Das Anlagejahr 2021: Widerstandsfähiger als befürchtet

Das Anlagejahr 2021: Widerstandsfähiger als befürchtet
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Die St.Galler Kantonalbank erwartet eine positive Wirtschaftsentwicklung, die von den USA und China angeführt wird. In diesem Umfeld bleiben Aktien- und Immobilienanlagen erste Wahl. Die Zinspolitik stecke dagegen in einer Sackgasse.

Der scharfe Taucher der Aktienmärkte nach der Ausrufung eines Lockdowns für Milliarden Menschen im Frühling 2020 war gefolgt von einer rekordverdächtigen Erholung. Seit dem Tiefpunkt des Marktes am 23. März hat etwa der SMI ca. 30% und der S&P500 ca. 60% zugelegt. Die Aktienmärkte wurden durch kräftige Wirtschaftsindikatoren, besser als erwartete Unternehmensgewinne und Optimismus über anhaltende geld- und fiskalpolitische Anreize gestützt. Zuletzt kam die Hoffnung auf die rasche Verfügbarkeit eines Impfstoffs hinzu. Thomas Stucki, Chief Investment Officer St.Galler Kantonalbank, fasst zusammen: «Die Weltwirtschaft durchlebt den schwersten Einbruch seit 90 Jahren. War 2020 nun ein gutes Börsenjahr? Gemessen daran, wie es hätte ausgehen können: Bestimmt. Die Situation bleibt allerdings fragil. Noch ist der wirtschaftliche Rückschlag nicht aufgeholt und die Folgen der Krise sind noch nicht absehbar.»

Die Notenbanken sassen 2020 in der Sackgasse, sie hatten kaum Spielraum auf der Zinsseite. Weder die SNB noch die Europäische Zentralbank nahmen Anpassungen vor. Anders war es bei der US-Notenbank Fed. Diese senkte im Zuge der Corona-Pandemie zwar ihren Leitzins stark von 1.75% auf 0.25%. Allerdings musste sie zuschauen, wie ihre Zinssenkungen ohne Wirkung an den Märkten verpufften. «Bei den erweiterten geldpolitischen Massnahmen konnten alle Zentralbanken ihren Spielraum nutzen. Die SNB beispielsweise intervenierte stark am Devisenmarkt, um den Franken zu schwächen. Dennoch blieb der Franken auch 2020 ein sicherer Wert in unsicheren Zeiten», kommentiert Caroline Hilb Paraskevopoulos (Bild), Leiterin Anlagestrategie und Analyse St.Galler Kantonalbank, die aktuelle geldpolitische Situation.

 

Fünf Thesen für das Anlagejahr 2021

These 1: Positive Wirtschaftsdynamik, aber kein Wirtschaftswunder
2021 wird die Weltwirtschaft wachsen, aber den Rückschlag der Corona-Rezession nicht ganz aufholen können. Die Unterschiede zwischen den Regionen und Branchen bleiben gross. Positiv wird sich die Konjunktur in China und in den USA entwickeln. Etwas weniger gut sieht es für Europa aus. Die Schweiz ist zwar von Europa abhängig, profitiert aber von der Erholung in Asien und den USA. Für die Reiseindustrie bleibt es zumindest im ersten Halbjahr kritisch. Die Exportindustrie wird sich im kommenden Jahr besser entwickeln als 2020 und der Konsum dürfte zulegen. Beide profitieren von Nachholeffekten.

These 2: Zinspolitik am Ende

Die Notenbanker werden 2021 nicht aus der Sackgasse herausfinden. Mit Negativzinsen in der Schweiz und Europa sowie tiefen Zinsen in den USA ist auf der Zinsseite nichts mehr zu holen. Zinssenkungen können keine stimulierende Wirkung mehr entfalten und für höhere Leitzinsen sind die Konjunkturaussichten nicht rosig genug. Die EZB und Fed werden durch Anleihenkaufprogramme aktiv am Kapitalmarkt bleiben, die SNB wird mit Deviseninterventionen den Franken weiterhin zu schwächen suchen. «Die Kreativität der Notenbanken bleibt gefordert», sagt Thomas Stucki zur Aufgabe der grossen Zentralbanken.

These 3: Hohe Nachfrage nach Immobilienanlagen

Die Nachfrage nach Immobilienanlagen ist auch während der Pandemie hoch geblieben. Dazu sagt Caroline Hilb-Paraskevopoulos: «Die Haupttreiber hinter der starken Nachfrage sind die tiefen Zinsen und die Konjunkturentwicklung: Die tiefen Zinsen stabilisieren den Wert von Immobilienanlagen. Da sich die Konjunktur besser entwickeln soll, wird die Nachfrage nach Immobilien zusätzlich stimuliert und zu tendenziellen steigenden Preisen führen.»

  

These 4: Drei Treiber für Aktien

Aktien sind der zentrale Bestandteil jedes Portfolios! Drei Treiber werden 2021 für gute Aktienmärkte sorgen: Die expansive Geldpolitik legt ein stabiles Fundament, was das Rückschlagpotenzial in unsicheren Zeiten beschränkt. Die weltweit tiefen Zinsen bieten zu Aktien keine Alternative. Die besseren Konjunkturaussichten sprechen für eine gute Entwicklung an der Börse. Positiv hervorstechen dürften die Aktienmärkte in den USA. Hier hilft das starke Gewicht in Technologiewerten und die raschere Erholung der US-Wirtschaft. Eine positive Erwartung an den Schweizer Aktienmarkt erscheint ebenfalls realistisch. «Die zyklischeren Märkte in Europa könnten mehr Schwierigkeiten haben und zu starken Kursschwankungen neigen. Der Grund liegt in der wirtschaftlichen Erholung, die wir für Europa schwächer einschätzen als für die USA oder die Schwellenländer, wo China einen positiven Beitrag leistet», schliesst Caroline Hilb Paraskevopoulos.

These 5: Bahn frei für US-Dollar

Für Anleger führt kein Weg am US-Dollar vorbei. Erdöl, Gold, Silber und Kupfer werden an den Finanzmärkten in US-Dollar gehandelt. Der grösste und liquideste Kapitalmarkt der Welt ist jener in US-Dollar. Die US-Aktienmärkte bestimmen jeden Tag die Richtung der Aktienmärkte rund um den Globus. «Daran wird sich im kommenden Jahr nichts ändern», sagt Thomas Stucki. «Das wird den US-Dollar wieder stärken, sowohl gegenüber dem Euro als auch dem Franken. Aber auch die positiven Konjunkturaussichten in den USA werden für Rückendwind sorgen.»

Anlagestrategie für den Start ins Jahr 2021

Obligationen: Die Obligationen werden untergewichtet, da die Renditeaussichten im Negativzinsumfeld nach wie vor wenig attraktiv sind. Um negative Renditen zu vermeiden, müssen gezielt etwas höhere Kreditrisiken eingegangen werden. Allerdings investiert die St.Galler Kantonalbank nach wie vor in Obligationen, weil sie bei sinkenden Aktienmärkten ihrer Rolle als Stabilisator gerecht werden. Im Umfeld sinkender Aktienindizes und tieferer Zinsen sind die Preise von Obligationen auch 2020 zuverlässig angestiegen.

Aktien: Die St.Galler Kantonalbank hält ein Übergewicht in amerikanischen Aktien und in Aktien von Schwellenländern. Die USA werden nach der Rezession schneller auf den Wachstumspfad zurückkehren, dabei hilft ihnen die expansive Geldpolitik der Fed und eine stimulusorientierte Fiskalpolitik. Die Schwellenländer profitieren von China, welches die Corona-Pandemie vergleichsweise gut überwunden hat und wieder wächst. Schweizer Aktien sind gleichgewichtet. Hier überzeugen die defensive Qualität und die guten Dividendenaussichten. Untergewichtet ist auf der anderen Seite der zyklische Aktienmarkt Europas.

Rohwaren: Der Goldpreis besitzt nach wie vor Potenzial und kann im Zuge tiefer Zinsen an Wert zulegen. Zu berücksichtigen ist das Charakteristikum von Gold als Versicherung. Die St.Galler Kantonalbank hält in der Strategie Ausgewogen eine Goldallokation von 5%.