Wirtschaft

Energiekrise trifft Hotellerie

Energiekrise trifft Hotellerie
Michael Vogt
Lesezeit: 4 Minuten

Kaum scheint sich die Hotellerie von der Pandemie erholt zu haben, rollt bereits die nächste Krise über die Branche: Die explodierenden Energiepreise bringen viele Hoteliers in eine prekäre finanzielle Lage, gerade im Hinblick auf die bevorstehende Wintersituation. Michael Vogt, Präsident von Hotels St.Gallen-Bodensee und General Manager vom Hotel Einstein St.Gallen, schätzt die Lage für die Region ein.

Michael Vogt, der Oktober gilt – unter anderem wegen Grossevents wie der Olma – zu den stärksten Monaten für St.Galler Hotels. Wurden die Erwartungen erfüllt?
Der Oktober ist immer ein starker Monat, aber noch besser war 2022 der September für die Stadt St.Gallen. Durch die Jahre der Pandemie gab es einiges an Veranstaltungen und Kongressen nachzuholen, dafür ist der September neben dem Juni hervorragend geeignet.

Wie viele Übernachtungen verzeichnete die Region St.Gallen-Bodensee im Jahr 2022 bis jetzt?
Die Zahlen sind leider erst bis Ende September ersichtlich. Sie sind aber sehr erfreulich. Die Region St.Gallen-Bodensee hatte von Januar bis September 2022 über 350 000 Logiernächte, das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr sowie zehn Prozent über der gleichen Periode 2019.

Damit scheint die Pandemie für die Branche überwunden. Werden die Sorgen nun von der Energiekrise verdrängt?
Bis jetzt spüren wir die Energiekrise nur in den Kosten und nicht im Buchungsverhalten. Das heisst, bis anhin hat sie noch keine Auswirkungen auf die «Buchungsfreudigkeit», aber das kann sich schon morgen ändern.

 

«Wer die Preise noch nicht erhöht hat, wird es spätestens ab Frühjahr 2023 tun müssen.»

Eine Umfrage von HotellerieSuisse ergab, dass die Erhöhung der Energiepreise bei jedem zweiten Unternehmen zu ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten führen könnte. Bei einer Verdreifachung der Energiepreise müsste die Hälfte der betroffenen Betriebe gar schliessen. Stimmt diese Einschätzung auch für die Region St.Gallen-Bodensee?
Der Grund für das Resultat der Umfrage ist, dass wir in der Gastronomie und Hotellerie mit winzigen Margen arbeiten, darum bringt uns eine Steigerung der Energiepreise um 50 Prozent schon an unsere Grenzen. Es ist jedoch festzuhalten, dass nicht alle gleich betroffen sind. Viele Hotels in der Region haben mindestens bis Ende Jahr noch fixe Verträge. Nur ein geringer Anteil der Hotels bezieht bereits heute den Strom vom freien Markt.

Wie würden Sie die aktuelle Stimmung bei den Hoteliers in der Region beschreiben?
Aufgrund des guten Geschäftsganges und der raschen Erholung nach den Pandemiejahren ist die Stimmung grundsätzliche sehr gut. Trotzdem macht uns der Kostendruck Sorgen, im Speziellen die gestiegenen Waren-, Personal- und eben Energiekosten. Auch der Fachkräftemangel, der vor der Pandemie schon existierte, ist nach wie vor ein grosses Thema.

Was bedeutet das für die Wintersaison?
Wie erwähnt ist die grosse Herausforderung neben dem Kostendruck, die noch offenen Stellen mit den «richtigen» Mitarbeitern zu besetzen. Da Januar und Februar in der Region jedoch nicht die Hauptmonate sind, werden wir in der Region St.Gallen-Bodensee sicher weniger betroffen sein als die reinen Feriendestinationen in der Schweiz.

 

  

«Bis jetzt spüren wir die Energiekrise nur in den Kosten und nicht im Buchungsverhalten. Das kann sich morgen ändern.»

Und welche Massnahmen werden ergriffen, um Energie zu sparen?
Die Betriebe haben bereits selbst individuelle Massnahmen umgesetzt. Zusammen mit dem Verband HotellerieSuisse haben wir die Mitglieder dazu aufgerufen, gemeinsam Energie zu sparen, sei es etwa, die Zimmer und öffentlichen Räume weniger stark zu beheizen oder die Lüftung nur in Räumen einzuschalten, die belegt sind. Betriebe mit Wellnessanlagen haben die Wassertemperaturen abgesenkt.

Gab es bereits Preisaufschläge für die Gäste?
Ja, viele Betriebe haben die Preise erhöhen müssen, sei es im Speisesaal oder in den Zimmern. Auch durch die erhöhten Lebensmittelkosten sind die Hotels mit Gastronomiebetrieben gezwungen, die Preise auf der Speisekarte anzupassen. Wer es noch nicht gemacht hat, wird es spätestens ab Frühjahr 2023 tun müssen. 

Bei Verschärfung der Energielage plant der Bund Einschränkungen und Verbote. Was würde das für die Beherbergungsbranche bedeuten?
Für Betriebe mit Wellnessanlagen wäre dies einschneidend. Gäste buchen diese Hotels mit der Absicht, den Wellnessbereich nutzen zu können. Wenn dieser dann für längere Zeit nicht zur Verfügung stehen wird, werden diese Hotels grosse Einbussen erleiden. Für kleinere Hotels ohne Wellness und ohne Gastronomie werden die Einschränkungen wohl keine grossen Auswirkungen haben.

 

Wie können Liquiditätsengpässe abgewendet werden?
Die Branche fordert staatliche Überbrückungskredite. So können die betroffenen Hotels ihre massiv gestiegene Energierechnung bezahlen und müssen nicht schliessen.

Wären Kurzarbeitsentschädigungen analog zu den Bestimmungen der Covid-Verordnung eine Lösung?
Auch dies würde den betroffenen Hotels sehr helfen, um zu überleben.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie schafft man es in Anbetracht der Situation, positiv zu bleiben und das Personal zu motivieren?
Die Stimmung bei den Hoteliers in der Region ist sehr gut – und die Mitarbeiter sind froh, dass die Gäste nach der langen Pandemiezeit wieder da sind, wie vorher, und alle wieder Arbeit haben. Die Gäste motivieren uns täglich, wieder Höchstleistungen zu erbringen.

Text: Miryam Koc

Bild: Marlies Thurnheer

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