Ostschweiz

Ist Elektro tot?

Ist Elektro tot?
Lesezeit: 6 Minuten

Aus dem aktuellen LEADER: Wohin steuert die Mobilität der Zukunft? Lukas Hörler, Standortleiter St.Gallen der Hedin-Gruppe (BMW, Mini), Bruno Jäger, Verwaltungsratspräsident der Liga Wil (Mercedes-Benz, Fiat, Alfa Romeo, Abarth, Jeep, VW) und Gregor Bucher, CEO der St.Galler City-Garage (Renault, Dacia, Alpine, Hyundai, Porsche) teilen ihre Perspektiven zur Zukunft der Antriebstechnologien im Automobilsektor. Und sind sich in den meisten Punkten einig.

Text: Stephan Ziegler

Nachdem in den vergangenen Jahren viel über den Elektromotor geschrieben – und noch mehr in ihn investiert – wurde, zeigt das Bild auf unseren Strassen eine andere Wirklichkeit: 90 Prozent sind immer noch Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Ist die Elektromobilität nur ein (vorübergehender) Hype? Nein, sagt Gregor Bucher: «Die Elektromobilität ist da und wird nicht wieder gehen. Sie wird einfach mehr Zeit benötigen. Es sind Themen wie Ladeinfrastrukturen, die besser gelöst werden müssen.»

Der City-Garage-CEO weist darauf hin, dass viele Hersteller ihre Werke bereits umgerüstet hätten und individuelle Mobilität, unabhängig vom Antrieb, weiterhin ein grosses Bedürfnis der Bevölkerung sei. Bucher betont die Notwendigkeit, die Ladeinfrastruktur insbesondere für Mieter auszubauen, da diese einen Grossteil der Wohnbevölkerung ausmachen.

«Die Elektromobilität ist gekommen, um zu bleiben.»

Kein vorübergehender Hype

Bruno Jäger unterstützt diese Ansicht und ergänzt, dass die Einführung von Elektrofahrzeugen auf der Suche nach umweltfreundlicherer Mobilität basiert. «Dieser Grund wird bestehen bleiben, weshalb die Elektromobilität nicht nur ein vorübergehender Hype ist. Das Tempo der Einführung verlangsamt sich aber», erklärt Jäger. Der Liga-Verwaltungsratspräsident sieht in der Elektromobilität eine nachhaltige Lösung für die Zukunft, auch wenn die Geschwindigkeit ihrer Einführung variiert.

Auch Lukas Hörler hebt hervor, dass die Elektromobilität für BMW keine vorübergehende Modeerscheinung sei, sondern eine zentrale Säule der zukünftigen Mobilität darstelle. «BMW investiert kontinuierlich in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen und hat mit Modellen wie dem BMW i3 und BMW i8 bereits Massstäbe gesetzt. Ab 2025 wollen wir das mit der ‹Neuen Klasse› erneut.» Der Standortleiter St.Gallen und Chief Sales Officer der Hedin-Gruppe fügt an, dass BMW einen technologieoffenen Ansatz verfolge, der verschiedene Antriebsvarianten flexibel produziert, um den unterschiedlichen Marktanforderungen gerecht zu werden.

Also werden Elektroautos nicht nur verkauft, weil sie von der Industrie in den Markt gedrückt werden; schliesslich müssen deren Investitionen in Antriebs- und Batterietechnologie amortisiert werden? Lukas Hörler verneint und erklärt, dass der Eindruck, Elektroautos würden nur wegen der Industrienachfrage verkauft, zu kurz greife. «Es gibt mehrere Gründe, die aufzeigen, dass Elektrofahrzeuge ein echtes Bedürfnis der mobilen Bevölkerung sind: Umweltbewusstsein, Kosteneffizienz, regulatorische Anreize, technologische Fortschritte, Infrastrukturentwicklung und Fahrspass.» Diese Aspekte trügen dazu bei, dass Elektrofahrzeuge zunehmend als attraktive Alternative wahrgenommen werden.

Gemeinsam für die Energiezukunft  ZbW  
Lukas Hörler
Lukas Hörler

Auto bleibt gefragt

Auch Bruno Jäger sieht im Bedürfnis nach nachhaltigem und umweltschonendem Fahren mit weniger CO₂-Ausstoss einen wesentlichen Treiber für die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in der Bevölkerung. «Die Menschen möchten ihren Beitrag zur Reduktion des CO₂-Ausstosses leisten und sehen in Elektrofahrzeugen eine Möglichkeit, dies zu tun», unterstreicht Jäger.

Gregor Bucher ergänzt, dass auch politische Rahmenbedingungen die Entwicklung vorantreiben. «Die Unternehmungen sind gefordert, die technologischen Voraussetzungen zu schaffen, um die vorgegebenen Ziele zu erfüllen. Das Bedürfnis ist die individuelle Mobilität; dieses kann mit einem Verbrenner oder E-Auto befriedigt werden», erläutert Bucher. Er verweist auf eine Langzeitstudie der Universität St.Gallen, die belegt, dass das Auto aufgrund seiner räumlichen und zeitlichen Flexibilität weiterhin eine zentrale Rolle in der Mobilität spielen werde. Sind aber Verbrennungsmotoren nicht eigentlich nachhaltiger, wenn man den gesamten Lebenszyklus anschaut?

Lukas Hörler erläutert, dass die Nachhaltigkeit von Elektrofahrzeugen stark davon abhänge, wie der Strom produziert wird. «Elektrofahrzeuge sind in den meisten Fällen nachhaltiger als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren – sofern der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Trotz der höheren Umweltkosten bei der Herstellung sind sie aufgrund der geringeren Betriebsemissionen langfristig umweltfreundlicher.» Hörler betont, dass oft Mythen rund um die Elektromobilität kursieren, wie etwa der hohe Wasserverbrauch für die Lithiumgewinnung, der jedoch im Vergleich zu anderen Alltagsprodukten relativiert werden könne: «Das Lithium für die Batterie eines BMW iX1 benötigt 4000 Liter Wasser – gleich viel wie zehn Avocados.»

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Bruno Jäger
Bruno Jäger

Energiequellen nachhaltiger gestalten

Bruno Jäger bestätigt, dass Elektrofahrzeuge nur eine bessere Klimabilanz hätten, wenn zumindest ein Teil des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammt. «Die Klimabilanz eines Elektrofahrzeuges ist unter anderem davon abhängig, wie der Strom produziert wird.» Jäger sieht daher eine Notwendigkeit, die Energiequellen für die Stromproduktion nachhaltiger zu gestalten, um die Vorteile von Elektrofahrzeugen voll auszuschöpfen.

Gregor Bucher weist darauf hin, dass die Bewertung der Nachhaltigkeit oft von der Perspektive der Studie abhängt. «Ein E-Auto stösst grundsätzlich weniger CO₂ aus – doch ob es richtig ist, ein produziertes Fahrzeug sofort durch ein E-Auto zu ersetzen, muss jeder für sich selbst beantworten.» Er erwähnt auch die bisher ungelösten Herausforderungen, die mit der globalen Verbreitung von Elektrofahrzeugen verbunden sind, insbesondere in Regionen ohne ausreichende Ladeinfrastruktur.

Also könnte der Verbrennungsmotoren durch technologische, wirtschaftliche und politische Entwicklungen tatsächlich ein Revival erleben? Für Lukas Hörler liegt ein «Comeback» der Verbrennungsmotoren im Bereich des Möglichen. «Effizientere Motoren und klimaneutrale synthetische Kraftstoffe könnten dazu beitragen.» Hörler betont jedoch, dass die langfristige Trendrichtung klar auf eine nachhaltigere und emissionsärmere Mobilität ausgerichtet bleibe, in der Elektrofahrzeuge eine zentrale Rolle spielen werden.

«Das Lithium für die Batterie eines BMW iX1 benötigt 4000 Liter Wasser – gleich viel wie zehn Avocados.»

Gregor Bucher
Gregor Bucher

2026 ist «EU-Kassensturz»

Auch Gregor Bucher ist skeptisch: «Ich denke eher nicht, dass Verbrennungsmotoren ein Revival erleben werden. Die Elektromobilität ist gekommen, um zu bleiben – doch die bisherige Technologie muss weiterhin entwickelt werden, um den Übergang zu gewährleisten.» Bucher weist darauf hin, dass es bis 2026 eine Bestandsaufnahme und Überprüfung der Gesetze auf EU-Ebene geben wird, die die Entwicklungen im Bereich der Antriebstechnologien beeinflussen könnten.

Bruno Jäger betont, dass die zukünftige Entwicklung der Antriebstechnologien von vielen Faktoren abhänge, darunter technologische Weiterentwicklungen und politische Entscheidungen. «Aktuell wird vor allem in die Entwicklung von Eletroantrieben investiert, weil auch die Politik diese Entwicklung begünstigt.» Jäger sieht in der politischen Unterstützung einen «wesentlichen Faktor» für die Weiterentwicklung und Verbreitung der Elektromobilität.

Alle drei Experten sind sich einig, dass die Elektromobilität eine zentrale Rolle in der Zukunft des Automobilsektors spielen wird. «Berichte über das ‹Ende› von Elektroautos sind weitgehend übertrieben», sagt Lukas Hörler. Damit sie das könne, sei es aber wichtig, dass «Forschung und Entwicklung nicht zu stark durch staatliche Regulierungen beeinflusst» werde.

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«Die Euphorie ist der Realität gewichen.»

Verbrennungsmotoren für den Übergang

Dass die Elektromobilität weltweit unterschiedlich schnell voranschreite und die bisherige Technologie weiterentwickelt werden müsse, ist für Gregor Bucher klar. «Die Euphorie ist der Realität gewichen, doch der eingeschlagene Weg wird weiterverfolgt werden.» Bucher betont die Notwendigkeit, weiterhin in effiziente Verbrennungsmotoren zu investieren, um den Übergang zu gewährleisten.

Und Bruno Jäger ist sich sicher, dass es eine Weiterentwicklung des Elektroantriebs sowie massive Investitionen in die Stromproduktion und Ladeinfrastruktur benötige, um die Zukunft der Elektromobilität zu sichern. «An ein ‹Ende› vom Elektroauto glaube ich nicht. Es braucht jedoch eine Weiterentwicklung des Antriebs, damit dieser effizienter – und das Fahrzeug günstiger wird.»

Zum Thema Wasserstoff-elektrische Fahrzeuge erklärt Hörler: «Dessen enorme Bedeutung unterstreicht auch Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW AG. Wasserstoff wird als vielseitige Energiequelle eine Schlüsselrolle bei der Energiewende und dem Klimaschutz spielen.» Die ersten Fahrzeuge des BMW iX5 Hydrogen sind seit Anfang 2023 auf den Strassen unterwegs; die Pilotflotte wird weltweit von diversen Zielgruppen zu Erprobungs- und Demonstrationszwecken eingesetzt. «Allerdings begrenzen hohe Kosten, Infrastrukturmängel und Energieeffizienz derzeit den Erfolg von Wasserstofffahrzeugen», bedauert Lukas Hörler.

«An ein ‹Ende› vom Elektroauto glaube ich nicht.»

(Noch) kein vielseitiges Produktangebot

Auch Bucher beobachtet, dass die Wasserstoff-Technologie im PW-Bereich derzeit eine unbedeutende Rolle spielt und das Netz an Wasserstofftankstellen erst im Aufbau ist. «Man muss aber auch erwähnen, dass erst zwei Hersteller Fahrzeuge für Kunden anbieten, die im Alltag funktionieren. Von einem vielseitigen Produktangebot kann man also (noch) nicht sprechen.» Bucher sieht die Anwendung von Wasserstoff zurzeit eher im Schwerverkehr oder der Luftfahrt.

Jäger stimmt zu, dass die Produktion von Wasserstoff aktuell sehr energieintensiv und der Wirkungsgrad gering sei. «Es braucht viel mehr Energie, um ein Auto zu bewegen.» Auch er sieht in der Weiterentwicklung der Technologie und Infrastruktur die grössten Herausforderungen für den Durchbruch der Wasserstoffmobilität.

Die vom LEADER befragten Experten sind sich einig, dass die Elektromobilität trotz Herausforderungen und notwendigen Weiterentwicklungen eine zentrale Rolle in der zukünftigen Mobilität spielen wird. Die Rolle von Wasserstoff als zukünftige Antriebstechnologie wird zwar anerkannt, jedoch sehen unsere Experten noch erhebliche Herausforderungen in der Umsetzung: Hohe Kosten, mangelnde Infrastruktur und Energieeffizienz sind Faktoren, die den breiten Einsatz von Wasserstofffahrzeugen derzeit begrenzen.

Insgesamt bleibt die langfristige Zukunft des Automobilsektors von einer Diversifizierung der Antriebstechnologien geprägt, wobei sowohl Elektrofahrzeuge als auch Wasserstofffahrzeuge ihren Platz finden werden. Die Entwicklung hin zu nachhaltigeren und emissionsärmeren Antrieben wird weiterhin im Fokus stehen, unterstützt durch technologische Innovationen und politische Massnahmen.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer, Pixabay

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