It’s The Math, Stupid!

Text: Alessandro Sgro, Chief Investment Officer Cronberg AG
Verluste an den Finanzmärkten gehören zum Investieren wie Ebbe und Flut zum Ozean. Doch in stürmischen Phasen, wenn Kurse abrupt und rasant fallen, Schlagzeilen von Rezession und Krisen dominieren, stellen sich einige nicht nur die Frage, ob man investiert bleiben soll, sondern wie viel Performance nötig ist, um die Buchverluste wieder auszugleichen (Drawdown recovery).
Die erste Frage ist bei einer optimal auf die persönliche Situation abgestimmte Anlagestrategie meist irrelevant. Was für die Beantwortung der zweiten Frage viele nicht wissen: Verluste wirken nicht linear. Ein Minus von zehn Prozent lässt sich mit einem Plus von elf Prozent ausgleichen, was noch überschaubar ist. Doch bei fünfzig Prozent braucht es bereits eine Verdopplung, also einhundert Prozent, um wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukehren. Und ein Rückgang um achtzig Prozent erfordert gar eine Vervierfachung, ein Szenario, das für viele Portfolios kurz bis mittelfristig kaum mehr realistisch ist.
Diese Mathematik ist gnadenlos, und gerade deshalb ist sie so relevant. Wer in einer Marktkorrektur panisch reagiert und seine Positionen verkauft, realisiert Verluste, die sich nur mit aussergewöhnlicher Performance wieder aufholen lassen, sofern man überhaupt den Wiedereinstieg wagt. Doch genau dieser Moment wird oft verpasst, denn die Psychologie spielt Anlegern immer wieder denselben Streich.
Verlustangst ist ein mächtiger Treiber menschlichen Verhaltens. Studien zeigen: Der emotionale Schmerz eines Verlustes wiegt doppelt so schwer wie die Freude über einen gleich grossen Gewinn. Dieses Phänomen, bekannt als «Loss Aversion», erklärt, warum viele in turbulenten Zeiten instinktiv das Weite suchen. Doch dabei übersehen sie, dass die stärksten Tage an der Börse oft unmittelbar auf die schlechtesten folgen. Wer dann nicht investiert ist, verpasst die entscheidenden Erholungsimpulse, mit gravierenden Folgen für die langfristige Performance.
Es ist ein paradoxes Spiel: Diejenigen, die in Angst verkaufen, nehmen nicht nur den Verlust mit, sondern verschenken auch die Chance auf dessen Aufholung. Dabei ist die bessere Strategie so wirksam wie unspektakulär: Investiert bleiben, breit diversifizieren, regelmässig rebalancen und die Emotionen unter Kontrolle halten.
Historisch betrachtet sind es nicht die kurzfristigen Schwankungen, die den Anlageerfolg bestimmen, sondern das Durchhaltevermögen. Die Kapitalmärkte haben sich nach jeder Krise, sei sie politischer, wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Natur, immer wieder erholt. Wer langfristig investiert bleibt, profitiert nicht nur von der natürlichen Markterholung, sondern auch vom Zinseszinseffekt, der leise, aber stetig Vermögen aufbaut.
Die «Drawdown recovery» ist somit keine Drohung, sondern eine Mahnung zur Disziplin. Es zeigt auf, wie schnell man durch hektisches Handeln an Boden verliert und wie schwierig es ist, diesen zurückzugewinnen. Doch es erinnert auch daran, dass Ruhe, Weitsicht und ein klarer Anlageplan die besten Verbündeten für alle sind, die nicht dem Lärm der Märkte folgen, sondern dem leisen Rhythmus des langfristigen Wachstums vertrauen.