Ostschweiz

Warum das Appenzellerland zu den «Corona-Profiteuren» gehört

Warum das Appenzellerland zu den «Corona-Profiteuren» gehört
Guido Buob
Lesezeit: 7 Minuten

Rund zwei Jahre ist es her, seit der Bundesrat die Coronamassnahmen in der Schweiz aufgehoben hat. Unter diesen Massnahmen litt auch der Ostschweizer Tourismus stark, der sich aber erstaunlich schnell wieder erholt hat – nicht nur im Appenzellerland.

2023 wurden in der Schweiz 42 Millionen Logiernächte gezählt. Ein Rekord, wie sich Martin Nydegger, Direktor Schweiz Tourismus, im Februar dieses Jahres freute. Die Branche habe sich unmissverständlich als eine der tragenden Säulen der Schweizer Wirtschaft etabliert, so Nydegger. Sie gehöre zu den fünf bedeutendsten Exportbranchen des Landes. Auch in den Ostschweizer Tourismusregionen hat sich die Situation nach Corona grösstenteils wieder entspannt, wie eine LEADER-Umfrage zeigt.

Mehr Logiernächte als vor Corona im Appenzellerland

«In unserer Destination entwickelten sich die Frequenzen äusserst positiv. Gegenüber 2019 wurden in der Hotellerie im vergangenen Jahr rund 20 Prozent mehr Ankünfte verzeichnet», sagt Thomas Kirchhofer, Direktor von St.Gallen-Bodensee Tourismus. Im Thurgau wurden bereits 2022 fast wieder gleich viele Ankünfte verzeichnet wie 2019. «2023 konnte dieser Wert sogar noch gesteigert werden», freut sich der Geschäftsführer von Thurgau Tourismus, Rolf Müller. Auch im Toggenburg übernachteten im vergangenen Jahr wieder mehr Besucher. «Nach einem jahrelangen Rückgang der Hotellogiernächte bis 2017, ist seither – die Coronajahre ausgenommen – eine leichte Steigerung erkennbar. 2023 zählte die Toggenburger Hotellerie erstmals wieder mehr als 130´000 Nächtigungen», sagt Christian Gressbach, Geschäftsführer von Toggenburg Tourismus.

Heidiland Tourismus kann keine genauen Zahlen nennen, weil nicht über alle Bereiche der touristischen Wertschöpfung konkrete Zahlen vorliegen, die exakte Vergleiche erlauben. «Mit einer stabilen Nachfrage im Übernachtungsbereich und sehr guten Zahlen bei zahlreichen Anbietern im Tagestourismus-Bereich dürfen wir aber von einer sehr erfreulichen Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren sprechen», erklärt Orlando Bergamin, Geschäftsführer der Heidiland Tourismus AG. Die Appenzellerland Tourismus AG (Appenzell Ausserrhoden) will keine Zahlen nennen, weil gemäss Geschäftsführer Andreas Frey «Aussagen zu diesem Kontext von Journalisten oft so dargestellt werden, dass der Leser impliziert, dass die Destinations-Organisation einen Einfluss auf solche Zahlen habe, was nicht der Fall ist». Dies ist selbstverständlich nicht das Ziel dieses Artikels. Es soll lediglich aufgezeigt werden, wie es dem Tourismus im Appenzellerland und im Rest der Ostschweiz, zwei Jahre nach Corona, aktuell geht. Frey verweist für Zahlen zu Logiernächten auf das Bundesamt für Statistik. Gemäss diesem wurden in Ausserrhoden im vergangenen Jahr 119´314 Logiernächte verzeichnet. Das sind etwas mehr als in den Jahren 2019, 2020 und 2022, aber fast 4500 weniger als 2021 (123´796).

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«In unserer Destination entwickelten sich die Frequenzen äusserst positiv.»

Im Gegensatz zu seinem Ausserrhoder Kollegen gibt Guido Buob, Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus AI, deutlich offener Antwort: «Appenzell gehörte als eine der wenigen Destinationen zu den ‹Corona-Profiteuren›, was die Anzahl Logiernächte angeht. Insbesondere das Jahr 2021 war bei uns mit 188´699 Logiernächten ein absolutes Rekordjahr. Waren es vor Corona immer um die 160´000 Logiernächte sind es nun um die 180´000.» Dies habe aber nicht nur mit Corona zu tun, sondern auch mit den Investitionen der Beherberger und Anbieter touristischer Leistungen, so Buob.

Mehrheitlich Gäste aus der Schweiz

Die überwiegende Mehrheit der Gäste, die vor und nach Corona in die Ostschweiz gereist sind, stammt aus der Schweiz. Im Thurgau beträgt deren Anteil heute wieder rund 70 Prozent, in Appenzell Innerrhoden und dem Toggenburg sogar 80 Prozent. «Diese Zahlen haben sich im Vergleich zu den Jahren vor Corona praktisch nicht verändert», sagt Christian Gressbach, der den inländischen Markt für das Toggenburg als entscheidend bezeichnet.

Auch in der Region Heidiland waren und sind es hauptsächlich die Schweizer Gäste, die die Hotellerie am Leben erhalten. «Wie bereits vor der Pandemie stammt der Löwenanteil von Tages- und Übernachtungsgästen aus der deutschsprachigen Schweiz. Dieser Anteil hat sich nicht signifikant verändert. Gerade während der Pandemie konnten wir – dank treuer Besucher aus der Schweiz – praktisch gleich viele Gäste wie vor der Pandemie in unserer Region begrüssen», sagt Orlando Bergamin. Nach den Schweizern folgen in den meisten anderen Destinationen primär Gäste aus Deutschland, Österreich, Italien, den Beneluxstaaten und den USA.

Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei St.Gallen-Bodensee Tourismus: Dort wurde bei den Gästen aus Italien ein Rückgang von 1,6 Prozent verzeichnet, bei jenen aus Österreich sogar von 24 Prozent. «Dafür brillieren mit einem Zuwachs von über 30 Prozent die USA und natürlich auch der Binnenmarkt Schweiz» erklärt Thomas Kirchhofer.

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Christian Gressbach, Orlando Bergamin, Rolf Müller, Thomas Kirchhofer
Christian Gressbach, Orlando Bergamin, Rolf Müller, Thomas Kirchhofer

Gäste sollen länger in Innerrhoden bleiben

Bei der durchschnittlichen Verweildauer der Gäste in der Ostschweiz zeigt sich ein unterschiedliches Bild: Während sie in Appenzell Innerrhoden während der Pandemie angestiegen ist, ist sie unterdessen wieder etwas zurückgegangen. «So gesehen herrscht wieder ‹Normalzustand›, wobei es natürlich ein erklärtes Ziel unsererseits ist, Gäste so lange wie möglich in der Destination halten zu können», sagt Guido Buob. Das Ziel sei drei Tage oder länger. Im Toggenburg liegt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Hotellerie bei 2,14 Nächten, in der Parahotellerie sogar weitaus höher. Im Vergleich zu anderen Ostschweizer Destinationen ist dieser Wert zwar hoch, für Christian Gressbach aber dennoch zu tief: «Diese Zahl muss zwingend erhöht werden, um mehr Wertschöpfung zu generieren und einen nachhaltigen Tourismus zu erlangen.»

In der Region Heidiland liegt die Verweildauer gemäss Orlando Bergamin seit Jahren im Schnitt beinahe unverändert bei etwas weniger als zwei Tagen. «Die Pandemie hatte hier keine spürbaren Effekte», so Bergamin. Im Thurgau haben im vergangenen Jahr zwar 205'125 Gäste in einem Hotel eingecheckt, was der drittbeste Wert der vergangenen 30 Jahre ist, aber sie blieben deutlich weniger lang, erklärt Rolf Müller. «Insgesamt gab es 1,5 Prozent weniger Logiernächte als im Vorjahr. So tief war die Logiernächtezahl – abgesehen vom Lockdownjahr 2020 – zuletzt 2006.»

Erfreut zeigt sich hingegen Thomas Kirchhofer über die steigende Zahl von Gästen, die in der Region St.Gallen-Bodensee nächtigen. «Der Wert stieg in unserer Region glücklicherweise um ein Prozent auf 1,87 Tage. Wir führen dies auf das deutliche Plus der USA-Gäste und zusätzliche Angebote im Freizeittourismus zurück.»

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«Der Löwenanteil der Gäste stammt aus der Schweiz.»

Wandern im Appenzellerland, Campen im Thurgau

Während im Appenzellerland und im Toggenburg bei den Gästen nach wie vor das Wandern an erster Stelle steht und man sich in diesem Segment auch entsprechend positioniert, verzeichnet man in der Region Heidiland und im Thurgau eine starke Zunahme beim Camping. «Die Campingplätze entwickeln sich erfreulich robust aufwärts», sagt Rolf Müller. «Dies erklärt sich mit einem allgemeinen Trend, aber auch mit Investitionen der Thurgauer Campingplätze ins eigene Angebot. Und mit dem Bubble-Hotel konnten wir in den vergangenen Jahren durchgehend eine Auslastung von fast 100 Prozent erzielen.» Und Orlando Bergamin von Heidiland Tourismus ergänzt: «Die Nachfrage nach dieser naturnahen und spontanen Art der Ferien- und Freizeitgestaltung ist nach wie vor gross.»

«Auch Velofahren, Genusserlebnisse und kulturelle Veranstaltungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit», erklärt Thomas Kirchhofer von St.Gallen-Bodensee Tourismus. Doch nicht nur, auch Wassererlebnisse werden von den Gästen vermehrt gesucht. Das gilt auch für die zweite Ostschweizer Tourismusregion mit Bodenseeanschluss, den Thurgau. «Die Sportart hat sich von der Trend- zur Breitenaktivität entwickelt. Thurgau Tourismus nutzt das Potenzial der Wassersportarten und erweitert das Angebot von PADL Bodensee auf die gesamte, 72 Kilometer lange Uferzone von Bodensee, Untersee und Rhein», erklärt Rolf Müller.

«Es herrscht wieder ‹Normalzustand›.»

Investitionen in die touristische Infrastruktur

Um für Gäste noch attraktiver zu werden, investieren die Ostschweizer Tourismusdestinationen in die Infrastruktur. In Appenzell Ausserrhoden investieren viele Leistungsträger laufend in die Infrastruktur. So hat etwa das Hotel Heiden das Seminarangebot mit dem Kronensaal erweitert – und in Urnäsch sollen 13 Millionen Franken in das Hotel Krone investiert werden. In Appenzell Innerrhoden gebe es laut Guido Buob wohl keinen Beherbergungsbetrieb oder Angebotsträger, der in den vergangenen zehn Jahren nicht in die Qualität der Infrastruktur investiert hätte. «Ich glaube sagen zu dürfen, dass hier die Leistungsträger im Kanton Appenzell Innerrhoden schweizweit einen Spitzenplatz einnehmen. Dies ist auch ein Hauptgrund für den touristischen Erfolg der Destination.»

«In der Region Heidiland dürfen wir auf innovative und mutige Leistungsträger zählen, die das touristische Angebot stetig weiterentwickeln», sagt auch Orlando Bergamin. Als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit nennt er die Erneuerung des Hof Ragaz in Bad Ragaz, den Ausbau der Beschneiungsanlagen am Pizol oder die Erweiterung der Flotte des Schiffsbetriebs Walensee. Im Toggenburg wurde in den vergangenen Jahren der Bau des Klanghaus Toggenburg vorangetrieben, das im Frühling 2025 seine Türen öffnen soll. Bereits in diesem Jahr, nämlich am 18. Mai, wird der erneuerte Klangweg eingeweiht, der seit 20 Jahren als touristisches Aushängeschild der Region gilt.

 

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«Die Campingplätze entwickeln sich erfreulich robust aufwärts.»

Und last, but not least erneuert die Toggenburger Bergbahn AG in Zusammenarbeit mit den Stararchitekten von Herzog und de Meuron die Talstation in Unterwasser.

Im Thurgau heisst eines der neuen touristischen Highlights «Rheinwelten». An diesem Projekt haben alle Tourismusregionen von der Quelle des Rheins bis nach Basel, wo der Fluss die Schweiz verlässt, mitgearbeitet. Dafür wurde die Velo- und E-Bike-Route Nr. 2 (Rhein-Route) neu inszeniert und beispielsweise mit einem digitalen Reisebegleiter ausgestattet. Auch wird im Thurgau immer wieder neu gebaut. «Im vergangenen Jahr konnte etwa das B-Smart-Hotel in Arbon mit gut 60 Zimmern neu eröffnen», freut sich Rolf Müller.

In der Region St.Gallen-Bodensee gewann laut Geschäftsführer Thomas Kirchhofer das Beherbergungsangebt dank neuen Betrieben an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Dies sowohl in St.Gallen als auch in Wil,

St.Margrethen oder dem Rheintal. «Und selbstverständlich besteht dank der neuen, flexiblen Halleninfrastruktur unserer St.Galler Kantonalbank Halle die glaubwürdige Basis für eine selbstbewusste Geschäftstourismus- und Eventstrategie für unseren Messe-, Kongress- und Eventstandort St.Gallen», so Kirchhofer.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: zVg

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