Gast-Kommentar

SNB darf sich nicht vom Markt treiben lassen

SNB darf sich nicht vom Markt treiben lassen
Thomas Stucki
Lesezeit: 2 Minuten

Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank, warnt vor den Folgen einer zu berechenbaren Geldpolitik der SNB. Im Hinblick auf den bevorstehenden Zinsentscheid am Donnerstag betont er die Notwendigkeit einer Zinssenkung, um Spekulationen zu begegnen und den Franken zu schwächen. Gleichzeitig plädiert er für mehr Flexibilität und Zurückhaltung in der Kommunikation zukünftiger geldpolitischer Schritte.

Text: Thomas Stucki

Am 12. Dezember 2024 wird die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen mit grosser Wahrscheinlichkeit um 0,25 % senken. Der Einlagesatz für die bei der EZB deponierten Gelder wird dann 3,00 % betragen. Zuvor am Vormittag wird die SNB ihren Zinsentscheid veröffentlichen. Auch sie wird ihren Leitzins mit ebenso grosser Wahrscheinlichkeit senken – ja, senken müssen.

Mit ihrer Kommunikation beim letzten Zinsentscheid im September und bei den zwischenzeitlichen Auftritten von Martin Schlegel hat sie diese Zinssenkungen angekündigt. Damit hat sie eine starke Spekulation auf sinkende Frankenzinsen ausgelöst. Diese zeigt sich vor allem in den Swap-Zinsen, dem liquidesten Instrument am Schweizer Kapitalmarkt. Sie sind so stark gefallen, dass der Renditeaufschlag zu den Eidgenossenanleihen auf wenige Basispunkte zusammengeschmolzen ist.

Sollte die SNB am Donnerstag den Zins nicht senken und den Markt enttäuschen, wird sie eine starke Reaktion bei den Zinsen und beim Franken auslösen. Die Swap-Zinsen würden deutlich steigen, und der Franken würde an Wert zulegen. Viele der aufgebauten Positionen auf sinkende Zinsen müssten aufgelöst werden, um die anfallenden Verluste zu begrenzen, was die Marktreaktion verstärken würde. Das wäre nicht im Interesse der SNB, die mit ihren in Aussicht gestellten Zinssenkungen den Franken schwächen möchte. Eine Zinssenkung von 0,25 % ist daher Pflicht.

Bekannte Folgen von Negativzinsen

Die SNB könnte mit Negativzinsen umgehen, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Dank der Freigrenze für die Banken, innerhalb derer ihre Giroguthaben bei der SNB von den Negativzinsen verschont blieben, konnte sie den Saron-Zinssatz nahe bei ihrem negativen Leitzins halten. Dennoch wurden Sparer und Anleger bestraft, die sich mit nichtexistenten oder zu tiefen Renditen auf risikoarmen Anlagen abfinden mussten. In einer neuen Negativzinsphase würde sich dieses Muster wiederholen.

Es wäre ratsam, wenn sich die SNB von der «Forward Guidance» verabschieden und die Märkte im Unklaren lassen würde, wie sie ihre Geldpolitik führen möchte. Gleichzeitig sollte sie die zur Verfügung stehenden Instrumente – Leitzins und Devisenmarktinterventionen – flexibel einsetzen. Sie muss und kann die Märkte am Donnerstag nicht mit dem Verzicht auf eine Zinssenkung überraschen. Im Ausblick sollte sie sich jedoch bewusst zurückhaltend zeigen und keine weiteren Zinssenkungen in Aussicht stellen.

Auch interessant

Unsicherheit macht sich breit – zu Unrecht
Gast-Kommentar

Unsicherheit macht sich breit – zu Unrecht

Frankreich steht nicht vor dem Konkurs
Gast-Kommentar

Frankreich steht nicht vor dem Konkurs

Es spricht einiges für US-Aktien
Gast-Kommentar

Es spricht einiges für US-Aktien