Appenzell Innerrhoden

Enespa ist trotz Millionen-Verlust zuversichtlich

Enespa ist trotz Millionen-Verlust zuversichtlich
Dr. rer. nat. Albert Paparo im Hightech-Labor in Tangstedt
Lesezeit: 5 Minuten

In einem fordernden Geschäftsjahr 2023 konnte die Enespa AG aus Appenzell strategisch entscheidende Eckpfeiler setzen und Schlüsselprojekte etablieren. Bei einem Umsatz von 4.16 Millionen Franken belief sich der Jahresverlust auf über 10.75 Millionen – als «Resultat der umfangreichen Aufbauarbeiten, von umfangreichen Finanzierungskosten und Bewertungskorrekturen auf immateriellen Anlagen und Beteiligungen».

Text: PD

Herausfordernd waren die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, allen voran die komplizierten, langwierigen Bewilligungsverfahren in der noch jungen Branche des chemischen Recyclings. So erscheint das Geschäftsjahr 2023 als Übergangsphase, in welcher das Fundament für Projekte und deren wirtschaftlichen Erfolg gelegt wurde. Die Anzahl der Mitarbeitenden in der gesamten enespa Gruppe hat sich gegenüber dem Vorjahr wenig verändert und bei 50 Vollzeitstellen eingependelt.

Neuer Standort bei Hamburg

Als wichtiger strategischer Schritt ist der Umzug der drei deutschen Enespa-Firmen nach Tangstedt bei Hamburg zu werten. Dort wurden alle vier Bereiche – Forschung und Entwicklung, Engineering, Anlagenbau, Labor – an einem neuen Standort vereint. Durch die Zusammenführung im Oktober 2023 ergaben sich weitreichende Synergien rund um die Technologien und Systeme für die Kreislaufwirtschaft.

Bereits während des Aufbaus konnten die erhoffte Standortqualität und eine professionelle Zusammenarbeit mit den Behörden und der Verwaltung erlebt werden. Sämtliche Kräfte rund um den Anlagenbau sind nun an einem Ort gebündelt. Dies ermöglicht «praktische» Forschung und Entwicklung über alle Geschäftsfelder hinweg. Das Anlagen-Portfolio kann in Tangstedt nationalen und internationalen Kunden präsentiert werden.

Der Verwaltungsrat der Enespa AG: Cyrill Hugi (VRP), Stefan Abele, Christian Hörler und Benjamin Richters
Der Verwaltungsrat der Enespa AG: Cyrill Hugi (VRP), Stefan Abele, Christian Hörler und Benjamin Richters

Entwicklung internationaler Märkte

In den USA wurde aufgrund des riesigen Marktpotenzials eine Partnerschaft forciert und konsequent entwickelt. Der Aufbau ist ressourcenintensiv, auch deshalb, weil künftige Kunden sehr eng begleitet und längerfristig gebunden werden sollen. Der Ansatz einer partnerschaftlichen Begleitung verspricht entscheidende Wettbewerbsvorteile und ein Fundament für zukünftiges Wachstum. Aus diesem Grund wurde die Enespa Technology USA gegründet. Der Markteintritt erfolgt Mitte 2024.

Die Märkte in den USA und in Australien sind gegenüber neuer Technologien aufgeschlossen, sind äusserst dynamisch und versprechen viel Potenzial. In Australien wuchs bereits ein Grossprojekt heran: Mit örtlichen Partnern und Behörden sowie Betrieben aus den Branchen Lebensmittel, Recycling, Verpackung, Raffinerie entsteht ein innovatives Vorzeigeprojekt der Kreislaufwirtschaft. Im Zentrum steht eine durch Enespa projektierte und gebaute Plastic-to-Oil-Anlage, deren Kapazität anfänglich 20 Tonnen pro Tag beträgt.

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Plastik-Recycling: Qualität steigert Auftragsvorlauf

Der Geschäftsbereich Pyrolyse-Anlagen für das chemische Plastik-Recycling verzeichnete mit dem erfolgreichen Abschluss des FAT-Test (Factory Acceptance Test) durch den international tätigen Warenprüfkonzern SGS SA aus Genf eine erfreuliche Entwicklung. Die Leistungstests haben im letzten Quartal 2023 stattgefunden und konnten im ersten Quartal 2024 erfolgreich abgeschlossen werden.

Diese Entwicklungsfortschritte widerspiegeln sich bereits in ersten Verkaufserfolgen von Anlagen in dieser Grössenklasse an Endkunden. Dementsprechend ist der Auftragsvorlauf im Anlagenbau erstmals auf ein kleineres bis mittleres achtstelliges Volumen angewachsen.

«Im Heimmarkt Deutschland haben wir erste strategische Erfolge erzielt und sind operational vielversprechend unterwegs.»

Cyrill Hugi, Enespa-CEO

Oil-to-Oil-Recycling: Erste Stufe der Leistungssteigerung genommen

Im Geschäftsbereich des Altöl-Recyclings und der Ölveredelung standen der Ausbau und die damit einhergehende Leistungssteigerung im Fokus. Die Output-Leistungen der Anlagen in Hoyerswerda, Deutschland, konnten von 300 kg pro Tag auf drei Tonnen pro Tag signifikant gesteigert werden.

Bereits vorbereitet und projektiert wurde eine Erweiterung auf eine Dimension von 10 Tonnen pro Tag. Diese Ausbau-Etappe ist für das laufende Jahr vorgesehen.

Hohe Aufbaukosten, anspruchsvolle Finanzierung

Der Aufbau eines marktfähigen Produktes und die Erschliessung erster Märkte sind mit hohen Aufbau- und Investitionskosten verbunden. Dabei fallen im Berichtsjahr 2023 insbesondere die Entwicklungskosten und der Aufwand für das Setzen von technologischen Standards ins Gewicht. Letzteres ist verbunden mit dem Aufbau und Zukauf von umfassendem Know-how, um die angestrebte Technologieführerschaft und die Positionierung als Pionier im Markt zu erreichen.

Teils handelt es sich dabei um Initialkosten, die in den Folgejahren nicht im gleichen Ausmass anfallen werden. Die Finanzierung von marktfähigen Produkten und deren Technologie – insbesondere in dieser noch jungen Branche – ist anspruchsvoll. Die Kapitalbeschaffung in dieser intensiven Wachstumsphase ist besonders herausfordernd und auch teuer. Im Weiteren sind die Finanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt.

Der Fokus im Jahr 2023 lag auf der Ausgabe von weiteren Aktien und dem Emittieren von neuen Anleihen. Diese Form der Mittelbeschaffung verursachte aber einige Aufwendungen – vorwiegend Personal- und Werbekosten. Zukünftig wird die Beschaffung durch die Projektfinanzierung von Banken und direkten Projektbeteiligten ergänzt. Das wird die Finanzierungskosten reduzieren. Diese anspruchsvolle Situation widerspiegelt sich in den Ergebnissen aller Enespa-Gruppengesellschaften.

Die Enespa-Gesellschaften realisierten einen Umsatz von CHF 4.16 Mio. – mehrheitlich aus Anlagenverkäufen und Dienstleistungserlösen. Der Jahresverlust der Enespa AG belief sich auf über CHF 10.75 Mio. und ist das Resultat der umfangreichen Aufbauarbeiten, von umfangreichen Finanzierungskosten und Bewertungskorrekturen auf immateriellen Anlagen und Beteiligungen. Erfreulich: Der Aktienkurs konnte im Berichtsjahr 2023 von CHF 25.- auf CHF 30.- angehoben werden.

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Ausblick für Standorte Tangstedt und Hoyerswerda

Am Standort Tangstedt wird ab dem zweiten Quartal 2024 eine Kleinanlage mit einer Leistung von einer Tonne pro Tag zu Forschungs- und Demonstrationszwecken im Einsatz sein. Das hauseigene Labor wurde mehreren Leistungstests, sogenannten Ringversuchen, unterzogen. Diese Arbeiten wurden im Hinblick auf die ISO-Zertifizierung und Akkreditierung initiiert. Abgeschlossen wird dieser Prozess voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024. Damit wird es möglich sein, spezifische Tests oder Kalibrierungen gemäss international anerkannten Normen für die Enespa-Gruppe und deren Kunden durchzuführen.

Am Standort Hoyerswerda sind bereits Planungsarbeiten zum Weiterausbau der Anlagen auf 100 Tonnen pro Tag angegangen worden. Die behördliche Planungsphase ist vorbereitet und die Projektierung und das Engineering sind konkretisiert. Die Ausbau-Etappe im Jahr 2025 erfolgt auf Industrieland mit einer Fläche von 4'300 Quadratmeter.

Enespa wird AdBlue®-Produzent

Im ersten Quartal 2024 baute Enespa am neu eröffneten Standort in Bernsdorf, Deutschland, eine AdBlue®-Produktion auf. Nach erfolgreicher Zertifizierung durch den Verband der Automobilindustrie (VDA) lief der Vertrieb im April erfolgreich an.

Pro Tag können 100 Tonnen produziert werden. Mit dem Aufbau der Produktion und des Vertriebs von AdBlue® ist ein Geschäftsbereich entstanden, welcher im nächsten Jahr umsatzwirksam wird.

«Insgesamt haben wir in allen Geschäftsfeldern wichtige Entwicklungsschritte durchlaufen und teils signifikante Arbeitsfortschritte erzielt.»

Christian Hörler, Enespa-CFO

Startschuss für Geschäftsbereich Reifenpyrolyse

Im Hintergrund verliefen im laufenden Jahr die Arbeiten zum strategisch bedeutende Geschäftsfeld der Reifenpyrolyse. Ein erstes Kooperationsprojekt mit einem Recyclingunternehmen ist aufgesetzt. In der zweiten Jahreshälfte 2024 fallen Entscheide, die zu den benötigten Genehmigungen und Bewilligungen führen.

Ein Spatenstich ist Anfang 2025 zu erwarten. Die geplante Pyrolyse-Anlage weist eine Tageskapazität von 72 Tonnen aus. So können jährlich 24'000 Tonnen Reifengranulat verarbeitet werden. Mit dem Pyrolyseöl und dem Carbon Black entstehen zwei Endprodukte, die von der Industrie als wertvolle Rohstoffe stark nachgefragt sind und so in den Kreislauf zurückfinden.

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