«Niemand steht über dem Klub»
Für Präsident Matthias Hüppi ist der Einsitz von Patrick Thoma kein Bruch mit der bisherigen Linie, sondern die Konsequenz aus dem Mitbestimmungsrecht der Eigentümer: «Die Besetzung des Verwaltungsrates obliegt den Aktionären. Es ist deshalb ihr gutes Recht, zuhanden der Generalversammlung einen Vertreter aus ihrem Kreis zur Wahl in den Verwaltungsrat vorzuschlagen.»
Der Anspruch der Hauptaktionäre auf einen Sitz sei damit erfüllt. Eine strategische Neuausrichtung sieht Hüppi darin nicht. «Die Überprüfung der Strategie gehört generell und unabhängig von der nominellen Besetzung zu unseren Kernaufgaben. Wir werden auch in der neuen Zusammensetzung einzig und allein zum Wohle des Klubs agieren», sagt er.
«Unterschiedliche Perspektiven können zu besseren Lösungen führen.
Stabilität und Vertrauen
Der Verwaltungsrat des FC St.Gallen war in den vergangenen Jahren konstant zusammengesetzt. Hüppi widerspricht dem Eindruck, diese Stabilität stehe für Stillstand. «Wer meint, dass Stabilität mit Unbeweglichkeit oder Sattheit gleichzusetzen sei, liegt falsch. Das Gremium habe ich schon vor der Zuwahl von Patrick Thoma als ziemlich munter und beweglich wahrgenommen. Im hochvolatilen Fussballgeschäft ist Stabilität, die mit grossem gegenseitigem Vertrauen einhergeht, allerdings eine tragende Säule.» Dass die neue Zusammensetzung zu mehr Reibung führen könnte, sieht Hüppi gelassen. «Wir agieren als eingespieltes, unabhängiges, aber natürlich auch kritisches Gremium. Wir debattieren, diskutieren und ringen dann um die beste Lösung für den FCSG. Niemand steht über dem Klub.» Auch Blockaden befürchtet er nicht: «Wenn man nach der Devise agiert, dass alles nur im Sinn des Klubs geschieht und entschieden wird, dann hat Blockade keinen Platz.»
Schritt war lange vorbereitet
Bereits seit Jahren war im Aktionariat ein möglicher Sitz zur Unterstützung im Verwaltungsrat ein Thema. An der Generalversammlung betonte Patrick Thoma in seiner Vorstellungsrede, dass die Aktionäre in dieser volatilen Sportbranche «langfristige Risiken» erkennen. Dies sei mit ein Grund gewesen, erstmals einen Vertreter aus ihren Reihen in den Verwaltungsrat zu entsenden. Bei der Neubestellung des Verwaltungsrates 2018 nach der Ära Dölf Früh nahm kein Aktionär Einsitz in den Verwaltungsrat. Die Aktionäre verzichteten 2018 darauf, im Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen. Mit der nun erfolgten Wahl hat sich die Situation verändert: Um die zunehmend grösseren und komplexeren Aufgaben im Fussballgeschäft auf mehrere Schultern zu verteilen, wird die Erweiterung des Gremiums durch die Zuwahl einer Persönlichkeit aus dem Kreise der Aktionäre gezielt unterstützt.
Thoma, Inhaber der Thoma-Immobiliengruppe in Amriswil, hält 13,24 Prozent der Anteile der FC St.Gallen Event AG und präsidiert den Ambassadorenclub, die finanzstärkste Gönnervereinigung des Vereins seit 12 Jahren. Seine Wahl wurde an der Versammlung deutlich bestätigt.
«Wir debattieren, diskutieren und ringen dann um die beste Lösung für den FCSG.»
Kürzere Informationswege
Für Matthias Hüppi bedeutet der Einsitz eines Aktionärsvertreters in erster Linie «kürzere und direkte Informationswege für die Aktionäre der FCSG Event AG relevanten Punkte». Gleichzeitig könne Thoma neue Impulse in das Gremium bringen. «Jede Person, die in unserem Gremium mitzieht, gestaltet auch mit.»
Auf die Frage, ob der neue Verwaltungsrat ein Vorbote für weitere Veränderungen sei, antwortet Hüppi: «Man muss kein Hellseher sein, um festzustellen, dass das Gremium nicht ewig in dieser Formation weiterarbeiten wird.» Zum Thema Frauen im Verwaltungsrat sagt er: «Bezüglich der konkreten Besetzung des VR haben die Aktionäre momentan andere Prioritäten gesetzt.»
«Ich sehe grosses Potenzial in der stärkeren Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft.»
Unternehmer mit fester Haltung
Patrick Thoma bezeichnet den Einsitz in den Verwaltungsrat als persönliche Motivation: «Die Möglichkeit, aktiv an der strategischen Entwicklung des Klubs mitzuwirken, ist für mich eine Herzensangelegenheit.»
Seine Rolle sieht er als Bindeglied zwischen Eigentümern und Führung. «Es geht darum, Anliegen aufzunehmen, zu kommunizieren und sicherzustellen, dass wirtschaftliche Entscheidungen nachvollziehbar und im Sinne der vielen interessierten Eigentümer sind.» Bereits an der Generalversammlung hatte Thoma erklärt, dass mit seinem Einsitz kein Misstrauensvotum gegenüber dem bisherigen Verwaltungsrat verbunden sei, sondern dass das wirtschaftliche Gewissen des Aktionariats eingebracht werden solle.
Thoma sagt, dass Aktionärsinteressen und Klubentwicklung zusammengehören. «Ich möchte neue Ideen und mein Umfeld einbringen.» Unterschiedliche Perspektiven im Verwaltungsrat sieht er nicht als Problem, sondern als Chance: «Sie können zu besseren Lösungen führen, wenn sie konstruktiv sind.»
Besonders wichtig ist Thoma die Verbindung zur regionalen Wirtschaft. «Ich sehe grosses Potenzial in der stärkeren Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft. Hier möchte ich zusätzliche Impulse setzen und mithelfen, den Klub noch breiter aufzustellen.» Ebenso zentral sei die Identität des Vereins: «Die Identität des FC St.Gallen ist ein zentraler Wert. Sie darf nie verloren gehen. Die Nähe zu den Fans, die Verwurzelung in der Ostschweiz und die grün-weisse Leidenschaft sind unverhandelbar.»
FCSG: Finanzstark wie kaum ein anderer Klub Eine Studie der Universität St.Gallen zeigt, dass der FC St.Gallen zu den finanziell stabilsten Klubs Europas gehört. Mit einer Eigenkapitalquote von 58,6 Prozent liegt der Verein europaweit auf Rang 12 und damit noch vor Bayern München. In der Schweiz steht nur YB annähernd ähnlich gut da, auf Platz 13. Die starke Eigenkapitalbasis, über 10 Millionen Franken an liquiden Mitteln und die breite regionale Verankerung machen den FCSG zu einem Ausnahmeklub. Laut der Studie gehören unter anderem Luzern, Lugano, Sion, Servette, der FCZ und Lausanne zu den Vereinen mit deutlich schwächerer Eigenkapitalquote.
Wie sind die Eigentümer bei den Super-League-Clubs vertreten?
- FC Basel: Eigentümer: FC Basel Holding AG (75 Prozent), Eigentümer im VR: David Degen (Präsident, zugleich grösster Anteilseigner).
- BSC Young Boys: Eigentümer: Familie Rihs, Eigentümer im VR: Hans-Ueli Rihs (Mitglied), Stefan Rihs (Mitglied) Christoph Spycher (Mitglied).
- Servette FC: Eigentümer: Fondation 1890 (Rolex), Eigentümer im VR: Keine.
- Grasshopper Club: Eigentümer: Los Angeles Football Club (LAFC), Eigentümer im VR: Stacy Johns (Präsidentin), Larry Freedman (Mitglied).
- FC Zürich: Eigentümer: Heliane und Ancillo Canepa, Eigentümer im VR: Ancillo Canepa (Präsident), Heliane Canepa (Delegierte).
- FC Luzern: Eigentümer: FCL Holding AG (70 Prozent), Eigentümer im VR: Josef Bieri (Vizepräsident)
- FC Lugano: Eigentümer: Joe Mansueto, Eigentümer im VR: Keine.
- FC Winterthur: Eigentümer: Keller Holding AG, Eigentümer im VR: Mike Keller (Präsident), Tobias Keller (Mitglied).
- FC Sion: Eigentümer: Christian Constantin, Eigentümer im VR: Christian Constantin (Präsident).
- FC Lausanne-Sport: Eigentümer: INEOS Football SA, Eigentümer im VR: Keine.
- FC Thun: Eigentümer: Beat Fahrni ist grösster Einzel- aktionär (31,4 %), restliche Aktion gestreut. Eigentümer im VR: Beat Fahrni (Mitglied).
Text: Natal Schnetzer
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer, zVg