St.Gallen

Lösungen nicht vom Ende her denken

Lösungen nicht vom Ende her denken
Die Tagung fand am 24. Arpil in der St.Galler Kellerbühne statt
Lesezeit: 3 Minuten

Der ökologische Fussabdruck der Schweiz ist weit grösser, als von vielen Experten berechnet: Werden auch die Investments der Unternehmen miteinbezogen, so steigt der Fussabdruck um weitere 6 Tonnen auf 19 Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Deshalb sind innovative Ansätze gefragt, die das Klimaproblem an den Wurzeln lösen und nicht «end of the pipe». Das ist das Fazit der 17. Ostschweizer Innovationstagung des IDEE Institut für Innovation, Design und Engineering der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Text: Michael Breu

Ist das jetzt der grosse Durchbruch, die Lösung gegen das Bienensterben? Im März 2018 stellte der US-Einzelhandelskonzern Walmart «RoboBee» vor, einen autonomen Flugroboter zur Bestäubung von Blütenpflanzen. Die Kommentare in den Medien waren durchzogen – Kritik war nur am Rande zu lesen, viel eher blickte man konsterniert auf die anbahnende Realität der Biodiversitätskrise.

Ähnlich die Situation bei der Klimakrise: Im Dezember 2015 einigten sich 197 Staaten an der UN-Klimakonferenz in Paris, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen; aktuell steuern wir auf 4 Grad Erderwärmung zu, und als einzige Gegenmassnahme wird über ein Filtersystem diskutiert, das CO₂ mit gigantischem Aufwand aus der Luft abscheidet.

«Wir brauchen innovative Lösungen, die nicht am Ende ansetzen, sondern das Problem bei den Ursachen bekämpft», betonten Thomas Utz und Lukas Schmid, die beiden Co-Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering der OST – Ostschweizer Fachhochschule, an der 17. Ostschweizer Innovationstagung am Mittwochabend in der St.Galler Kellerbühne.

Ein Drittel der Bankguthaben ist in fossile Projekte investiert

Wie eine solche Lösung aussehen könnte, erläuterte Florian Stemplinger, Programmmanager Energie- und Klimastrategien der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK). «Kompensieren ist ein Modell aus der Vergangenheit. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, müssen wir den CO₂-Fussabdruck reduzieren.» Dazu brauche es Kooperationen. Ein Beispiel sei die Zusammenarbeit der Rechenzentrum Ostschweiz AG, der Bergkäserei Gais und der SAK.

«Die Abwärme der Server wandeln wir mit Wärmepumpen um und stellen sie der Käserei zur Verfügung», so Stemplinger. Die Käserei konnte damit im vergangenen Jahr den Fussabdruck um 37,67 Tonnen CO₂ reduzieren, die SAK sparte sogar 163,38 Tonnen CO₂ ein, weil sie keine fossilen Energieträger verbrennen musste.

«Sind wir mit der Umstellung von fossiler Energie schon am Ziel? Oder gibt es versteckte und unscheinbare Emissionsquellen?» Auf seine rhetorische Frage antwortete Nachhaltigkeitsspezialist Stemplinger mit einem weiteren Zahlenbeispiel, das bei den Zuhörern für Erstaunen sorgte. Würde man nämlich die Investments dekarbonisieren – also nur noch Anlagen in ökologisch wirtschaftende Unternehmen tätigen –, wäre zumindest bei der SAK die Einsparung grösser als ein Verzicht auf Diesel, Öl und Gas zusammen.

In Zahlen: «20 bis 30 Prozent von jedem Bankguthaben fliesst in fossile Projekte.» Korrekt müsste man dies beim ökologischen Fussabdruck mitberücksichtigen: «Dann sind wir in der Schweiz nicht mehr bei 13 Tonne CO₂ pro Person, sondern bei 19 Tonnen.»

 

In Kreisläufen denken

Für einen ökologischen Lebensstil plädierte auch Karen Rauschenbach, Co-Gründerin des Modelabels «the Blue suit» aus Kreuzlingen. Das Unternehmen setzt auf konsequente Kreislaufwirtschaft. Auf Kunststoff wird verzichtet, Druckfarben werden durch ein innovatives Laserverfahren ersetzt, Abfälle werden wo immer möglich vermieden.

«Wir denken in Kreisläufen: Wie in der Natur sollen keine Abfälle produziert und alle Materialien wiederverwertet werden», sagte Rauschenbach an der Innovationstagung. Abfall sei in der Textilbranche ein wichtiges Thema: «Jede Sekunde wird eine LKW-Ladung an Kleidung verbrannt.»

Ein weiteres Beispiel für Innovation, die ein Klimaproblem an der Wurzel löst, statt «end of the pipe» erläuterte Samuel Böhni, Dozent und Projektleiter am Institut für Innovation, Design und Engineering am Beispiel der Schindler Aufzüge AG. «Täglich sind die Monteure mit rund 500 bis 800 Fahrzeugen in der Schweiz unterwegs. Und jedes Fahrzeug transportiert weit über eine Tonne Werkzeug», so der OST-Experte. Mit einem ausgeklügelten Logistikkonzept könne der unnötige Materialtransport reduziert werden.

Beim Projekt, das von Innosuisse gefördert wird, ist neben Schindler auch das St.Galler Transportunternehmen Emil Egger AG als Wirtschaftspartner mit dabei. «Das neue Logistikkonzept sieht vor, dass der Logistikpartner für die Lieferung und Platzierung der Werkzeugbox auf der Baustelle verantwortlich ist. Auf diese Weise entfallen für die Monteure täglich mehrere Wege mit teilweise voluminösen und schweren Werkzeugen», so Böhni.

Zum Abschluss der 17. Ostschweizer Innovationstagung plädierte OST-Dozent Andreas Bauer für mehr Zirkularität. «Die Kreislaufwirtschaft wird kommen. Es ist deshalb wichtig, Unternehmen schon heute auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten». Das IDEE entwickle deshalb Tools, wie die Kreislauffähigkeit gemessen werden kann.

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