk

In Zukunft sollen auf dem Innovationscampus sowohl Hightech-Start-ups und Spin-offs als auch forschungs- und entwicklungsorientierte KMU und Grossunternehmen aus dem In- und Ausland arbeiten, die von der Nähe, dem Wissen und den Erfahrungen des PSI, dem schweizweit grössten Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften, profitieren. «Wir bauen ein Hightech-Ökosystem auf, in dem sich Spitzenforschung und Innovateure aus der Wirtschaft austauschen und gegenseitig inspirieren können», sagt Benno Rechsteiner, CEO des Parks Innovaare.

Der Park Innovaare in Villigen ist einer von fünf Schweizer Innovationsparks unter der nationalen Dachmarke «Switzerland Innovation». Die weiteren sind der Park Basel Area, der Park Network West EPFL in Lausanne, der Innovationspark in Biel und jener in Dübendorf/Zürich. Das Netzwerk wird vom Bund unterstützt, indem er Grundstücke und finanzielle Darlehen bereitstellt. Der Rahmenkredit beträgt 350 Millionen Franken, die fünf Parks können sich alle um die befristeten Bürgschaften bewerben.

2015 wurde der Park Innovaare gegründet. Er befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Paul-Scherrer-Institut. Zurzeit sind hier 14 Hightech-Firmen angesiedelt. «Die Zahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen», sagt Nina Müller, Kommunikationsverantwortliche des Parks Innovaare. Bei der Ansiedlung von Unternehmen konzentriert sich der Park auf bestimmte Technologie- und Innovationsbereiche, insbesondere auf Arzneimittelforschung im Frühstadium, Protonentherapie, Medizintechnik, Bildgebungstechnologien, Nanomaterialien, Batterietechnologien und präzises Engineering – dies alles korrespondiert weitgehend mit den Forschungsschwerpunkten des PSI. «Unser Ziel ist es, Innovateure aus Grossunternehmen, Start-ups und KMU zu fördern und mit Forschungsinstitutionen zu verbinden», sagt der CEO des Parks Innovaare, «damit zum einen der Wissensfluss von der Wissenschaft in die Industrie sichergestellt ist und zum anderen die Innovationen schneller in die Industrie gelangen.»

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Forschung für Industrie nutzbar machen

Die Advanced Accelerator Technologies AG, kurz AAT, ist eines dieser 14 Hightech-Unternehmen und genau dafür zuständig, dass PSI-Technologien nach draussen in die Industrie und in andere Forschungszentren kommen. «Die Entwicklungen werden damit nicht nur für den Elfenbeinturm der Wissenschaft gemacht, sondern über die Vermarktung für Gesellschaft und Industrie nutzbar», sagt AAT-CEO Jens Rehanek. Zu diesem Zweck wurde das Unternehmen als gemeinsame Initiative des PSI und einer Reihe von Industriepartnern aus dem In- und Ausland vor gut fünf Jahren gegründet. «Wir sind der Kommerzialisierungspartner des Paul-Scherrer-Instituts und haben hierfür auch vertragliche Vereinbarungen», sagt der Physiker, selbst ein ehemaliger Mitarbeiter am PSI.

Vermarktet wird in erster Linie das Know-how des Instituts in den Bereichen Beschleunigertechnologien, Experimente und Grossanlagen sowie seine Anwendungskompetenz für Teilchenstrahlen und Protonen in Wissenschaft, Forschung und industriellen Prozessen. «Wir bieten beispielsweise Teilsysteme, Engineering und Beratung in der Technologie der weltweit wachsenden Protonentherapie an, sowie andere Grossforschungsgeräte, die am PSI entwickelt und betrieben werden, wobei unsere Kunden aus der ganzen Welt kommen», sagt Rehanek. «Für uns sind der Innovationspark und seine enge Verbindung zum PSI sehr wichtig.» Er glaube nicht, dass ohne das Netzwerk Ähnliches für sie im selben Zeitraum möglich gewesen wäre.

Vom Labor auf den Markt

Im Park Innovaare entwickeln KMU und Start-ups neue Lösungen für komplexe Probleme, wie es beispielsweise die Firma GratXray getan hat. GratXrax ist ein Spin-off-Unternehmen der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts und seit 2017 im Innovationspark in Villigen angesiedelt. Die Firmengründer haben während Jahren am PSI im Bereich Synchrotron-Strahlen geforscht und so eine neue, röntgenbasierte Methode entdeckt, mit der Weichteile wie das Brustgewebe differenzierter und genauer untersucht werden können. Gegenüber der «Aargauer Wirtschaft» (der Zeitung des Aargauer Gewerbeverbands) sagt der Mitgründer und Geschäftsleiter von GratXray, Martin Stauber: «Ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Methode einen wichtigen Beitrag für die Früherkennung von Brustkrebs leisten können.» Das Team von GratXray entwickelt derzeit ein neues Brust-CT-Gerät für eine bessere Früherkennung von Brustkrebs.

«Der Weg der Firma GratXray ist ein gutes Beispiel dafür, wie Grundlagenforschung zur Anwendung im Markt führen kann», sagt die Kommunikationsverantwortliche des Parks Innovaare. Forscher hätten eine neue Methode entdeckt und sich dann gefragt, welches Problem damit gelöst werden könne.

Genau umgekehrt sei es bei einer anderen Firma gewesen, wo zuerst das Problem da war und dann eine Lösung gesucht wurde. «Die Firma Qualysense in Glattbrugg stellt Sortier-Maschinen für Kaffeebohnen und andere Lebensmittel-Körner her. Beim Sortieren der Kaffeebohnen ist es wichtig, von Anfang an die mangelhaften Bohnen zu eliminieren», so Nina Müller. «Die Firma Cosylab, die seit 2017 bei uns im Park ist, half dieser Firma mit ihrer Spezialsoftware, die Kaffeebohnen mittels einer biochemischen Analyse zu untersuchen und zu sortieren.» Die Prozesse wurden damit verbessert.

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Grosser Teil ist schon vermietet

Mit dem Erweiterungsbau soll in Villigen künftig noch mehr Innovation in einem von Forschung und Entwicklung geriebenen Umfeld möglich sein. Dies zumindest erhoffen sich die Verantwortlichen des Parks. Zu den bisherigen 14 Hightech-Unternehmen möchten sie noch weitere Schweizer und europäische Start-ups und KMU sowie einige Forschungsabteilungen von internationalen Firmen ansiedeln. Einen ersten Mietvertrag konnten sie bereits kurz nach dem Spatenstich abschliessen. «Die Firma LeadXpro ist eine unserer ersten Member Companies. Sie ist in der Arzneimittelforschung tätig und hat sich im Neubau bereits jetzt eine ganze Etage gesichert, was uns natürlich riesig freut», sagt Nina Müller. Mit zwei weiteren Unternehmen seien sie in Verhandlung, «noch aber ist nichts spruchreif».

Der Park Innovaare muss lediglich für 25 Prozent der gesamten Nutzfläche neue Mieter suchen. Hauptmieter des Ausbaus ist mit rund 65 Prozent das PSI, und zehn Prozent sollen für Firmen freigehalten werden, die sofort einen Platz suchen. Der Bau ist anspruchsvoll. Nebst Werkstatthallen und Hightech-Büros braucht es spezielle Räume und Labors, wo Forscherinnen und Forscher in einer keimlosen und vibrationsarmen Umgebung Messungen durchführen können. Viel verspricht man sich auch von den Communication Spots, die es auf jeder Etage des neuen Gebäudes gibt. «Hier sollen sich Forscher und Unternehmer auch physisch begegnen und gegenseitig inspirieren, was das Hauptziel unseres Innovationsparks ist», sagt CEO Benno Rechsteiner.

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