Die Zukunft Europas unter der Lupe

Die Zukunft Europas unter der Lupe
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Die 11. Jahreskonferenz des HSG Alumni Seniors Club thematisierte die aktuelle Sicherheits- und Welthandelsordnung. Experten ordneten aus verschiedenen Perspektiven ein, wie die geopolitische Lage zu beurteilen ist, wie mögliche Zukunftsszenarien aussehen und welche Auswirkungen eine «Welt in (Un)Ordnung» auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft hat.

«Sicherheit: Traum oder Trauma?» lautete der Titel der Jahreskonferenz 2025. Das Thema stiess auf grosses Interesse: Über 300 Alumni strömten in die Räumlichkeiten von Google Schweiz in Zürich. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine und die erratische Politik der USA sei das Vertrauen in die Sicherheit im Kern erschüttert worden, erklärte Präsident Alain D. Bandle in seinen Begrüssungsworten.

Globale Sicherheitsarchitektur im Wandel

Zum Auftakt des ersten Diskussionsblocks sprach Dr. Jean-Marc Rickli. Er leitet die Abteilung globale und neu aufkommende Risiken am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik in Genf. In seiner Auslegeordnung zeigte er auf, welche Konsequenzen die aktuellen Kriegs- und Krisenherde, die Desinformationskampagnen, die hybriden Bedrohungen und der Machtkampf der Grossmächte auf die Sicherheit Europas haben. Europa werde in naher Zukunft bezüglich Sicherheit nicht mehr auf den Schutz der USA zählen können, sondern sei auf sich allein gestellt.

Zusammen mit Vorstandsmitglied Otto C. Honegger diskutierten die Sicherheitsexpertin Dr. Ulrike Esther Franke, der Autor Joseph de Weck und Jean-Marc Rickli die Risiken und Chancen einer Welt in (Un)Ordnung. Im Gespräch wurde festgehalten, dass die transatlantischen Beziehungen der vergangenen Jahrzehnte endgültig vorbei sind. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Europa zu neuer Stärke finde, doch werde es eindeutig nicht zu den alten Zeiten zurückkehren können. Europa sei wirtschaftlich von den rasanten Veränderungen stark betroffen, da es weitaus stärker als beispielsweise China oder die USA vom Export und Import abhängig sei.

Durch die Turbulenzen navigieren

Der ehemalige Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck führte aus, wie trotz der aktuellen Chaospolitik Chancen genutzt werden können, um an der Zukunft zu bauen. Es sei wichtig, bei neuen wissenschaftlichen und technologischen Durchbrüchen zu antizipieren und das Feld nicht Führern ohne Legitimität zu überlassen. Die Antizipation gebe die Möglichkeit, beim Gestalten der Zukunft mitzureden. Dabei gehe es vor allem auch darum, neue Errungenschaften in Legitimität und gemeinsame menschliche Werte einzubetten.

Unter dem Titel «Multilateralismus unter Druck – die Schweiz und die UNO» äusserte Botschafterin Pascale Baeriswyl Überlegungen aus der aussenpolitischen Praxis. In einer Welt der Krise stehe auch die UNO stark unter Druck, betonte sie. Die Schweiz bringe im UNO-Sicherheitsrat ihre lange humanitäre und friedensfördernde Tradition ein und leiste dadurch einen Beitrag zum Miteinander der Weltgemeinschaft.

Moderiert von Staatswissenschaftler Christoph Frei brachten NZZ-Redaktor Georg Häsler und Jacqueline Lehmann, Expertin für Geschlechtergleichstellung, die Stimmen aus der Zivilgesellschaft ein. Der offene Diskurs über strittige Themen habe auch in der Schweiz gelitten, bedauerte Jacqueline Lehmann. Die Schweiz müsse wieder stärker erkennen, dass sie Teil Europas sei und ihre Position als liberale Demokratie klarer darstellen, erklärte Georg Häsler.

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Chancen von Schweizer Schlüsselindustrien

Der zweite Block der Jahreskonferenz war der ökonomischen Sicherheit gewidmet. In schwierigen Zeiten sei es ratsam, realistisch und nicht ängstlich die Situation zu analysieren, eröffnete Unternehmer Prof. Dr. Klaus W. Wellershoff sein Referat. Im Gegensatz zu den USA habe die Schweiz kein nennenswertes Problem mit der Verschuldung. Hingegen seien in den letzten Jahren sowohl die Produktivität als auch die Arbeitsleistung pro Arbeitskopf deutlich gesunken, betonte er. Letzteres sei der wahre Grund für die Zuwanderung.

Thomas Sieber von Axpo Holding AG versicherte, dass die kurzfristige Versorgungslage mit Energie gut sei. In Zukunft drohe jedoch eine massive Lücke, da Kernenergieanlagen vom Netz gingen. Ein Stromabkommen mit der EU sei eines der Rezepte für bezahlbare Energie in der Schweiz. Thomas Meier von InfoGuard betonte die Bedeutung der Cybersicherheit in den Unternehmen. Die Schweiz sei für Hacker ein attraktives Ziel. Künstliche Intelligenz werde die Bedrohungslage nochmals massiv verändern. Die künstliche Intelligenz sei für Europa ein wichtiges Kernthema, erklärte Dr. Marianne Janik von Google Cloud. Die Zukunft werde weisen, welche Auswirkungen sie auf die Produktivität und die Arbeitswelt habe.

Sicherheit zwischen Wahrnehmung und Realität

Im Schlussteil der Konferenz stand die persönliche Sicherheit in der modernen Gesellschaft im Zentrum. «Sicherheit ist ein menschliches Urbedürfnis», betonte die politische Philosophin Dr. Katja Gentinetta. Die Krux sei, dass wir Sicherheit zu lange als selbstverständlich betrachtet und deshalb die innere und äussere Sicherheit sträflich vernachlässigt hätten.

An der Jahreskonferenz gab es schliesslich zwei Verabschiedungen aus dem Vorstand des HSG Alumni Seniors Club. Präsident Alain D. Bandle und Otto C. Honegger wurden für ihr langjähriges Engagement bei der Organisation der jährlichen Konferenzen gewürdigt. Neuer Präsident wird André Helfenstein, neue Vorstandsmitglieder werden Hanna Henkel und Samy Liechti.

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