Kolumne

Vom Risiko der Freiheit

Vom Risiko der Freiheit
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Der französische Humanist, Arzt und Schriftsteller François Rabelais hat 1537 im Roman «Gargantua» eine Idealvorstellung von freiheitlicher Erziehung beschrieben. Seine utopische Kloster-Schule trägt auf Altfranzösisch die Inschrift «Fais ce que voudras», «mach, was du willst». Das ist ein radikales Bekenntnis zur Freiheit – ohne jede Zusätze und Adjektive.

Schon Rabelais wusste um die Provokation, die in dieser Maxime steckt. Wer sie nämlich als Erzieher vorbehaltlos anwendet, wird bald einmal bemerken, dass er ohne den Zusatz «Mach, was du willst, aber du musst die Folgen tragen» nicht auskommt. Und der besorgte Erzieher wird noch einiges an Zeit und Energie investieren, um auf mögliche Folgen aufmerksam zu machen und allenfalls davor zu warnen.

Der Entscheid muss aber stets selbst getroffen werden, wenn er persönliche Verantwortung zur Folge haben soll. Keine Freiheit ohne Verantwortung und keine Verantwortung ohne Freiheit. Inwiefern Ermahnungen und Warnungen tatsächlich beachtet werden, bleibt offen. Das gehört zum Risiko des Unternehmens «Erziehung» und des Unternehmens «Führung».

Freiheit ist ein «gegenseitiges Zutrauen» und eine «gegenseitige Zumutung mit offenem Ausgang» – ein Risiko. Das ist die Lehre, die sich aus der radikal freiheitlichen Maxime von Rabelais ziehen lässt.

Freiheit ist nicht nur als allgemeine Maxime, sondern auch als alleiniges Lebensmotto riskant, wenn sie nicht mit einer im weitesten Sinn pädagogischen Maxime verknüpft wird: «Du bist frei, entscheide selbst, aber du musst die Folgen tragen, d. h. die Verantwortung für deine Entscheide übernehmen.» Nur durch die Verknüpfung der Freiheit mit Verantwortung erlangt das Prinzip Freiheit seine nachhaltige Wirkung.

In der Sprache der Juristen klingt das so: Privatautonomie funktioniert nur, wenn die Vertragsfreiheit mit Haftpflicht für schädigendes Verhalten verknüpft bleibt.

Text: Robert Nef

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