Ostschweiz

Frauen auf Erfolgskurs bringen

Frauen auf Erfolgskurs bringen
Alexandra Köppel
Lesezeit: 4 Minuten

Der Verband «Business & Professional Women St.Gallen/Appenzell» will die wirtschaftliche und politische Teilhabe von Frauen verbessern. Warum es eine Interessenvertretung von berufstätigen Frauen auch heute noch braucht, weiss niemand besser als Präsidentin Alexandra Köppel.

Alexandra Köppel, BPW Switzerland wurde 1947 in Zürich als «Schweizer Verband der Berufs- und Geschäftsfrauen» gegründet. Wissen Sie, was damals das Ziel war?
Für Frauen eine bessere Zukunft zu schaffen – wie heute auch noch. Mit wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit sowie einem starken internationalen, nationalen und lokalen Beziehungsnetz. Die Unternehmerinnen, welche BPW Switzerland 1947 gründeten, waren bereits damals in wichtigen Gremien tätig, zum Beispiel als Verwaltungsrätinnen von Banken oder Mitarbeiterinnen der UNO. So war und ist es bis heute möglich, diese Ziele weiterzutragen.

Heute zählt BPW Switzerland 2300 Mitglieder in 39 Clubs. Wie haben sich die Ziele in den 76 Jahren seit der Gründung verändert?
Eines der Hauptziele, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, ist nach wie vor top aktuell. Mittlerweile arbeiten Frauen bis Mitte Februar gratis – das heisst, sie erhalten dann den Lohn, den Männer per Ende Jahr bereits hatten. Vor einigen Jahren war es noch im März. Es geht also etwas, aber (zu) langsam. Um auf diese Lohnschere aufmerksam zu machen, gibt es den Equal Pay Day – mit dem Ziel, dass dieser eines Tages am 1. Januar ist. Natürlich sind aufgrund neuer Entwicklungen neue Ziele dazugekommen, die Wirtschaft schläft nicht. Leider werden Männerthemen immer noch viel speditiver gefördert: Während für Frauen etwa die Gründung einer Familie immer noch ein deutlicher Karriereknick nach sich zieht, ist das für Männer nicht der Fall.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist seit 1996 imBundesgesetz verankert. Weshalb braucht es noch heute einen Verband wie die BPW?
Weil es offensichtlich nicht funktioniert. Wir haben zwar eine weitgehende rechtliche Gleichstellung, aber mit der tatsächlichen hinken wir immer noch deutlich hinterher. Wir benötigen dringend mehr Frauen in der Politik, es müssen dringend mehr Frauen in die Chefebene. Diskussionen in diversen Teams sind spannender, ergiebiger und das Ergebnis fairer. Das hat nichts damit zu tun, dass es Frauen vielleicht besser können, sondern dass es sowohl als auch braucht. Die Mischung machts.

 

  

«Frauen arbeiten bis Mitte Februar gratis – sie erhalten dann den Lohn, den Männer per Ende Jahr bereits hatten.»

Es gibt neben BPW noch andere Organisationen, die sich für dieselben Themen einsetzen …
… wir arbeiten wenn möglich auch zusammen. So zum Beispiel mit Alliance F, die Stimme der Frauen in der Schweizer Politik. Hier gibt es ein tolles Onlinetool «Cash or Crash», bei dem sich spielerisch die Auswirkungen von Lebensentscheidungen auf die langfristige Finanzsituation berechnen lassen. Es ist nicht nur für Frauen, für diese aber speziell relevant.

Wo besteht bei Ostschweizer Firmen Ihrer Erfahrung nach am meisten Handlungsbedarf?
Die Firmen – egal wo – müssen die Frauen anhören. Wenn eine Frau mit den entsprechenden Kompetenzen will, dann soll man ihr die Chance geben, sich zu beweisen. Das wird an vielen Orten glücklicherweise bereits gemacht. Oftmals gibt man einer arbeitenden Frau aber das Gefühl, sie vernachlässige Kinder, Haushalt, Mann. Einem Mann passiert das nie, er muss ja für den Lebensunterhalt sorgen. Warum ist das so? Schliesslich ist der Entscheid, Kinder zu haben, beidseitig.

Und wie fördert BPW Female Empowerment?
BPW will mit gezielten und massgeschneiderten Kursen Frauen auf Leitungspositionen vorbereiten, damit sie gestärkt und selbstbewusst neue Arbeiten übernehmen. Beim Empowerment-Training handelt es sich um ein interaktives Trainingsprogramm speziell für Frauen, um sie auf individuelle Führungsaufgaben im beruflichen und gesellschaftlichen Bereich vorzubereiten. In der Schweiz bieten BPW-Trainerinnen dieses Programm an. Das Seminar ist modular aufgebaut und vermittelt die Grundlagen für die wichtigsten Fähigkeiten und Kenntnisse, die «Frauen auf Erfolgskurs» benötigen. Darauf aufbauend wird auch ein Leadership-Programm angeboten.

 

«Männerthemen werden immer noch viel speditiver gefördert.»

Also nach dem Motto: Frauen fördern Frauen am besten?
Nicht unbedingt. Auch Männer fördern Frauen gut. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass sich Frauen gerne von Frauen coachen lassen. Dafür haben wir beispielsweise auch ein Mentoring-Programm etabliert. Hier können Frauen aus allen Clubs der Schweiz in unserer Datenbank ihre Expertisen eingeben oder nach solchen suchen. Matchen zwei Personen, können sie ein offizielles Mentoring beginnen.

Läuft das nicht dem Gedanken der Diversität entgegen?
Nein, überhaupt nicht. Wir versuchen nur, eine Lücke zu schliessen, die eigentlich schon längst hätte geschlossen werden müssen. Bei den Frauen haben wir noch so viel Nachholbedarf.

Die BPW wollen auch mithelfen, damit mehr Frauen in Verwaltungsräten Einsitz nehmen. Wie gelingt das?
Wir machen interne Schulungen, fördern die Wissensvermittlung und bieten Unterstützung von politisch aktiven Frauen schweizweit auf allen Kanälen. Das Netzwerk ist nicht zu unterschätzen!

Wir erleben beim LEADER oft, dass Frauen das Rampenlicht meiden und auf einen Kollegen verweisen. Kennen Sie das Phänomen?
Ja, leider. Viele Frauen haben bis jetzt nicht das Selbstvertrauen, ihre Stärken hervorzuheben. Ich erlebe es häufig, dass bereits Lehrabgängerinnen sich massiv unter Wert verkaufen – das muss nicht unbedingt monetär sein. Dafür gibt es viele tolle Plattformen, gerade in der Ostschweiz mit Helvetia spricht/Alpha Berta, welche Frauen auf die Bühnen bringen wollen. Auch dort sind wir mit BPW Mitglied. Damit können unsere Mitglieder an deren Kurse zu vergünstigten Preisen teilnehmen.

Zum Schluss: Was bieten BPW seinen Mitgliedern – und wer sollte unbedingt Mitglied werden?
In erster Linie sind wir ein Netzwerk. Wir vertreten die Interessen von berufstätigen Frauen, unterstützen sie, helfen einander – regional und national. Auch internationale Treffen und Reisen stehen auf dem Programm. Und wir haben natürlich auch viel Spass (lacht). BPW St.Gallen/Appenzell trifft sich jeden ersten Dienstag im Monat, an den verschiedensten Orten. Am Dienstag, 9. Januar 2024 (ausnahmsweise nicht der erste im Monat), laden wir interessierte Frauen ab 18.30 Uhr herzlich zum Neujahrsapéro im Restaurant Tibits St.Gallen ein. Weitere Informationen finden sich unter bpw-stgallen.ch.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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