«Wir wollen Marktführer werden»

Als Claudius Moor (*1983) 2015 bei Arbonia einstieg, war das Unternehmen noch ein breit aufgestellter Mischkonzern mit vier Divisionen – gut in der Technik, aber ohne klaren Marktführungsanspruch. «Es gab viele Produkte unter dem Arbonia-Dach, aber wir waren in keiner unserer Kategorien Marktführer in Europa», sagt Moor rückblickend. Damals übernahm der Thurgauer die Leitung von Strategie und Geschäftsentwicklung und stellte einen mutigen Plan auf: Fokussierung auf eine Produktkategorie mit maximalem Potenzial.
Nach intensiver Analyse stand fest: Türen sind die Zukunft. «Ich war voll und ganz vom Potenzial des Türengeschäfts von Arbonia überzeugt», so Moor. Die Arbonia handelte und fokussierte sich: 2021 wurde die Fensterdivision an die dänische VKR Holding verkauft, 2025 folgte der Verkauf der Klimatechniksparte an die chinesische Midea Group – ein Gigant, gegen den mittelgrosse Unternehmen wie Arbonia langfristig keine Chance gehabt hätten. Im Türengeschäft sieht Moor hingegen klare Vorteile: «Das ist ein europäischer Markt, in dem mittelgrosse Unternehmen viel bewegen können.» Türen seien zu schwer und sperrig, um sie aus Asien zu importieren – das schütze vor globalem Preiskampf.
Vom Gemischtwarenladen zum Fokusspezialisten
Bereits 2016 hatte Arbonia unter Moors strategischer Führung drei Türenspezialisten akquiriert: Prüm (D), Garant (D) und Invado (PL). Weitere Übernahmen folgten; vor allem tat der Arbonia die Akquisition der spanischen Dimoldura für ihre Markterweiterung nach Süden gut. 2020 übernahm Claudius Moor die Leitung der Türensparte, 2025 wurde er CEO der gesamten Gruppe. Seither verfolgt er einen klaren Kurs: «Unser Ziel für die nächsten drei bis vier Jahre ist es, Marktführer in Europa zu werden – mit über einer Milliarde Euro Umsatz im Türengeschäft.»
Ein ehrgeiziger, aber erreichbarer Plan: «Als ich begann, lag der Umsatz im Türengeschäft bei 70 Millionen Euro. Heute sind wir bei 640 Millionen», sagt Moor. Die Strategie, die diesen Aufstieg möglich machte, trägt den Namen «Arbonia One». Der Marktanteil in Europa liegt derzeit bei etwa zehn Prozent, Kapazitäten für 14 bis 15 Prozent seien vorhanden, mit dem Ziel 20 Prozent Marktanteil sowie der Erreichung von 820 bis 850 Millionen Franken ohne Akquisitionen bis 2029. Je nach organischem Wachstum und strategischen Herstellerübernahmen wie bspw. im Spezialtürensegment kann die Umsatzmilliarde zeitgleich erreicht werden. Arbonias Wachstumsstory wird durch neue Umsatzquellen gestützt: «Wir profitieren vom Trend, dass man Türe und Beschlag – also Griff, Rahmen und Scharnier – immer mehr als ein Produkt sieht», gibt Moor ein Beispiel. Arbonia verkauft heute bei nur vier Prozent der Türen passende Griffe; das Potenzial sieht Moor bei 20 Prozent. Deshalb beteiligte sich Arbonia im Jahr 2022 mit einer strategischen Partnerschaft bei Griffwerk. Als innovativer Hersteller von Design-Beschlägen bringt Griffwerk essenzielles Know-how in der Produktionsentwicklung und eine hohe Kompetenz im Fachhandel mit. «Der Fokus auf perfektionierte, ganzheitlich durchdachte Lösungen mit hohem Designanspruch ergänzt unser technologisches Portfolio perfekt», sagt Moor. Doch es geht ihm um mehr als nur Umsatz: «Arbonia One bedeutet für uns auch, dass wir künftig mit einer einheitlichen Marke auftreten.» Bisher sei Arbonia im Markt mit einem Dutzend Marken vertreten, aber: «Wir lancieren Arbonia als neue Marke für Türen. Wir wollen Arbonia in den nächsten Jahren zur begehrtesten Türmarke Europas machen.»
Türen neu denken – auch digital
Neben dem Branding treibt Claudius Moor auch die Digitalisierung konsequent voran. Türen sind für ihn mehr als ein statisches Produkt, sie werden zunehmend zu intelligenten Schnittstellen. «Das Öffnen der Wohnungstür mit dem Smartphone ist ein Trend, den wir ganz klar sehen», sagt er. Deshalb hat Arbonia eine 50 Prozent-Beteiligung am Keyless-Access-Pionier KIWI erworben. Moor geht es um ganzheitliche Lösungen weit über die Produktion hinaus. «Wir wollen unsere Kunden über den gesamten Lebenszyklus einer Tür begleiten», erklärt er. «Im Unterschied zu anderen Anbietern, die einfach Türen herstellen und liefern, haben wir mit dem Arbonia-Ökosystem einen Ansatz entwickelt, der auch bei Planung, Service, Wartung und Ersatz mitdenkt.»
So ist im Laufe der Zeit ein Netzwerk aus Architekten, Partnern wie KIWI und Zulieferern entstanden, das Arbonia systematisch mit dem Markt verzahnt. «Im Vergleich zu unseren Mitbewerbern sind wir sehr innovativ», sagt Moor – auch weil er bewusst eine Kultur des Risikos fördert: «Innovation entsteht nur, wenn man Risiken eingeht. Wenn zwei von fünf Ideen funktionieren, ist das besser, als keine Risiken einzugehen.»
Offen für neue Türen
Trotz aller Zielstrebigkeit bleibt Claudius Moor offen für Unvorhergesehenes: «Man muss stets offen sein für neue Herausforderungen und Ideen – und ein hohes Mass an Flexibilität mitbringen. Wenn man nur stur dem Masterplan folgt, verpasst man viele grossartige Chancen.» Die Richtung ist klar, aber nicht starr: Arbonia will künftig nicht nur Türen herstellen, sondern Lebensräume mitgestalten – sicher, nachhaltig und intelligent zugänglich. Moor hat das Unternehmen mit Entschlossenheit transformiert. Nun öffnet er die nächste Tür – zur europäischen Marktführerschaft.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer