Biodiversität auch auf dem Bauernhof

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Der 22. Mai wird weltweit der Artenvielfalt gewidmet. Der Internationalen Tag der Biodiversität ruft deren Wert in Erinnerung. Dies gilt auch für die Landwirtschaft. Denn der Verlust von Nutzpflanzen und -sorten kann in Zeiten den Klimawandels zur Hypothek für die Menschheit werden. Arche-Stationen wollen dem gegensteuern, auch in der Ostschweiz.

Es ist wie beim Muttertag: 364 Tage im Jahr kümmern sich die Menschen wenig um das Thema Biodiversität. Achselzuckend nehmen Regierungen die Berichte der Umweltschutzorganisationen entgegen, die das beschleunigte Artensterben beklagen. Gleichgültigkeit? Weil immer mehr Menschen die Natur nicht mehr kennen?

Vor sieben Jahren brachte der „Jugendreport Natur 2010“ der Universität Marburg erstaunliche Erkenntnisse ans Tageslicht. Demnach wissen sechzig Prozent der sieben bis 14 Jährigen in Deutschland nicht, wo die Sonne aufgeht. Jedes vierte Kind glaubt, ein Huhn lege täglich sechs oder mehr Eier und nur zwanzig Prozent wissen, dass die Pastmilch nicht direkt von der Kuh kommt.

„Der virtuelle Raum kann die Natur niemals ersetzen. Die Sinneseindrücke im Wald, Feld oder auf einem Bauernhof sind so komplex, dass sie nicht nachgebildet werden können.“Markus Weissert, ehemaliger Leitender Arzt der Neurologie am Kinderspital in St. Gallen kennt ihren Wert für die Hirnentwicklung der Kinder: Das Durchstreifen eines Waldes, das Gurgeln eines Wildbaches, die Stille, aber auch der Herzschlag einer Walliser Schwarzhalsziege oder eines Tiroler Steinschaf sind Naturerlebnisse, die für die kindliche Entwicklung wichtig sind, aber auch Erwachsenen eine wohltuende Pause vom Alltag bieten.

Eis wird dünner

Ein Treffpunkt mit der landwirtschaftlichen Biodiversität sind Arche-Farmen, die unter http://www.arca-net.info leicht zu finden sind. Die Plattform unterscheidet nach Arche-Stationen mit Tieren, Pflanzen und solchen die über beides verfügen. Zudem gibt es Arche-Höfe, -Dörfer, -Parks und –Reservate. In der Ostschweiz gibt es Arche-Stationen in den Kantonen St.Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden (http://www.arca-net.info/map_categories/frame_map.asp?sprache=de). 

Alle Höfe leisten einen besonderen Beitrag zum Erhalt von vom Aussterben bedrohten Pflanzen- und Tierarten. In der modernen Landwirtschaft, in der die Fachwörter der Finanzwelt Einzug halten, bringen viele Pflanzenarten, aber auch Nutztiere nicht mehr die erwünschte Zielrendite. Das führt zu einer Verschmälerung des Sorten- und Artenangebots und damit zu einer Verkleinerung der genetischen Basis.

Daran sind nicht nur die Bauern schuld, sondern vor allem die Konsumenten, die nach den billigsten Lebensmitteln suchen. Dabei geht vergessen, dass die damit verbundene Verarmung der genetischen Basis für die Welternährung langfristig gefährlich sein kann. So wie eine Versicherung nach einem Mitgliederschwund den Verbliebenen nicht mehr wirklich Sicherheit bieten kann, führt die Verknappung der genetischen Basis in der Landwirtschaft unmerklich auf dünnes Eis. Die Klimaerwärmung fördert die Verbreitung von Tier- und Pflanzenkrankheiten. Und wenn eine Hochleistungszucht gegen eine neue Krankheit keine Abwehrmöglichkeiten entwickelt, ist es umso wichtiger, auf alte Sorten zurückgreifen zu können.

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Grosse Vielfalt

Auf Arche-Höfen kann man nicht nur streicheln; oft kann man die landwirtschaftlichen Produkte daraus auch kosten und den Kreislauf von der Aufzucht, Hege und Pflege bis zum Produkt hautnah erleben. Dabei stellen die Besucher schnell fest, dass es noch weitere Gründe gibt, alte Pflanzen und Sorten zu erhalten. Beispielsweise die ausgezeichnete Qualität.

Es gibt Dutzende Arche-Höfe in der Schweiz, im deutschsprachigen Raum und in ganz Europa. Fast 500 Arche-Stationen verteilen sich auf 40 Länder. Darunter gibt es aber auch Zuchtbetriebe von Kulturpflanzen mit Samen-Verkauf wie Sativa Rheinau mit dem weitläufigen Klostergarten. Die Vielfalt ist gross: Im Arche-Netzwerk sind sogar Freilichtmuseen und Lernbauernhöfe gelistet.

Ein Archehof mit Tieren besitzt mindestens eine Zuchtgruppe aus drei Tierkategorien, so dass die Besucher einiges zu sehen bekommen. Viele Höfe beherbergen Gäste, die dann auch die Zeit haben, ausgiebiger den Sortengarten zu besuchen oder bei der Tierpflege mitzuhelfen. In Arche-Dörfern gibt es mindestens vier solcher Betriebe. Ein Arche-Park beherbergt fünf Rassen aus drei Tierarten. Eine Besonderheit ist ein Arche-Reservat, denn die darin weidenden seltenen Nutztierrassen haben eine besondere Aufgabe. Sie sind Teil der Bewirtschaftung von traditionellen Agrar-Öko-Systemen.

Weil europaweit immer mehr Menschen aus dem ländlichen Raum wegziehen und grosse Gebiete, etwa in Spanien oder auf dem Balkan verwildern, sind solche Reservate eine zukunftsweisende Form, um zu verhindern, dass verlassene Gegenden ganz zuwachsen. Kurz: Den Besuchern einer Archestation tut sich eine neue Welt auf.