Neue Impulse sind gefragt

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Stagnierende Bevölkerung, Leerstände bei Mietwohnungen und Ladenflächen, Steuern auf Vorrat oder rückläufige Fahrgastzahlen beim öffentlichen Verkehr: In den vergangenen Jahren sorgte die Stadt St.Gallen nicht nur für positive Schlagzeilen. Der HEV hat deshalb mit einer Studie den Wohnstandort St.Gallen unter die Lupe genommen. In den Schlüsselbereichen Verkehr, Finanzen, Wohnungsbau und Standortattraktivität erkennt der HEV Handlungsbedarf, damit St.Gallen bald neue Impulse erfährt.

Beleuchtet wurden in der Studie des Büros Fahrländer Partner Raumentwicklung die Entwicklungen bei Bevölkerung, Wirtschaft, Wohnungsmarkt, Geschäftsflächenmarkt sowie Raumplanung und Infrastruktur im Vergleich mit anderen Städten. Der HEV hat im Grundlagenbericht verschiedene Handlungsfelder identifiziert und setzt bei der Stärkung des Wohnstandorts St.Gallen künftig auf vier Schlüsselbereiche.

Verkehr: S-Bahn-Konzept und 3. Röhre

Die Stadt St.Gallen weist im Vergleich mit anderen Schweizer Städten einen hohen Anteil von Haltestellen mit einer tiefen Taktfrequenz aus. Die zeitlich unvorteilhafte Verteilung der Stopps bei den Stadtbahnhöfen führt zudem zu einer ungenügenden Erschliessung der stark wachsenden Quartiere Winkeln, Haggen und Bruggen. Der HEV fordert deshalb, dass ein wirksames S-Bahn-Konzept eine bessere Abstimmung zwischen Fernverkehr, S-Bahn und städtischen Verkehrsbetrieben begünstigt. Die bestehenden Infrastrukturen können so zielgerichteter genutzt werden.

Die Studie zeigt auch auf, wie stark die Erreichbarkeit von St.Gallen vom motorisierten Individualverkehr abhängig bleibt: Im Umkreis von 15 Minuten Fahrzeit lassen sich mit dem öffentlichen Verkehr zwar rund 100'000 Personen erreichen, mit dem MIV vergrössert sich Erreichbarkeit markant auf rund 180'000 Personen. Vergrössert man den Umkreis weiter, erhöht sich das Verhältnis auf über Faktor zwei. Die Erreichbarkeit von St.Gallen durch qualifizierte Mitarbeiter, Kunden des Detailhandels und weitere Besucher muss deshalb auch über den MIV gewahrt bleiben. Bei den Verkehrsinfrastrukturen werden deshalb aus Sicht des HEV dem Bau der 3. Röhre durch den Rosenberg (A1) und der Spange Liebegg hohe Priorität eingeräumt.

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Finanzen: Steuerfuss am Kantonsmittel ausrichten

Einen hohen negativen Wanderungssaldo weist die Stadt St.Gallen insbesondere gegenüber den umliegenden Gemeinden auf. Gerade die Nähe zu Appenzell Ausserrhoden, wo einzelne Gemeinden mit tiefen Steuern locken, stellt eine grosse Herausforderung dar. Die Entwicklung des durchschnittlichen Reineinkommens in der Stadt St.Gallen zeigt, dass sich in den letzten Jahren Haushalte aus höheren Einkommensklassen vermehrt für einen Wegzug aus der Stadt St.Gallen entschieden haben. Dieser Verlust von sogenannt guten Risiken wird denn in der Studie als problematisch bezeichnet.

Damit wird auch die anhaltende Forderung des HEV gestärkt, dass sich der städtische Steuerfuss stärker am Kantonsmittel orientieren muss. Der Verband wird die Entwicklungen der Wanderungssaldi und die Entwicklung der Steuerkraft in Zukunft noch schärfer beobachten.

Wohnungsbau: urbane Wohnkonzepte für Familien und Kreative

Der Anteil der Gebäude aus der Bauperiode 1961-1970 ist in St.Gallen eher hoch. In der Regel genügen Gebäude aus dieser Zeitperiode den Anforderungen hinsichtlich Energiestandards und Grundrissen nicht mehr und sind teuer im Unterhalt. Im Vergleich zu anderen Schweizer Städten weist St.Gallen zwischen 2009 und 2017 tiefe durchschnittliche Investitionen pro Wohnung in Renovationen und Umbauten aus. Gerade die Gebäude dieser Bauperiode sind denn auch eine wesentliche Ursache für die im schweizweiten Vergleich hohen Leerstandsquoten in der Stadt St.Gallen. Deren Abbruch zur Neunutzung des Baulandes kann deshalb für die Stadt St.Gallen zielführend sein.

Vor allem der Wegzug von Familien trägt in St.Gallen zu den negativen Wanderungssaldi gegenüber den Gemeinden in der näheren Umgebung bei. Gleichzeitig ergeben sich für spezifische Nachfragesegmente mit gutem Bildungsniveau in St.Gallen Chancen, sofern Wohnungen mit grosszügigen und offenen Grundrissen in moderner Architektur in einem urbanen, trendigen Wohnumfeld geboten werden können. Im Rahmen weiterer Abklärungen wird der HEV deshalb urbane Wohnkonzepte für Familien und chancenreiche Nachfragersegmente entwickeln. Haus- und Grundeigentümer, Investoren, Spezialisten und Behörden werden so zusammengeführt, um in St.Gallen neue, moderne und zeitgemässe Wohnkonzepte zu realisieren. Hindernisse aus Denkmalschutz, Planungs- und Baurecht sollen identifiziert und reduziert werden. Gerade auch deshalb müssen die Vorzüge des neuen kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG) in der Stadt St.Gallen früher als geplant angewendet werden können.

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Standortattraktivität: Standort St.Fiden stärken

Wo Arbeitsplätze sind, wird auch gewohnt. Ein positiver Strukturwandel hin zu mehr wertschöpfungsintensiver Industrie und produktivitätsstarken Dienstleistungsbranchen war in St.Gallen in den letzten Jahren jedoch nicht zu beobachten. Wachstumstreiber des Beschäftigungswachstums waren von 2008 bis 2015 allen voran die sozialen und öffentlichen Dienste. Die Unternehmensdienstleistungen hingegen entwickelten sich beschäftigungsmässig entgegen dem schweizweiten Trend deutlich rückläufig.

Anlass zu Optimismus gibt die Tatsache, dass bei den Informatik- und Kommunikationstechnologien (ICT) die Beschäftigung in St.Gallen seit 2011 innert vier Jahren um 17 % bzw. 35 % gestiegen ist. Der HEV engagiert sich deshalb weiterhin für die Arealentwicklung beim Standort St.Fiden, damit an diesem Standort ein moderner Arbeits- und Wohnstandort mit Strahlkraft entwickelt werden kann. Für wertschöpfungsstarke Sektoren soll eine Sonderzone für Ansiedlungen unter Einbindung von HSG, ETH (EMPA), Medical Master (UNIZH/HSG) sowie OLMA geschaffen werden.

Die Studie «Wohnstandort St.Gallen» gibt’s hier zum Download: www.hev-stgallen.ch/studie-wohnstandort