St.Gallen

Die Nachfolgefrage fordert KMU heraus

Die Nachfolgefrage fordert KMU heraus
Jürg Glesti
Lesezeit: 4 Minuten

Bei mehr als 90´000 KMU steht in den kommenden Jahren eine Nachfolge an, denn über die Hälfte der Firmen-Inhaber ist über 55 Jahre alt. Viele von ihnen haben die Nachfolgeplanung auf die lange Bank geschoben. Das Thema gilt es sofort anzugehen, denn eine Strategie für die Zukunft ist zentral, wie Experte Jürg Glesti, Leiter M&A bei BDO Schweiz, erläutert.

Das eigene Unternehmen zu verkaufen, ist ein anspruchsvoller und emotionaler Prozess. Entsprechend häufig wird das Thema hinausgeschoben, was dazu führen kann, dass beim Aufgleisen und Umsetzen der Nachfolgeregelung wertvolle Zeit fehlt. Viele Unternehmer stellen sich die Frage, ob es den richtigen Zeitpunkt überhaupt gibt. Grundregel ist sicherlich: Je früher, desto besser. Denn wer sich früh genug mit dem Thema auseinandersetzt, kann der Nachfolgeregelung entspannt entgegensehen und trägt zur Nachfolgefähigkeit des Unternehmens bei. Empfehlenswert ist es, bereits ab dem 50. Lebensjahr eine erste Auslegeordnung vorzunehmen. Hierzu gehören Überlegungen hinsichtlich familiärer Möglichkeiten, finanzieller Situation, rechtlicher Ausgangslage sowie steuerlicher oder personeller Aspekte, die einer Klärung bedürfen.

«Eine klare Kommunikation spielt eine zentrale Rolle für eine nachhaltig erfolgreiche Übergabe.»

Werte und Agilität im Fokus

Was können Unternehmer tun, um ihre Firma eines Tages erfolgreich übergeben oder verkaufen zu können? Eine entscheidende Rolle spielen Risikoüberlegungen hinsichtlich der Werte des Unternehmens. Welche Werte verbleiben, wenn die einstige Schlüsselperson die Firma verlässt? Je weniger das Unternehmen von ehemaligen Inhabern abhängig ist, desto leichter gestaltet sich der Übergabe- bzw. Verkaufsprozess. Ein weiterer zentraler Aspekt betrifft die Agilität des Unternehmens. Nur wer Innovationen fördert und investiert, wird auch künftig eine starke Position im Markt behalten. Für die Nachfolger steht die Zukunft im Vordergrund, weniger die Vergangenheit.

«Je weniger das Unternehmen von ehemaligen Inhabern abhängig ist, desto leichter gestaltet sich der Übergabeprozess.»

Was tun, wenn keine familieninterne Nachfolge möglich ist?

Nicht immer ist die Weitergabe innerhalb der Familie möglich, denn die Nachkommen müssen nicht nur übernahmewillig, sondern auch übernahmefähig sein. Auch andere Nachfolgeoptionen können zum Erfolg führen, aber die Entscheidung sollte gut überlegt sein.

Eine Möglichkeit wäre der Verkauf an das aktuelle Management (Management-Buy-Out). Hierbei wird das Unternehmen an leitende Mitarbeiter verkauft, die bereits mit dem Unternehmen vertraut sind. Dies erleichtert die Kontinuität und den Übergang, erfordert jedoch, dass die Übernehmer über die notwendigen unternehmerischen Qualitäten verfügen. Die Finanzierung eines MBO ist oft eine Herausforderung; mit geeigneter Strukturierung ist dies aber auch für grössere Unternehmen gut machbar.

Weiter besteht die Option des Verkaufs an ein neues Management (Management-Buy-In), wobei das Unternehmen an externe Manager verkauft wird, die dieses noch nicht kennen, jedoch hochmotiviert sind, Unternehmer zu werden. Ein klar strukturierter Verkaufsprozess ist hier unerlässlich. Etwa jedes dritte Unternehmen, das sich für eine familienexterne Lösung entscheidet, wählt den Weg eines Verkaufs an ein anderes Unternehmen. Potenzielle Käufer finden sie nicht nur bei ihren Kunden, Lieferanten oder Konkurrenten. Auch Unternehmen, die in den jeweiligen Markt eintreten oder an den Technologien der zu verkaufenden Firma interessiert sind, kommen infrage. Dies eröffnet neue Entwicklungsmöglichkeiten, erfordert jedoch eine enge Einbindung der bestehenden Mitarbeiter in den Übergabeprozess.

 

Die drei Schritte im Nachfolgeprozess

Verschiedene Phasen prägen den Nachfolgeprozess. Eine klare und transparente Kommunikation spielt über alle Perioden hinweg eine zentrale Rolle für eine nachhaltig erfolgreiche Übergabe. 

  1. Vorbereitung: Lange vor dem eigentlichen Wechsel der Eigentümerschaft muss eine durchdachte Lösung erarbeitet werden, die es ermöglicht, den Betrieb zum richtigen Zeitpunkt erfolgreich zu verkaufen. Hierbei gilt es, etwaige Hindernisse zu identifizieren; so empfiehlt es sich oft, die Aktionärsstruktur zu bereinigen, (Betriebs-)Liegenschaften auszulagern und zurückzumieten und stille Reserven in einer normalisierten Darstellung so abzubilden, dass die wahre Leistungsfähigkeit des Unternehmens über drei vergangene Jahre ersichtlich wird. 
  1. Die Weichen stellen: In dieser Phase liegt der Fokus auf der bevorstehenden Umsetzung des jeweiligen Übernahmemodells und der Forderung nach Verbindlichkeit von allen Beteiligten. Die bisherigen Besitzer müssen in der Lage sein, loszulassen, während die Nachfolger bereit sein müssen, das Ruder zu übernehmen. Themen wie ein akzeptabler Kaufpreis und die entsprechende Finanzierung stehen im Vordergrund. Die Grundlage für die Preisgestaltung bilden finanztechnische Bewertungsmethoden. Wichtig zu wissen ist, dass der Wert nicht gleichbedeutend mit dem Preis ist. Der ausgehandelte Kaufpreis stellt eine Verhandlungslösung dar, die auch vorher identifizierte Faktoren angemessen berücksichtigt, darunter Personenabhängigkeiten, Marktrisiken und die Finanzierungssituation.
  1. Realisierung der Nachfolge: In dieser finalen Phase erfolgt die eigentliche Transaktion, das Übernahmemodell wird in eine verbindliche Vertragsform gebracht. Dies geschieht mit der Vorbereitung einer Verkaufsdokumentation, der Suche nach einem Käufer, der Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung sowie der Führung von Vertragsverhandlungen, die in der Unterzeichnung der Verträge (Signing) gipfeln. Mit dem Vollzug, der effektiven Übertragung von Aktien, Stammanteilen oder Vermögenswerten und deren Bezahlung wird der formale Übergangsprozess des Unternehmens abgeschlossen.

Fazit: Die rechtzeitige Planung der Nachfolge ist entscheidend, da Zeitdruck die Verhandlungsposition verschlechtern und die gesamte Nachfolgeregelung gefährden kann. Zeitig beginnen und gründlich planen - das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Text: Jürg Glesti

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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