St.Gallen

Warum sich Heberlein für einen Schweizer Käufer entschieden hat

Warum sich Heberlein für einen Schweizer Käufer entschieden hat
Martin Zürcher, Mario Mitic
Lesezeit: 4 Minuten

Die 1835 gegründete Heberlein hat den Verkauf ihres Geschäfts erfolgreich vollzogen. Das Management, der Industrie-Experte Daniel Lippuner und die Anlagestiftung Renaissance haben gemeinsam die Aktivitäten der Wattwiler Düsenherstellerin für Endlosgarne vom chinesischen Vorbesitzer übernommen und investieren jetzt in den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Heberlein-CEO Martin Zürcher und Mario Mitic, Investment Director bei Renaissance, unterstreichen die Bedeutung dieser Übernahme für die Region und die Unternehmer in der Ostschweiz.

Martin Zürcher, in welchem Geschäftsfeld bewegt sich Heberlein heute?
MZ: 2035 wird Heberlein Geschichte schreiben und ihr 200-jährige Bestehen feiern. Im Laufe seiner langen Geschichte hat das Toggenburger Unternehmen viele Höhen und Tiefen durchlebt. Ursprünglich als Garnfärberei Heberlein Wattwil gegründet, begann das Unternehmen später mit der Herstellung der Viscose-Kunstseide «Helanca». Nach einer Phase der Textilmaschinenproduktion, die 1978 endete, erfolgte eine Neuausrichtung auf Textilmaschinenkomponenten. Heute ist Heberlein der weltweit führende Anbieter von Luftverwirbelungs- und Lufttexturierdüsen für die Behandlung von synthetischen Endlosgarnen, sogenannten Multifilamenten.

Mario Mitic, Sie bringen seit über 20 Jahren Pensionskassen und KMU zusammen und vermitteln so Schweizer Kapital für Schweizer KMU. Wie haben sich die Anforderungen beider Seiten in dieser Zeit verändert?
MM: Wir haben eine besondere Investitionsphilosophie: Wir investieren zusammen mit über 40 Pensionskassen langfristig und unbefristet in KMU. Und Sie haben recht, wenn Sie darauf hinweisen: Wir haben ausschliesslich Schweizer Pensionskassen als Investoren, keine Privatanleger, wie es anderswo der Fall ist. Das ist ein enormer Vorteil, da wir so lokal verankert und an einem wirtschaftlichen Beitrag von Schweizer KMU interessiert sind.

Was hat den Ausschlag für Renaissance gegeben, die Aktivitäten der Heberlein zu übernehmen?
MM: Hier spielten mehrere Gründe eine Rolle. Zunächst einmal hat Renaissance die Heberlein in rein schweizerische Hände gebracht, mit einem langfristigen Engagement und einer strategischen Entwicklung. Es geht darum, dem Unternehmen nach einer schwierigen Zeit neuen Schwung zu verleihen. Dieses langfristige Engagement ist für uns von vitaler Bedeutung.

 

  

«Bei 9 von 14 Beteiligungen sind wir der erste Inhaber nach den Gründern der Familie.»

Andererseits ist Heberlein auch ein «Hidden Champion».
MM: Absolut! Mit seinem tiefgehenden Fachwissen in der Bearbeitung von synthetischen Garnen hat sich das Unternehmen erfolgreich an der Spitze einer Marktnische etabliert und versorgt von Toggenburg aus Kunden weltweit – und das alles in einem hochkomplexen Markt. Von Beginn an haben uns zudem Kompetenz und Engagement des Managementteams überzeugt. Und last, but not least legt Renaissance grossen Wert auf eine nachhaltige Entwicklung der von ihr übernommenen Unternehmen und damit auf die ESG-Komponente.

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Sie investieren?
MM: Wir sind ein langfristiger, Dividenden-basierter Investor ohne zeitlich befristeten Horizont. Der Schwerpunkt liegt auf nachhaltiger Entwicklung der Beteiligungen. Wir sind so auch der geeignete Käufer für Familienunternehmen – oder wenn ein Teilbereich eines Konzerns verkauft werden soll und sich das Management hier engagieren will: Bei 9 von 14 Beteiligungen sind wir der erste Inhaber nach den Gründern/der Familie. Das «Renaissance-Modell» passt zu allen Stakeholdern eines KMU, das heisst Unternehmer, Mitarbeiter, Kunden sowie Lieferanten.

Sie haben Nachhaltigkeit erwähnt. Was meinen Sie konkret?
MM: Bei allen unseren Beteiligungen führen wir jährlich eine Umwelt-, Sozial- und Governance-Bewertung durch, damit wir die Fortschritte unserer KMU in Bezug auf ESG qualitativ bewerten können. Wir konzentrieren uns auf konkrete Fortschritte wie die Verringerung der Abwesenheit, verbesserte Beschäftigungsleistungen oder die Einführung eines Verhaltenskodex. Überdies führen wir für jedes unserer Portfoliounternehmen eine vollständige Analyse des CO₂-Fussabdrucks durch und ermitteln anhand dessen mögliche Verbesserungsmassnahmen. Kurz gesagt: Wir wollen nicht, dass ESG ein abstraktes Konzept bleibt, sondern wir sehen ESG als eine echte Chance für Schweizer KMU, um wettbewerbsfähiger zu werden.

 

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Apropos Wettbewerbsfähigkeit: Was ist Ihre aktuelle Einschätzung des Textilmarkts?
MZ: Es ist wichtig, zu verstehen, dass die Textilindustrie als eine zyklische Branche par excellence derzeit eine sensible Phase durchläuft, da sie sich auf dem Tiefpunkt befindet. Diese Zyklen dauern typischerweise rund fünf Jahre. Obwohl wir in diesem Jahr eine Markterholung erwarten, basiert das Vertrauen von Renaissance auf unserem langfristigen Denken und Handeln sowie auf unserer soliden Positionierung. Entscheidend sind nicht kurzfristige Entwicklungen, die von der Konjunktur beeinflusst werden, sondern die langfristige Ausrichtung, die Stabilität und die Innovationskraft des Unternehmens.

Es ist also ein starkes Signal auch an andere Unternehmer, dass Heberlein nun zu 100 Prozent in Schweizer Hand ist?
MM: Natürlich. Das Ziel ist, dass Heberlein ihre Mission bei Renaissance erfüllt, nämlich dass ein Schweizer Unternehmen mit einer langen Tradition und einer tief verwurzelten Geschichte dank der finanziellen Unterstützung von Pensionskassen seine Entwicklung auf einer soliden Basis fortsetzen kann. Es ist eine der Schlüsselaufgaben der Renaissance-Stiftung, KMU langfristig in Schweizer Händen zu halten, zum Beispiel im Falle eines Nachfolgeproblems. 

Hat sich Ihre Strategie mit der Übernahme durch Renaissance geändert, Martin Zürcher?
MZ: Renaissance brachte einen neuen Verwaltungsratspräsidenten mit, der die Heberlein aus seiner früheren Tätigkeit als CEO einer der Muttergesellschaften gut kennt. Zudem wird der Verwaltungsrat im Februar aus dem Netzwerk von Renaissance um einen international renommierten Experten aus der Textilbranche ergänzt. Mit diesen beiden Experten richten wir unsere Strategie jetzt auf zwei Hauptziele aus: Innovation und Stärkung unserer Position in der Textilindustrie. In der aktuellen Herausforderung der Industrie erkennen wir eine bedeutende Chance, uns zu differenzieren. Unser Fokus liegt auf innovativen, energieeffizienten Lösungen, die unseren Kunden einen Mehrwert bringen.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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