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Wohnraum wird zur Mangelware

Wohnraum wird zur Mangelware
Neubauprojekt Untere Bahnhofstrasse Wil (Mettler Entwickler AG)
Lesezeit: 4 Minuten

In der Schweiz wird gemessen an der Nachfrage zu wenig Wohnraum gebaut. In Zürich nimmt die Wohnungsknappheit schon extreme Züge an, doch auch in der Ostschweiz kann das Angebot nicht mit der Nachfrage Schritt halten.

Wenn ein Konsumgut extrem nachgefragt wird, steigen die Preise – und weitere Anbieter drängen auf den Markt. Beim Gut Wohnraum stimmt nur der erste Teil, denn obwohl die Nachfrage nach Wohnungen sehr hoch ist, kann das Angebot nicht einfach ausgeweitet werden. Es wird zu wenig gebaut, weil verfügbare Baugrundstücke rar sind und weil Bauen durch unzählige Vorschriften immer komplizierter wird. Und weil Einsprachen die Realisierung von Bauten stark verzögern. Die Rechtsunsicherheit und die langen Verzögerungen sind Risiken, die sich nicht alle potenziellen Investoren leisten können.

«Es wird nicht billiger durch die langen Verfahren, und am Schluss zahlen das die Mieter», sagt Peter Mettler, der CEO und Mitinhaber der Mettler Entwickler AG, im Interview. Die beiden Bundesämter für Raumentwicklung ARE und Wohnungswesen BWO liessen als Teil des «Aktionsplans Wohnungsknappheit» in einer Studie untersuchen, wieso in der Schweiz neue Wohnungen nicht oder verzögert gebaut werden. Wenig überraschende Erkenntnis: In erster Linie sind Einsprachen und Rekurse gegen die Projekte verantwortlich. Der Aktionsplan Wohnungsknappheit postuliert unter anderem, die Baubewilligungsverfahren zu beschleunigen, Verfahren zu straffen und den Kreis der Einspracheberechtigten zu begrenzen. Eine Wieder-Ausweitung der Bauzonen wird nicht gefordert.

Wohneigentum wird teurer

Auch wer Wohneigentum anstrebt, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Die St. Galler Kantonalbank veröffentlicht regelmässig einen Immobilienmarktbericht, gemäss dem das erste Quartal 2025 den Trend bestätigt.  «Die knappe Angebotssituation hat die Preise für Wohneigentum im Kanton St.Gallen weiter in die Höhe getrieben», heisst es dort. Im 1. Quartal 2025 lagen die Preise für mittlere Eigentumswohnungen um  3,8 Prozent über dem Vorjahresniveau. Durchschnittliche Einfamilienhäuser verzeichneten im selben Zeitraum einen fast ebenso starken Preisanstieg von 3,7 Prozent. Überraschen kann die Entwicklung nicht: Wenn mehr Menschen auf gleich viel Fläche leben wollen, steigt der Wert von Wohnraum. Der Zuwachs der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz ist etwas schwankend, doch im Schnitt nimmt die Zahl um etwa 75´000 Menschen zu - knapp eine Stadt  St.Gallen pro Jahr. Das erhöht den Druck auf den Wohnungsmarkt, und zwar, wie eine Studie von Wüest Partner aufzeigt, steigt die Nachfrage sowohl nach Mietwohnen als auch nach Wohneigentum. «Wer in die Schweiz kommt, ist jünger, hat mehr Kinder, wohnt meist zur Miete und zügelt häufiger. Das führt zu höherer Nachfrage nach Mietwohnungen und erhöht den Preisdruck, vorwiegend in Städten und Agglomerationen», zitiert die NZZ aus der Studie.

«Der steigende Druck auf den Mietmarkt führt dazu, dass ein Teil der Bevölkerung kauft statt mietet. So kurbelt die Migration die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern indirekt an.»

Neff AG  Sägewies in Heiden  

Druck auf Zentren

Insbesondere die grossen Zentren sind begehrt, in der Stadt Zürich gibt es statistisch gesehen eigentlich keine freie Wohnung mehr, der Kanton Zürich liegt bei der Quote an Leerwohnungen bei einem halben Prozent, was sehr tief ist. Deshalb ist die Nachfrage in angrenzenden Kantonen wie Schaffhausen oder Thurgau ebenfalls schon länger hoch. Im Kanton St.Gallen liegt die Leerstandquote bei fast 1,4 Prozent, doch diese Quote nimmt in letzter Zeit deutlich ab.  «Wir sind längst nicht so weit wie Zürich, aber die Situation verschärft sich auch hier», stellt Andreas Pfister, der CEO der Max Pfister Baubüro AG, fest.

Ein widersprüchliches Bild gibt die Stadt St.Gallen mit einer Leerstandsquote von 2,1 Prozent ab. Die Nachfrage ist in der «Ostschweizer Metropole» sehr gering, was sich auch darin spiegelt, dass die Stadt stagniert – nicht nur beim Bevölkerungswachstum. Ein Problem ist hier das schlechte Angebot; die Leerwohnungen sind oft unsanierte Altbauten, während attraktiver Wohnraum fehlt.

Verfügbares Bauland ist knapp

Eigentlich müsste die hohe Nachfrage einen Bauboom auslösen, doch Investoren, Immobilienentwickler und Bauunternehmen werden ausgebremst. Hauptgrund für die gemessen an der Nachfrage ungenügende Bautätigkeit ist das Fehlen von geeigneten Baugrundstücken, die tatsächlich auf dem Markt sind. Einerseits wird immer noch Bauland gehortet, und im Zuge strengerer Raumplanungsvorschriften wurde andererseits vielerorts Bauland wieder ausgezont. Mit der 2023 vom Volk angenommenen Revision des Raumplanungsgesetzes wird eine Verdichtung angestrebt: Statt grüne Wiesen zu überbauen, sollen bereits überbaute Gebiete besser genutzt werden.

Ein in der Theorie absolut vernünftiger Ansatz, der in der Praxis viele Tücken hat. Insbesondere ständig strengere Bauvorschriften und Auflagen verhindern neue Projekte. Sehr hohe Lärmschutzvorschriften verhindern, dass dort, wo bereits viele Menschen sind und entsprechende Emissionen verursachen, gebaut wird. Die gut gemeinte Vorschrift verhindert somit direkt eine grössere Verdichtung.

Auf verschiedenen Ebenen werden diese unrealistischen Vorschriften nun überarbeitet. Wohnraum verteuert sich auch, weil pro Kopf mehr Fläche beansprucht wird, weil der Ausbaustandard immer höher wird – und auch, weil gerade für institutionelle Anleger nachhaltiges Bauen wichtig ist. Denn zu deren Geschäftsberichten gehört heute auch ein ESG-Bericht, also Aussagen zu Environmental, Social and Governance.

Text: Philipp Landmark

Bild: Pixabay

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