Rütliwiese statt Champs-Élysées

Die Art und Weise, wie wir den 1. August feiern, sagt mehr über die Schweiz aus als tausend Worte. Den inoffiziellen Höhepunkt der Feierlichkeiten bildet die Bundesfeier auf der Rütliwiese mit einer Rede der Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten. Das war’s auch schon.
Ganz anders das Ausland: Frankreich beispielsweise feiert sich mit einer Truppenparade auf der Champs-Élysées. Dieses Jahr nahmen am 14. Juli insgesamt 7000 Männer und Frauen an der Parade teil, ausserdem 102 Flugzeuge und Hubschrauber sowie 200 Pferde. Präsident Emmanuel Macron liess sich in einem gepanzerten Militärfahrzeug vorfahren.
Die Selbstinszenierung staatlicher Macht ist in den meisten Staaten dieser Welt das entscheidende Element des Nationalfeiertages. Im Gegensatz dazu die Schweiz: Hier gibt es keinen staatlich organisierten Grossanlass. Unsere Armee bleibt in ihren Kasernen, die Panzer im AMP. Gefeiert wird in den Gemeinden, mit etwas Feuerwerk und Lampions für die Kinder.
Dazu passt, dass der 1. August erst seit 1993 schweizweit als Feiertag begangen wird. Hinter unserem Bundesfeiertag steht eine Volksinitiative und nicht eine Beschlussfassung der Regierung oder des Parlamentes. Die Schweiz funktioniert anders. Unser politisches System ist von unten nach oben aufgebaut.
In der direkten Demokratie hat das Volk das letzte Wort. Selbst dann, wenn es um die Einführung eines Bundesfeiertages geht. Diese besondere politische Kultur macht den Sonderfall und das Erfolgsmodell Schweiz aus. Dazu müssen wir Sorge tragen. Nicht mit grossen Worten und Truppenparaden, sondern mit unserem Engagement für unsere Gemeinden, für unsere Schulen und unsere Nachbarschaft.
Text: Michael Götte