Paradigmenwechsel in der Nachfolge

Brunners Erfahrung zeigt, um eine wesentliche Erkenntnis vorwegzunehmen: Je länger eine Übergabe hinausgezögert wird, desto grösser wird das Risiko, dass ein Unternehmen an Wert verliert oder damit gar scheitert.
Unternehmer? Ich doch nicht!
Noch nie waren so viele Unternehmen in der Schweiz auf eine Nachfolgelösung angewiesen. Gegen 100’000 Betriebe stehen in den kommenden Jahren vor der Frage, wer ihr Geschäft weiterführt. Besonders in Familienunternehmen ist die Vorstellung weit verbreitet, dass die Nachfolge innerhalb der Familie geregelt werden soll. Doch genau das werde immer schwieriger. «Wir befinden uns mitten in einem demografischen Wandel», erklärt Stefan Schneider. Die Babyboomer-Generation tritt nach und nach aus dem Berufsleben aus, doch die nachfolgende Generation zeigt sich oft zögerlich oder ist nicht ausreichend vorbereitet, um die Verantwortung zu übernehmen. «Viele potenzielle Nachfolger sind noch nicht bereit oder haben schlicht kein Interesse, den Familienbetrieb zu übernehmen.»
Die Gründe dafür sind vielschichtig: Einerseits hat sich die Einstellung zur Arbeit verändert. Die jüngere Generation sucht vermehrt nach Flexibilität, Work-Life-Balance und sinnstiftender Arbeit, während ein Familienunternehmen oft jahrzehntelange Verpflichtung, volle Verantwortung und unzählige Arbeitsstunden bedeutet. Andererseits ist die wirtschaftliche Unsicherheit gross. «Die Weltwirtschaft befindet sich in einem labilen Zustand, was zu unklaren Zukunftsvorstellungen führt», gibt Rolf Brunner zu bedenken. Das Resultat: Viele Unternehmer schieben die Nachfolgeplanung hinaus – «oft zu lange».
«Die Zeit spielt gegen diejenigen, die die Nachfolge vertagen.»
Zögern und seine Konsequenzen
Die Folgen einer verschleppten Nachfolge sind gravierend: Unternehmen, die keine klare Perspektive haben, investieren nicht mehr in Innovationen oder Wachstum. «Der Übergebende hat oft keinen Ansporn mehr, in neue Technologien oder Märkte zu investieren», sagt Schneider. «Das Unternehmen verliert seine unternehmerische Dynamik, was langfristig zu einem schleichenden Wertverlust führt.»
Hinzu kommt, dass viele Nachfolgeregelungen nicht konkret geplant oder vorbereitet werden. Laut Brunner fehlt es häufig an einem klaren Generationenmanagement: «Es gibt zu wenig gezielte Übergangsstrategien, keine strukturierte Planung und zu wenig mutige Initiativen.» Dadurch verzögert sich der gesamte Prozess, was schliesslich die finanzielle Absicherung des Übergebenden gefährden kann.
Ein weiteres Problem sieht Rolf Brunner in der emotionalen Bindung der abtretenden Generation an ihr Unternehmen. «Viele Unternehmer tun sich schwer damit, ihr Lebenswerk in fremde Hände zu geben – selbst wenn es sich um die eigenen Kinder handelt.» Das Loslassen ist ein emotionaler Prozess, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch persönliche Herausforderungen mit sich bringt. Und: Oft vereiteln auch überzogene finanzielle Vorstellungen des Übergebenden eine erfolgreiche Übergabe – das «eigene Baby» hat für einen selbst immer einen viel höheren Wert als für andere. «Hier gilt: Der Preis sollte fair, transparent und vor allem von einer externen Stelle errechnet sein, mit der beide Seiten, der Verkäufer und der Käufer, einverstanden sind.»
Structure follows Strategy
Stefan Schneider weiss aus Erfahrung, dass viele Nachfolgeregelungen scheitern, weil sie einseitig betrachtet werden. «Bitte keine isolierte Problembetrachtung», warnt er. Allzu oft fokussieren sich Berater nur auf rechtliche oder finanzielle Aspekte, während die zwischenmenschlichen, strategischen und betriebswirtschaftlichen Dimensionen vernachlässigt werden. Sein Lösungsansatz ist klar: Structure follows Strategy – nicht umgekehrt. Eine erfolgreiche Nachfolge ist kein Zufallsprodukt, sondern muss aktiv gestaltet werden. «Wer die Nachfolge erfolgreich regeln will, braucht eine klare Strategie – erst dann kann die passende Struktur geschaffen werden.» Damit spielt er darauf an, dass Nachfolgeregelungen nicht erzwungen oder aber «en passant» abgewickelt werden können, sondern gezielt begleitet und gesteuert werden müssen.
Die Continuum AG hat sich darauf spezialisiert, Familienunternehmen nicht nur in der Übergangsphase zu unterstützen, sondern sie langfristig auf ihrem Weg zu begleiten. Die Partner Rolf Brunner, Stefan Schneider, Susanne Kutterer-Schacht und Matt Moser und ihr Team setzen dabei auf ein sogenanntes «Strategie-Quartett», das die vier entscheidenden Faktoren einer erfolgreichen Unternehmensführung in Einklang bringt: Persönlichkeit – Wer übernimmt die Verantwortung und welche Werte prägen die Nachfolge? Familie – Welche familiären Strukturen beeinflussen die Entscheidung? Unternehmen – Wie bleibt das Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig? Vermögen – Welche finanziellen und vor allem ideellen Aspekte müssen berücksichtigt werden? Denn: Vermögen ist, etwas zu erdulden, zu ertragen.
«Es geht nicht nur darum, ein Unternehmen zu übergeben, sondern auch Begeisterung und unternehmerisches Denken zu vermitteln», skizziert Rolf Brunner einen weiteren Erfolgsfaktor. Eine gute Nachfolgeberatung entwickle deshalb individuelle Nachfolgelösungen, die sich nicht nur auf Zahlen stützen, «sondern auch die persönlichen und emotionalen Aspekte mit einbeziehen».
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Warum es Zeit zum Handeln ist
Die kommenden Jahre werden entscheidend für die Zukunft vieler Familienunternehmen. Die demografische Entwicklung lässt keine Zweifel daran, dass die Zahl der anstehenden Nachfolgen weiter steigen wird. Gleichzeitig zeigt die wirtschaftliche Lage, dass es keine Option ist, einfach abzuwarten.
«Die Zeit spielt gegen diejenigen, die die Nachfolge vertagen», warnt Stefan Schneider. «Je früher sich ein Unternehmer mit seiner Nachfolge auseinandersetzt, desto grösser sind die Chancen auf eine erfolgreiche Übergabe.» Er will sich dafür einsetzen, dass dieser Übergang nicht zur Belastung, sondern zur Chance wird. «Denn wer sein Unternehmen rechtzeitig auf die Zukunft ausrichtet, sichert nicht nur seinen eigenen wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch den Wohlstand der nächsten Generationen», bilanziert Rolf Brunner – und handelt auch nach seinen Worten: Mit Yannick (Verwaltungsratsvizepräsident), Jennifer (Office-Managerin) und Vanessa (Marketing-Managerin) ist schon die zweite Brunner-Generation in der Continuum AG aktiv.
Text: Stephan Ziegler
Bild: zVg