Alternative zur Unternehmensverantwortungsinitiative

Gestern der Nationalrat, heute der Ständerat: Das Parlament hat sich auf den ständerätlichen Gegenvorschlag zur Unternehmensverantwortungsinitiative geeinigt. Die Initiative will mittels Berichterstattungs- und Sorgfaltsprüfungspflichten sowie weitreichender gesetzlicher Haftungsnormen Schweizer Unternehmen zur Einhaltung von international anerkannten Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten.
Problematische Haftungsnorm mit Beweislastumkehr
Die Kernanliegen der Unternehmensverantwortungsinitiative sind berechtigt und unterstützenswert. Die von den Initianten vorgesehenen Massnahmen sind jedoch drastisch, bestrafen verantwortungsvoll handelnde KMU und stellen diese unter Generalverdacht.
Erstens sieht die Haftungsnorm eine Haftung auch für Verfehlungen von Tochtergesellschaften im Ausland vor – nach Schweizer Recht und mit einer Umkehr der Beweislast. Unternehmen mit Sitz in der Schweiz müssten die erhobenen Vorwürfe in aufwendigen Rechtsverfahren widerlegen, ansonsten haften sie. Dies öffnet Tür und Tor für missbräuchliche Klagen aus aller Welt. Zweitens führt die Sorgfaltsprüfungspflicht entlang der gesamten Lieferkette zu einem unverhältnismässigen und kaum zu bewältigenden Mehraufwand. Schweizweit wären gemäss einer Sotomo-Studie schätzungsweise rund 80'000 Unternehmen und über eine Million Vollzeitstellen davon betroffen. Drittens trifft die Initiative auch Ostschweizer KMU, die als Zulieferer in die globalen Lieferketten eingebunden sind, selbst wenn diese nicht direkt vom Anwendungsbereich der Initiative tangiert sind. Mittels «Back-to-Back»-Verträgen würden multinationale Unternehmen die neuen Pflichten mutmasslich an solche Unternehmen weitergeben.
Alles in allem wäre die von der Initiative geforderte Regulierung weltweit beispiellos und führte zu weitreichenden rechtlichen und wirtschaftlichen Problemen. Aus diesen Gründen stellt sich die IHK St.Gallen-Appenzell klar gegen die Unternehmensverantwortungsinitiative.
Räte einigen sich auf zielgerichteten Gegenvorschlag
Auch National- und Ständerat erachten die Unternehmensverantwortungsinitiative als zu radikal. Nach jahrelangem Hin und Her haben sie sich nun auf einen indirekten Gegenvorschlag geeinigt. Dieser berücksichtigt die Anliegen der Initianten und schafft Verbindlichkeiten für die Unternehmen. Im Gegensatz zur Initiative sieht er jedoch keine gesetzliche Haftungsnorm vor, die Sorgfaltsprüfungspflicht beschränkt sich auf die Bereiche Kinderarbeit und Konfliktmineralien (allerdings mit den weltweit am weitestgehenden Instrumenten).
Der Gegenvorschlag verzichtet damit auf eine Schweizer Sonderlösung, welche hiesige Unternehmen erpresserischen Klagen aussetzt. Stattdessen orientiert er sich an international erprobten Instrumenten und ermöglicht auch in Zukunft eine zielgerichtete Weiterentwicklung.
Verantwortung ermöglichen statt verhindern
Der Gegenvorschlag ist ein Etappensieg für alle Schweizer Unternehmen, die ihre Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt wahrnehmen. Internationale Standards wie die Prinzipien von UN Global Compact bieten dazu anerkannte Orientierungsrahmen, zu deren Einhaltung sich viele Schweizer Unternehmen freiwillig verpflichten.Die Initiative hingegen wäre mit einem derartigen Risiko und bürokratischen Mehraufwand verbunden, dass eine Tätigkeit in zahlreichen Ländern oder Branchen nicht mehr zu verantworten wäre. Rückzüge von verantwortungsvoll handelnden Schweizer Unternehmen aus diesen Märkten wären die Folge. An deren Stelle träten mitunter Unternehmen aus Staaten, in denen Umweltschutz und Menschenrechte mit Füssen getreten werden.