Gast-Kommentar

Die Richtung stimmt, das Tempo nicht

Die Richtung stimmt, das Tempo nicht
Thomas Stucki, CIO St.Galler Kantonalbank
Lesezeit: 3 Minuten

Die Stimmung an den Aktienmärkten könnte fast nicht besser sein: Die Fed und die EZB erhöhen den Leitzins, die Aktien feiern jedoch vage Andeutungen von Jerome Powell und Christine Lagarde, dass ein Ende der Zinserhöhungen absehbar sein könnte.

Text: Thomas Stucki

Der Swiss Performance Index hat in diesem Jahr 6% zugelegt, seit dem Tief im letzten September sind es 12%. Er liegt damit noch 13% unter dem Allzeithöchst zu Beginn des letzten Jahres. Der deutsche DAX ist seit Anfang Jahr gar 11% und seit dem September satte 27% gestiegen. Mit einer Lücke von 6% hat er das historische Höchst in Griffweite. Der technologielastige Nasdaq ist schon 15% im Plus, liegt damit aber immer noch 26% unter seinem Höchststand.

Gründe für den Kursanstieg an den Börsen gibt es viele, ein paar davon stechen aber hervor. Die Entspannung bei der europäischen Energiekrise hilft vor allem den deutschen Aktien. Der Preis für Erdgas ist auf das Niveau gefallen, welches er im Herbst 2021 hatte. Das entlastet die deutschen Unternehmen und Haushalte und lässt die Phantasie einer rasch sinkenden Inflationsrate spriessen.

Das Ende der Zero-Covid Politik und die Öffnung der Grenzen in China werden der Wirtschaft im Reich der Mitte den von der Regierung gewünschten Schub bringen. Nach dem Abflauen der unvermeidlichen Krankheitswellen wird ein Nachholeffekt einsetzen, wie ihn die westlichen Länder 2021 erlebt haben. Davon profitieren auch die Weltwirtschaft und die international ausgerichteten Unternehmen.

Der wichtigste Treiber ist aber die Erwartung, dass die Zentralbanken bereits in diesem Jahr ihre Leitzinsen wieder senken werden, um die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln.

Energielage ist unverändert fragil, die Inflation hartnäckig

Die Abhängigkeit von russischem Gas wurde zwar vermindert, aber noch nicht beendet. Zudem steigt bei einer wieder besser laufenden chinesischen Wirtschaft die Nachfrage nach Gas, Erdöl und anderen Rohstoffen. Wie nachhaltig der erwartete Wachstumsschub in China sein wird, wird sich noch zeigen müssen. Die Probleme im chinesischen Immobilienmarkt werden durch die getätigten Massnahmen der Regierung zu dessen Stützung nur übertüncht und sind nicht gelöst.

Dass die Zentralbanken die Zinsen so rasch wieder senken, ist aus meiner Sicht auch unwahrscheinlich. Dafür ist der konjunkturelle Einbruch zu wenig stark und die Inflation zu hartnäckig, insbesondere die von den Zentralbanken als relevant betrachteten Kernrate. Das wird zu Enttäuschungen führen und die Aktienkurse wieder unter Druck setzen.

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Aktienmärkte schauen voraus

Vorübergehende Rückschläge sind während einer Erholungsphase an den Aktienmärkten normal und auch gesund. Sie verhindern, dass es rasch wieder zu Übertreibungen kommt. Die Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass sich die Aktienmärkte in diesem Jahr positiv entwickeln können. Die Zentralbanken werden ihren Zinserhöhungszyklus beenden, wenn auch auf einem höheren Niveau als momentan erwartet.

Die Grundlage dafür ist, dass die Inflationsraten, auch die Kernraten, zwar langsamer als erhofft, aber im Trend doch sinken werden. Zudem stehen die Zeichen gut, dass die Abschwächung der Konjunktur weniger stark ausfallen wird als noch im Herbst befürchtet. All diese Faktoren werden die Stimmung bei den Konsumenten und den Unternehmen verbessern, weshalb im zweiten Halbjahr eine spürbare Erholung der Konjunktur zu erwarten ist.

Und wie bekannt ist: Die Aktienmärkte schauen voraus. Es macht deshalb Sinn, in Aktien zu investieren und sich von wieder stärker werdenden Kursschwankungen auch nach unten nicht abschrecken zu lassen.

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