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«Diversifikation ist im Kryptomarkt entscheidend»

«Diversifikation ist im  Kryptomarkt entscheidend»
Désirée Velleuer
Lesezeit: 4 Minuten

Früher war sie klassische Bankerin, heute ist sie unter anderem im Vorstand der Velleuer Holding GmbH aus St.Gallen und CEO der Zürcher Crypto Consulting AG. Was sie an Digitalgeld reizt und wie sie den jüngsten Absturz der Krypto-Währungen erlebt hat, erzählt Désirée Velleuer im east#digital-Interview.

Désirée Velleuer, Sie vertreiben zusammen mit Ihrem Partner Reto Stiffler einen der ältesten und grössten Krypto-Fonds der Welt. Was reizt Sie an Bitcoins, Tokens & Co?
Wir konzentrieren uns im Rahmen des Fonds auf Tokens mit Cashflows, also Dividenden oder Zinszahlungen. Dadurch haben diese Projekte einen ähnlichen Charakter wie Aktien und wir können mit traditionellen Bewertungsmethoden einen fairen Wert errechnen.

Was heisst «fairer Wert» konkret?
Für Ethereum zum Beispiel rechnen wir nach dem Upgrade des Konsensmodus von Proof of Work zu Proof of Stake mit einer Dividendenrendite von fünf Prozent. Aktuell finden wir auch den «dezentralen Finanzbereich» sehr spannend. Die Kurse sind im letzten Quartal eingebrochen, aber einige Plattformen sind sehr profitabel. Zum Beispiel Uniswap, eine der grössten dezentralen Börsen, macht einen täglichen Umsatz von etwa fünf Millionen USD. 

Mit welchem Wert rechnen Sie bis Ende Jahr?
Wir rechnen einen fairen Wert von 55 000 USD für Bitcoin für das Ende dieses Jahres. Die Realzinsen, die Adoption von Bitcoin und die Inflation der FIAT-Welt spielen in die Bewertung hinein, ähnlich wie bei der Berechnung eines fairen Werts für Gold.

Welche Vorteile hat der Handel mit Kryptowährungen im Vergleich zu herkömmlichen Geldgeschäften?
Sie können Transaktionen schneller und günstiger abwickeln. Zudem sind sie nicht manipulierbar. Zahlungstoken generieren jedoch nur wenig Wert für Investoren. Daher konzentrieren wir uns im Rahmen des Fonds auf Wertschriften- oder Wertaufbewahrungsmitteltoken.

 

«Bitcoin verbraucht ungefähr so viel Energie wie alle Tumbler auf der Welt.»

Kryptowährungen haben in den vergangenen Monaten massiv an Wert verloren. Wie kam es dazu?
Dieser ist vor allem auf global höhere Realzinsen zurückzuführen, die Alternativen wie Obligationen wieder relativ interessant machen. Als wir den Fonds 2018 starteten, waren wir auch in einem Bärenmarkt (Bärenmarkt = anhaltend sinkende Kurse, Anm. d. Red.). Der vierte Zyklus war vorbei und einige Tokens korrigierten um 80 Prozent oder sogar mehr. Rückwirkend war der Höhepunkt des fünften Zyklus für die meisten Token bereits im Mai 2021. Seither haben die meisten Altcoins (alle Tokens ausser Bitcoin) um über 80 Prozent des Kurses eingebüsst. Der Fonds war seit Februar sehr defensiv positioniert, mit einem Netto-Exposure von nur 50 Prozent. In den letzten Wochen hat er begonnen, Exposure aufzubauen, da wir aufgrund unserer fundamentalen Analyse interessante Anlagemöglichkeiten gefunden haben. 

Welche Währungen waren davon besonders betroffen?
Praktisch alle Tokens wurden in Mitleidenschaft gezogen, da die Realzinsen einen übergeordneten Effekt haben. Die etablierteren Projekte konnten sich etwas besser halten, wogegen neue Start-ups mit noch wenig Cashflow besonders gebeutelt wurden.

Wie haben Ihre Kunden auf die Talfahrt reagiert?
Unsere Kunden sind primär Family Offices, Vermögensverwalter und Crypto Funds of Funds, die wir gut über die Volatilität des Krypto-Marktes und die Risiken informiert haben. Zudem macht Krypto für die meisten nur einen kleinen Teil des Portfolios aus, je nach Risikofreudigkeit meistens zwischen einem und fünf Prozent. Unsere Kunden wurden nicht nervös, aber einige antizyklische Investoren nutzen diese Korrektur, um eine Position aufzubauen oder zu erhöhen.

Was beeinflusst noch die Kurse von Kryptowährungen?
Ähnlich wie bei Aktien spielen die Cashflows und übergeordnet die Geldpolitik eine wesentliche Rolle. Die Realzinsen sind wie gesagt besonders wichtig für Wertaufbewahrungstokens ohne Cashflows wie Bitcoin oder Gold. Mittelfristig sind die technologischen Entwicklungen dieser Projekte massgebend – und die regulatorischen Rahmenbedingungen.

 

  

«Kryptowährungen können Transaktionen schneller und günstiger abwickeln.»

Welches sind die angesagtesten Kryptowährungen?
Wir setzen neben Bitcoin aktuell auf Ethereum und Tokens aus dem dezentralen Finanzsystem.

Oft wird bei Kryptowährungen der grosse Stromverbrauch kritisiert, der beim Mining entsteht. Gemäss Experten sind es pro Jahr rund 125 TWh, was etwa 0,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs entspricht. Ist das noch opportun in Zeiten, wo Energie gespart werden sollte?
Bitcoin verbraucht ungefähr so viel Energie wie alle Tumbler auf der Welt. Gegenüber Gold sieht Bitcoin sogar grün aus, wenn die ganzen Landschäden und Chemikalien berücksichtigt werden. Falls sich Bitcoin tatsächlich zu einem alternativen Wertaufbewahrungsmittel entwickelt, ist man allenfalls bereit, diesen Verbrauch für die Sicherheit des Systems aufzuwerfen. Andererseits wechseln immer mehr Krypto-Projekte wie Ethereum zum effizienteren «proof of stake»-Mechanismus und werden damit mehr als 99 Prozent energieeffizienter.

Wie gehen Laien am besten vor, wenn sie ins Krypto-Business einsteigen wollen?
Ich finde es lehrreich, wenn man selbst ein Wallet eröffnen und mit wenig Geld an die Kryptobörsen geht, um den Prozess zu verstehen. Für einige wird es kompliziert und befremdlich sein, die eigenen Passwörter zu verwalten und am Puls der Entwicklungen im Kryptomarkt zu bleiben. Diese werden sich mittelfristig möglicherweise für einen aktiv verwalteten Fonds wie unseren entscheiden.

Wie wird sich der Kryptomarkt in den kommenden Jahren entwickeln?
Etwa 95 Prozent der Start-up-Projekte werden sich nicht durchsetzen und verschwinden, deshalb ist Diversifikation entscheidend. Wir konzentrieren uns deshalb auf Wertschriftentokens wie Ethereum oder solche aus dem dezentralen Finanzsystem, also aus der Blockchain. Diese werden unserer Meinung nach einen sehr disruptiven Charakter für das bestehende Finanzsystem (Banken, Börsen etc.) haben und generieren auch Cashflows.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: Marlies Thurnheer

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