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Der Joker in der Halbleiterindustrie

Der Joker in der  Halbleiterindustrie
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Die Haager VAT Group AG ist ein Börsenstar: Hohes Wachstum, hohe Margen, viel Cashflow und kein Ende in Sicht. Die Vakuumventilspezialistin hat 2020 noch besser abgeschnitten als prognostiziert – eine Steigerung von 21 Prozent gegenüber 2019. Die Halbjahreszahlen 2021 zeigten mit einem Umsatzwachstum von 31 Prozent sogar noch einmal eine Beschleunigung der Entwicklung und deuten damit auf ein weiteres Rekordjahr hin. VAT-CEO Michael Allison überrascht das nicht.

Michael Allison, für mich ist ein Ventil etwas, das verhindert, dass zum Beispiel Luft aus meinem Fahrradreifen entweicht. VAT produziert jedoch Ventile für die Hightech-Industrie.
VAT-Vakuumventile verhindern im Gegensatz zu den von Ihnen angesprochenen Reifenventilen nicht, dass etwas nach aussen entweicht, sondern dass nichts nach innen dringt. In vielen technischen Produktionsprozessen ist es zentral, dass das Produktionsumfeld absolut partikelfrei ist. Unsere Vakuumventile ermöglichen es, die erforderte Reinheit zu erreichen und einzuhalten. Vor allem in der Herstellung von Halbleitern wird das Erfordernis der Reinheit immer wichtiger. Hier werden Transistoren mit einer Grösse von deutlich weniger als zehn Nanometern hergestellt. Zum Vergleich: Zehn Nanometer entsprechen in etwa einem Zehntausendstel eines menschlichen Haares.

Aufgrund der Komplexität dieser Materie und des Know-hows, das es im Vakuumventilgeschäft braucht, ist die Gefahr von Marktneueintritten also gering, oder?
VAT hat sich seit der Gründung 1965 auf die Entwicklung und Produktion von Vakuumventilen konzentriert und sich dabei bereits seit 1988 stark auf die Halbleiterindustrie ausgerichtet. In dieser Zeit konnte sich VAT ein grosses Know-how aneignen und sehr enge Kundenbeziehungen aufbauen. Heute hat VAT einen weltweiten Marktanteil bei den Vakuumventilen von 58 Prozent über alle Industrien und 74 Prozent bei den Ventilen für die Halbleiterindustrie. Der nächstgrössere Konkurrent ist rund zehn Mal kleiner. Diese Konstellation macht es für Konkurrenten sehr schwer, mit VAT zu konkurrenzieren.

Ist VAT umgekehrt daran interessiert, neue Märkte zu erschliessen, vielleicht mit ähnlichen Produkten, oder bleibt man beim Stammangebot und bei der Stammkundschaft?
VAT hat eine Strategie, mit und um das Kerngeschäft Vakuumventile zu wachsen. Darunter fällt auch weiteres Wachstum in unserem Servicegeschäft. Die wichtigsten Wachstumstreiber für VAT bilden dabei das generelle Marktwachstum, anhaltende Marktanteilsgewinne und die graduelle Entwicklung von ventilnahen Technologien – sogenannten Adjacencies – im Bereich Halbleiter. Daneben entwickeln wir das Geschäft mit den eher industriellen Ventilen weiter, ebenso dieses für Ventile für die Herstellung von Flachbildschirmen und für die Herstellung von Solarzellen. 

Die Aktien der VAT haben in den letzten fünf Jahren um fast 500 Prozent zugelegt. Warum?
VAT profitiert von einer klaren und fokussierten Geschäftsstrategie rund um Vakuumventile. Diese Strategie profitiert nun von der anhaltenden Digitalisierung unserer Gesellschaft – Stichwort Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, Elektromobilität und so weiter. Diese Megatrends verlangen eine ständig wachsende Anzahl von Computerchips mit grösserer Leistung bei gleichzeitig tieferem Energieverbrauch. Dies wird mit technologischen Entwicklungen erreicht, die wiederum ein grösseres Investitionsvolumen seitens der Chip-Hersteller verlangt. Diese Trends haben zu einem starken Wachstum von Umsatz und Gewinn bei VAT geführt, was sich in der Aktienkursentwicklung widerspiegelt. 

 

 

«VAT profitiert davon, dass rund zwei Drittel unserer Kosten variabel sind.»

Geht dieser Trend weiter, bleibt die Nachfrage nach Vakuumventilen hoch – oder kann es zu einer Substituierung kommen?
Die Halbleiterindustrie war, ist und wird eine zyklische Industrie mit Aufs und Abs bleiben. Innerhalb dieser Zyklen ist es die Aufgabe der VAT, den negativen Einfluss einer Marktabschwächung bestmöglich zu kompensieren. Dabei geht es darum, sowohl das Know-how in der Firma zu halten als auch die Profitabilität auf einem Niveau zu stabilisieren, das es der VAT weiter erlaubt, in Innovation und die Weiterentwicklung unseres Portfolios zu investieren. Daneben profitiert VAT davon, dass rund zwei Drittel unserer Kosten variabel sind und sich in einem Abschwung zeitnah reduzieren. Generell gehen wir aber heute davon aus, dass der momentane Investitionsboom weiter anhält, bevor es wieder zu einer zyklischen
Korrektur kommt. Diese Korrektur dürfte aber wesentlich geringer ausfallen als zum Beispiel noch in den Neunziger- oder Nuller-Jahren. Was die Substitution betrifft, so sind keine Technologien in Sicht, die den Einsatz von Vakuum-Produktionsverfahren in absehbarer Zeit überflüssig machen könnten.

Das Alpenrheintal ist ein Cluster von Hightech-Firmen. Wie erklären Sie sich das?
Das liegt wohl daran, dass es hier im Rheintal ein sehr gutes Ausbildungsklima gibt, sei es bei der Lehrlingsausbildung oder im Bereich der technischen Schulen. Daneben ist die Region sehr gut erschlossen. Das vereinfacht die Transport-Logistik erheblich. Daneben profitiert das Rheintal auch von einem umfassenden Pool an gut ausgebildeten Personen aus dem nahen Ausland, vor allen dem Vorarlberg. Und nicht zuletzt ist das Rheintal wunderschön, was ein weiteres Argument ist, sich hier niederzulassen (lacht).

Die VAT hat ihren Hauptsitz in Haag. Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen im Rheintal?
Als sehr gut. In der zuletzt doch herausfordernden Zeit mit der Covid-Pandemie konnten wir uns auf die gute Unterstützung durch die Regierung des Kantons St.Gallen verlassen. Wenn man wie VAT ein systemkritischer Hersteller für eine ganze globale Industrie und ein grosser Arbeitgeber für eine ganze Region ist, dann ist es wichtig, dass die Politik dies anerkennt und diese Position unterstützt. Hier haben wir als VAT in der vergangenen Zeit hervorragende Erfahrungen gemacht.

 

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Was könnte Ihrer Ansicht punkto Rahmenbedingungen im Rheintal aber noch verbessert werden?
Es sollte das Ziel der St.Galler Regierung sein, dass die sehr guten Rahmenbedingungen im Rheintal auf diesem Niveau bleiben, gleichzeitig aber stetig weiterentwickelt werden. Dazu zählen beispielsweise Ausbildung, Verkehrserschlies­sung, freier Handel und ein flexibler Arbeitsmarkt. Wir stehen weltweit in einem harten Wettbewerb um gut ausgebildete Arbeitnehmer. Hier können wir nur bestehen, wenn die Rahmenbedingungen bei uns weit besser als im Durchschnitt der umliegenden Länder sind. Das nahe Ausland ist bekanntlich für uns ein wichtiger Rekrutierungsmarkt. 

Ausland ist ein gutes Stichwort: Das Rahmenabkommen mit der EU ist geplatzt.
Wir sind ein Schweizer Unternehmen, das sehr global agiert – 99 Prozent der in Haag gefertigten Produkte gelangen in den Export, vornehmlich nach Asien oder in die USA, mit einem kleineren Anteil in Europa. Für unseren Erfolg ist es äusserst wichtig, dass es so wenig Handelsbarrieren wie möglich gibt. Das Scheitern des Rahmenabkommens mit der EU hat in dieser Sicht sicherlich keine positiven Signale gesendet. Auch was die Rekrutierung ausländischer Angestellten anbelangt, könnte sich dies über die Zeit negativ auf den Werkplatz Schweiz auswirken.

Was erwarten Sie hier von der Politik?
Die Schweizer Politik kann, wie sie es auch in Vergangenheit getan hat, aus einer Position mit gesundem Selbstbewusstsein mit der EU auf Augenhöhe verhandeln. Dass es bei diesen Gesprächen immer um ein Nehmen und Geben geht, haben die letzten Jahre gezeigt. Die Schweiz ist geografisch ein Teil der EU und braucht diese als Handelspartner. Die EU ihrerseits kann in vielen Gebieten von der starken wirtschaftlichen Leistung der Schweiz und ihrer Innovationskraft profitieren.

Man sagt, dass die Rheintaler einen ausgeprägten Pioniergeist hätten: Wie sehen Sie das – und sich selbst?
Erfolgreiche Unternehmer oder wie Sie es sagen: Pioniere haben immer ein gesundes Mass an Neugier, den Mut, Neues auszuprobieren und sich auch auf bisher unerforschte Pfade zu begeben. Dabei muss man auch eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen. Dies ist sicher leichter in einem Umfeld, in dem man neben gut ausgebildeten Leuten auch ebensolche politischen Rahmenbedingungen vorfindet. Ich sehe mich schon auch als Unternehmer, der diesen Pioniergeist hat. Ich bin mir aber stets der Verantwortung für über 2000 Mitarbeiter, davon rund 1200 hier im Rheintal, bewusst, weshalb die weitere Entwicklung und der Erfolg der VAT zusammen mit allen VAT-lern auf einer nachhaltigen und erfolgversprechenden Strategie aufbaut.

Text: Tanja Millius

Bild: Marlies Thurnheer

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