Ausstiegsstrategie: IHK vermisst Szenarien

Ausstiegsstrategie: IHK vermisst Szenarien
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Die IHK St.Gallen-Appenzell begrüsst die Ausstiegsstrategie des Bundesrats grundsätzlich: Sie ermögliche den Unternehmen ein gewisses Mass an Planungssicherheit in unberechenbaren Zeiten. Die IHK bemänglet aber fehlende Szenarien und eine «erneute Nicht-Kommunikation».

Die beiden kürzlich publizierten Unternehmensumfragen der IHK St.Gallen-Appenzell und der IHK Thurgau beleuchten die Unsicherheit in der Ostschweizer Wirtschaft eindrücklich: Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer halten Investitionen zurück, neun von zehn Unternehmen rechnen mit Erschwernissen in der Geschäftsentwicklung. Umso wichtiger ist für die Unternehmen eine frühzeitige und klare Kommunikation des Bundes über die behördlichen Massnahmen. Einen wichtigen Schritt dazu hat er heute unternommen.

IHK unterstützt Fahrplan mehrheitlich

Dass die Lockerung der Bundesrats-Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus schrittweise und nicht auf einen Schlag erfolgen wird, war anzunehmen. Die nun vorgelegte, etappenweise Ausstiegsstrategie folgt dem Motto «so schnell wie möglich, so langsam wie notwendig». Aus Sicht der hart getroffenen Ostschweizer Wirtschaft ist dieses Vorgehen zu begrüssen. Die Rückkehr muss rasch erfolgen, um verheerende langfristige Schäden wie breite Arbeitslosigkeit, eine Vernichtung der Wirtschaftssubstanz oder eine weitere Überbelastung der Vorsorgewerke zu minimieren. Eine erneute Ansteckungswelle, die eine Rückkehr in den Lockdown erfordern würde, muss indes möglichst verhindert werden. Die Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung hierbei bewusst und werden diese auch wahrnehmen.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist die Ankündigung einer erweiterten Teststrategie sowie der Entwicklung eines Contact Tracing-Konzepts mitsamt entsprechender App. Im Verbund sind diese Massnahmen Voraussetzung für eine Rückkehr zur vollständigen Wirtschaftstätigkeit, ohne den Ausbruch einer massiven zweiten Welle zu riskieren.

Neff AG  OTS 2025  

Bundes-Szenarien weiterhin unklar

Bedauerlich ist hingegen eine erneute Nicht-Kommunikation: Der angekündigte Fahrplan beruht auf Annahmen über die epidemische Entwicklung in den kommenden Wochen. Wie der Bundesrat im Rahmen seiner Pressekonferenz mehrfach betonte, werden Adaptierungen wohl notwendig sein. Unternehmen müssen entsprechend in Szenarien planen. Dies macht auch der Bund, allerdings ohne diese Szenarien offen zu kommunizieren. Damit hält er einerseits unnötigerweise Informationen zurück, auf welche die Unternehmen ihre Planung abstützen könnten. Andererseits schafft er so ein Vakuum, das insbesondere Exponenten der politischen Pole öffentlichkeitswirksam für die Inszenierung ihrer Ideologien zu füllen wissen. Wie man stattdessen konstruktiv den Lockdown-Ausstieg mitermöglichen könnte, zeigen einzelne Branchenverbände mit der Ausarbeitung von Schutzkonzept-Vorschlägen.

«Mit der Offenlegung seiner Szenarien mitsamt den entsprechenden dispositiven Stossrichtungen – ergänzend zur nun präsentierten prognosebasierten und mit Unsicherheiten behafteten Ausstiegsstrategie – könnte der Bundesrat mühelos das Vertrauen in ihn wieder stärken», meint IHK-Direktor Markus Bänziger (Bild). Dies sei nötig, denn viele Fragen blieben derzeit noch offen. «Der bisher gefahrene Ansatz ohne unverhältnismässige Einschränkungen scheint gerade deshalb so erfolgreich zu funktionieren, weil er von der breiten Bevölkerung und sämtlichen Wirtschaftsbereichen in Eigenverantwortung und Solidarität mitgetragen wird», so Bänziger.

Übersicht über die IHK-Unternehmensumfragen zur Coronakrise