Ostschweiz

Die nächste Generation übernimmt

Die nächste Generation übernimmt
Michael Städeli, Louis Grosjean, Stefan Schneider, Rolf Brunner
Lesezeit: 5 Minuten

Rund 95´000 Schweizer Unternehmen suchen zurzeit einen Nachfolger; fast jedem siebten Schweizer KMU droht eine Überalterung des Managements. Wie Nachfolgeprozesse an die nächste Generation erfolgreich umgesetzt werden, erklären die Nachfolgespezialisten Rolf Brunner und Stefan Schneider von der St.Galler Continuum AG sowie Louis Grosjean und Michael Städeli von der Appenzeller Altrimo AG anhand aktueller Beispiele.

Text: Stephan Ziegler

Rolf Brunner und Stefan Schneider von der Continuum AG haben die GK Grünenfelder Group AG aus Kriessern bei der Entwicklung eines Nachfolgekonzepts beraten. «Mein Bruder und ich sind beide im Unternehmen tätig; aufgrund des grossen Altersabstands gehen wir jedoch gestaffelt ins Pensionsalter. Auch unsere Kinder, das heisst die nächste Generation, sind altersbedingt in unterschiedlichen Lebenssituationen. Uns war es wichtig, dass beide Familien im Prozess integriert sind», sagt Marcel Grünenfelder, Präsident des GK-Verwaltungsrates.

Durch die Begleitung der Continuum AG konnte über die Familien hinweg ein «wertvollen Diskurs über das Unternehmen und das Familienvermögen» gestartet werden, der sich im Rahmen einer Familien-Strategie in einer Familienverfassung festigte. «Durch Workshops und in Familientreffen kamen sich die Familien näher und damit konnte auch das gegenseitige Verständnis verstärkt werden», erklärt Rolf Brunner. Die nächste Grünenfelder-Generation (vier Kinder) wurde sorgfältig an bestehende und zukünftige Positionen und Funktionen im Verwaltungsrat und Familienrat herangeführt – und der Aufbau eines wiederkehrenden Familien-Events trägt heute zur Stabilität des Aktionariats der Rheintaler Unternehmensgruppe bei. Die GK Grünenfelder Group AG hat ihre juristische Struktur und die Organisation der Führung im Hinblick auf den Generationenwechsel überdacht und in dosierten Schritten angepasst.

«Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rollenbildern innerhalb der Organisation war wertvoll und bedarf auch in Zukunft eines kontinuierlichen Reviews», so Marcel Grünenfelder. Die Vertreter der Continuum AG unterstützten den Prozess mit der nötigen differenzierten Beobachtungsgabe und Aussensicht. «Ihre Kommunikation und Beratung in diesen Dingen war stets überlegt und wies das nötige Fingerspitzengefühl auf, um dem emotionalen Charakter dieser Fragen Rechnung zu tragen», so der Verwaltungsratspräsident. Für seine operative Nachfolge wurde eine familienexterne Lösung gewählt, wobei GK Grünenfelder das Glück hatte, auf einen langjährigen Mitarbeiter zu setzen.

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«Entscheidend waren die gute Vorbereitung und die klare Erwartungshaltung zwischen dem alten Management und dem neuen Team.»

Vom Vater zum Sohn

Louis Grosjean von der Altrimo AG hat neulich das St.Galler Brautkleider, Fest- und Businessmode-Unternehmen Liluca im Nachfolgeprozess begleitet. Vater Urs Wehrle betreibt zwei Standorte (St.Gallen und Zürich); Sohn Louis Wehrle führte den Standort Zürich bereits und hat Liluca per 1. Januar 2023 als Eigentümer übernommen. «Das Thema einer möglichen Nachfolge/Firmenübernahme wurde bereits vor dem Eintritt von Louis in die Firma im Sommer 2019 besprochen», erinnert sich Grosjean. Einen fixen Fahrplan gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Prozess verlief «ruhig und wohlwollend von allen Seiten». Das natürliche Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Kindern sowie die den Kindern weitergegebenen unternehmerischen Genen haben sich positiv auf den Prozess ausgewirkt. «Dadurch, dass Louis Wehrle bereits seit drei Jahren vollzeitig für die Firma tätig war und das Thema einer möglichen Nachfolge schon länger besprochen wurde, verlief dieser Prozess sehr harmonisch», so Grosjean. 

Kleinere Unklarheiten oder Meinungsdifferenzen – hauptsächlich bezüglich Kaufpreis und Übernahmeprozess – konnten im persönlichen Gespräch schnell behoben werden. Louis Wehrle will an Bewährtem im Betrieb festhalten; den Fokus möglicher Veränderungen legt der neue Geschäftsführer vorwiegend auf die Digitalisierung und die Weiterführung der Individualisierung. Langfristig will Wehrle seine Leidenschaft der individualisierten Herrenmode verstärkt in den Fokus rücken, ohne die anderen beiden tragenden Säule, Braut- und Abendmode, zu vernachlässigen. Urs Wehrle ist noch im Verwaltungsrat, aber nicht als Präsident – diese Aufgabe haben Vater und Sohn ihrem Nachfolgebegleiter anvertraut.

«Entscheidend war die gute Vorbereitung und die klare Kommunikation in der Familie. Der richtige Mix zwischen Coaching und unternehmerischer Freiheit für den übernehmenden Sohn macht den Erfolg aus», resümiert Louis Gros-jean. Wie dies anschliessend finanziell und rechtlich geregelt wird, sei der Job von Fachspezialisten, aber nicht der Kern der Sache. «Vor allem geht es darum: Wird die Familie Weihnachten gemeinsam unter dem Weihnachtsbaum feiern? Das ist die Testfrage Nr. 1. Davon kann man bei Wehrles überzeugt sein», freut er sich.

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Vom Vater zur Tochter

Auch bei der Familie Weishaupt aus Appenzell waren eine gute Vorbereitung und eine klare Kommunikation entscheidend. Die Continuum unterstützte die Schreinerei Weishaupt AG Innenausbau umfassend bei der Vorbereitung ihrer Nachfolge auf mehreren Ebenen: Erstens familienintern bei der Erarbeitung der Familienwerte, die wiederum die Basis darstellen für die zu lebenden Werte in der Unternehmung. Dann auf der Führungsebene bei der Etablierung und der Einarbeitung des neuen Geschäftsleitungsteams unter der Führung von Bettina Weishaupt.  «Dabei wurden auch familienexterne Führungspersonen eingebunden», so die junge Geschäftsführerin. Ferner wurde eine umfassende Analyse der Kalkulationssätze vorgenommen. «Dabei hat die Continuum AG zugleich Einfühlungsvermögen für die verschiedenen Interessen der Akteure wie auch Hartnäckigkeit bewiesen», resümiert Weishaupt.

«Durch Workshops und in Familientreffen kamen sich die Familien näher; damit konnte das gegenseitige Verständnis verstärkt werden.»

An Management und Investoren verkauft

Bei der CEKAtec AG aus Wattwil blieb der Betrieb nicht in Familienhand: Das Partnerteam um CEO Stefan Jud hat die Entwicklungs- und Produktionsgesellschaft für elektromechanische Geräte in Industrie und Haushalt Anfang 2017 zu 50 Prozent dem Management und zu 50 Prozent an drei Investoren übergeben. Jud hatte sich altersbedingt frühzeitig mit der Nachfolge auseinandergesetzt. Dazu wurde mit Marco Pfister, dem heutigen CEO und Hauptaktionär, frühzeitig ein fähiger Nachfolger gesucht.

«Da das Management-Team den Kaufpreis allein nicht stemmen konnte, wurden externe Investoren gesucht. Da sind wir als Vermittler ins Spiel gekommen», erinnert sich Michael Städeli von der Altrimo AG. «Wir dürfen seit vielen Jahren einen Kunden betreuen, der sein Unternehmen an eine international tätige Firmengruppe verkauft hat. Dieser und Marco Pfister kennen sich aus früheren Tätigkeiten – und so wurden wir durch unseren Kunden beauftragt, eine Due Diligence durchzuführen. Aus Sicht von Städeli verlief der Prozess sehr professionell; das alte Management stellte sämtliche Daten für die Due Diligence zur Verfügung. «Wir haben dann auch keine ‹Leichen im Keller› gefunden», so Städeli. Die Übergabe hat der CEKAtec AG frischen Wind gebracht, es wurden neue, namhafte Kunden akquiriert und man hat einen Produktionsstandort in China aufgebaut.

«Entscheidend waren die gute Vorbereitung und die klare Erwartungshaltung zwischen dem alten Management und dem neuen Team», so Städeli. Auch der Beizug der Finanzinvestoren habe sich gelohnt. «Diese geben Stabilität und gleichzeitig dem Management die Freiheit, das Unternehmen weiterzuentwickeln. Sie nehmen nur auf strategischer Ebene und auf Stufe Verwaltungsrat Einfluss.»

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Patron übergibt an Nachwuchs

Ohne externe Investoren ging die Übergabe der Auto Welt von Rotz AG über die Bühne: Die Continuum AG habe den Garagen- und Hotelbetrieb in der Planung der Nachfolge von Patron Hanspeter von Rotz an seine Kinder «kompetent, zielgerichtet und auch mit Sicht auf die zwischenmenschlichen Themen in der Familie und in der Unternehmung einer solchen Veränderung beraten», so der Verwaltungsratspräsident.

Das Wiler Unternehmen ist stark durch die Mitarbeiter geprägt, die sich mit Leidenschaft tagtäglich für dessen Erfolg einsetzen. Diese Leidenschaft beginnt bei der Familie und baut auf die Werte des Familienunternehmens und der Eigentümerfamilie auf. «Zusammen mit Continuum ist es uns gelungen, die Familie auf gemeinsame Werte zu einen und eine Familienverfassung zu erstellen», sagt Hanspeter von Rotz. Die Erkenntnisse aus diesem Prozess dienten nun als wichtige Pfeiler in der Familie und in der Unternehmung. Sie waren die Basis für die mit dem Team der Continuum AG in der Folge erarbeitete Vision, Mission sowie Leitbild der Autowelt von Rotz AG.

«Ich bin überzeugt, ohne die Vorbereitung, das systematische und strukturierte Vorgehen sowie die Begleitung durch Continuum wäre die Herausforderung der Führungsnachfolge in dieser Situation wesentlich anspruchsvoller gewesen», fasst Hanspeter von Rotz den Prozess zusammen.

Text: Stephan Ziegler

Bild: zVg

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