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Herisauer Holzhäuser als Hoffnungsträger

Herisauer Holzhäuser als Hoffnungsträger
Martin Huber
Lesezeit: 4 Minuten

Im Frühjahr 2022 zog sich die russische Armee aus dem Norden der Ukraine zurück. Zurück blieben zerstörte Häuser und verzweifelte Menschen. Der Appenzeller Unternehmer Martin Huber konnte diese Zerstörung hautnah miterleben – und handelte.

Martin Huber ist ehemaliger Inhaber und Geschäftsführer der Firma Huber Fenster in Herisau. Vor einigen Jahren hat er das Unternehmen seinen Söhnen übergeben und führt seitdem die Firma «Divario Ukraine», die seit 20 Jahren Eichen-Fensterkanteln herstellt. Als er im April 2022 die riesige Zerstörung in der Ukraine sah, wurde ihm klar, dass dringend Hilfe benötigt wurde. «Mein erster Gedanke war: Wo sollen die Menschen, deren Häuser zerstört wurden, im Winter leben? Wir müssen ihnen helfen!», erinnert sich Huber.

Vom Fensterbauer zum Lebensretter

Um den Betroffenen zu helfen, entschied sich Huber, seine Fähigkeiten im Holzbau einzusetzen. Er nahm Kontakt mit Enrico Uffer von der Firma Uffer Holzbau in Savognin auf, die für ihre hochwertigen Holzmodulhäuser bekannt ist. Uffer war von der Idee, mit Holzwohnmodulen zu helfen, begeistert und entwarf ein erstes einfaches Haus für eine Familie. Nach der Überprüfung der Materialverfügbarkeit in der Ukraine wurde ein Musterhaus in Savognin gebaut.

Die Ausbildung von vier ukrainischen Mitarbeitern, die sich zu dieser Zeit in der Schweiz aufhielten, war ein zentraler Bestandteil des Projekts. Sie lernten in Savognin von Grund auf, wie Materiallisten erstellt, Wohnmodule produziert und aufgebaut werden. Dieses erste und einzige in der Schweiz hergestellte Musterhaus wurde im Hauptbahnhof Zürich ausgestellt und zog grosse Aufmerksamkeit auf sich; auch die SRF-Sendung «10 vor 10» berichtete.

Nach drei Tagen wurde das Haus abgebaut, auf einen LKW geladen und in die Ukraine transportiert. Nur dreieinhalb Monate nach der Idee konnte eine Mutter mit ihren Kindern in das neue Haus einziehen. Kostenpunkt für ein solches Haus: rund 23´500 Franken.

Ein neues Zuhause auf 35 Quadratmetern

Die erste Version der Wohnmodule in Holzkonstruktion bietet auf 35 m² Platz für eine Familie. Es gibt einen Eingangsbereich mit Garderobe, einen Küchen- und Wohnbereich, ein Schlafzimmer und ein Badezimmer mit Dusche, Lavabo und WC. «Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und modernste Haustechnik zeichnen diese langlebigen Wohnmodule in Holz aus», erklärt Huber. Die Häuser werden bezugsbereit übergeben, komplett ausgestattet mit Möbeln, Betten, Matratzen, Waschmaschine und Boiler.

Für die Planung und Herstellung der Wohnmodule benötigten Huber und sein Team Unterstützung von einem erfahrenen Holzbauer. Enrico Uffer kannte Huber von vielen gemeinsamen Projekten im Engadin, wo sie oft Hubers Fenster in Uffers Holzkonstruktionen einbauten. «Die Materialien für die Häuser stammen überwiegend aus der Ukraine», erklärt Huber. «Die OSB-Platten liefert Swisskrono, eine Schweizer Firma, die 250 km von der Produktionsstätte entfernt ist. Sanitärsysteme werden von Geberit geliefert, die 160 km entfernt ist. Das Holz für die Ständerkonstruktionen stammt aus den umliegenden Wäldern, und auch die verzinkten Schraubfundamente sowie die Fenster sind ukrainischer Herkunft.»

Zur Finanzierung gründete Huber den Verein Ukraine-Hilfe, der im Handelsregister eingetragen ist und ehrenamtlich verwaltet wird. «Jeder Spendenfranken fliesst voll in den Bau der Module in der Ukraine», betont Huber. Die ersten hundert Häuser wurden im Norden der Ukraine aufgebaut; aktuell werden die ersten Module für die Region Cherson gebaut, die noch immer stark unter der Kakhova-Dammbruch-Tragödie leidet.

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«Mein erster Gedanke war: Wo sollen diese Menschen im Winter leben?»

Logistische Herausforderungen meistern

Die Herstellung der Häuser in der Ukraine ist effizient organisiert: Ein kleines Haus wird komplett in der Produktion fertig gestellt und kann je nach Entfernung in sechs bis acht Tagen zum Standort transportiert werden. Huber erklärt: «Es wurde nur das erste Haus in der Schweiz bei Uffer Holzbau AG in Savognin gebaut. Die anderen 104 bis jetzt gebauten Häuser wurden in der Ukraine hergestellt.»

Und das war teilweise ziemlich anspruchsvoll, wie Martin Huber sich erinnert: «Im ersten Winter fielen die Temperaturen unter 20°Celsius. Wir hatten noch keine Halle und mussten deshalb die Arbeiten an den Wohnmodulen unterbrechen. Noch schlimmer waren die Stromunterbrüche: Um Mitternacht hatten wir drei bis vier Stunden lang Strom, am Morgen und Nachmittag jeweils eine bis anderthalb Stunden. Die Mitarbeiter waren aber sehr flexibel. Sie erschienen sofort zur Arbeit, wenn es Strom gab.»

«Jeder Spendenfranken fliesst voll in den Bau der Module in der Ukraine.»

Hilfe dort, wo sie am meisten gebraucht wird

Der Bedarf an Wohnraum ist eines der Hauptkriterien für die Auswahl der Gebiete, in denen neue Häuser gebaut werden sollen. Cherson beispielsweise benötigt dringend über 1000 Wohnmodule. Huber beschreibt die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden als äusserst positiv: «Wir können über die Zusammenarbeit auf Gemeindeebene nur Gutes berichten. Alle sind sehr dankbar über diese Häuser.»

Die persönlichen Kontakte sind entscheidend für den Erfolg des Projekts. Viele Menschen, die Huber getroffen hat, beeindruckten ihn tief. «Etwa die Gemeindepräsidentin, die während der russischen Besatzung jeden Abend in einem anderen Haus versteckt war und heute grosse Anstrengungen unternimmt, um gestohlene Fahrzeuge zu ersetzen.»

Visionen für die Zukunft

Bis dato wurden in der Ukraine 100 solcher Holzhäuser errichtet. Hubers langfristiges Ziel ist es, das Projekt auf andere kriegsversehrte Regionen auszudehnen. «Natürlich möchten wir unser Engagement auf dem Gebiet im Süden bei Cherson langfristig planen. Die Möglichkeiten werden durch unsere Finanzen gesetzt. Versiegen einmal die wertvollen Spenden aus der Schweiz, werden wir keine Module mehr bauen können», erklärt der Herisauer. Er schliesst mit einem hoffnungsvollen Ausblick: «Unsere Hilfe vor Ort leistet auch einen Beitrag gegen die Auswanderung. So können die Menschen in ihrer Heimat bleiben und ein neues Zuhause finden.»

Text: Patrick Stämpfli

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer , zVg

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