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Kunden werden vorsichtiger

Kunden werden vorsichtiger
Johannes Holdener
Lesezeit: 4 Minuten

Die Raiffeisenbank St.Gallen blickt auf ein erfolgreiches erstes Halbjahr als eigenständige Raiff­eisenbank zurück. Die bisherige Niederlassung von Raiffeisen Schweiz wurde per 20. Juni – rückwirkend per 1. Januar – in die autonome Raiffeisenbank St.Gallen Genossenschaft umgewandelt. Sie erzielte in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Gewinn von rund 602 000 Franken. Die Bilanzsumme beträgt 2,85 Milliarden Franken, die Kundeneinlagen rund 2,1 Milliarden und die Hypothekarforderungen rund 2,3 Milliarden. Bankleiter Johannes «Jogi» Holdener weiss, was sich die Kunden in diesen struben Zeiten von einer Bank wünschen.

Johannes Holdener, noch im August ging die Raiffeisenbank St.Gallen von einem «weiterhin stabilen Geschäftsgang» aus; die Schweizer Wirtschaft «navigiere vergleichsweise ruhig durch das in den letzten Monaten weltweit stürmischer gewordene Fahrwasser». Teilen Sie diese Einschätzung heute noch? Prognosen in der Finanzwelt sind bekanntlich schwierig zu machen. Der absehbare Energiemangel und die aufkommende Inflation belegen die Schnelllebigkeit solcher Wirtschaftsausblicke. Die Schweiz ist aber im Vergleich zum Ausland immer noch gut aufgestellt: Die Inflationsrate ist tiefer als in anderen Ländern, und wir gehen davon aus, dass die Inflation mittelfristig moderat bleibt. Die Schweizer Wirtschaft wird sicher nicht ungeschoren davonkommen; eine starke Rezession erachten wir aber als eher unwahrscheinlich.

Oft wird die Raiffeisen noch als reine Hypothekarbank angesehen. Täuscht der landläufige Eindruck?
Die Kredit- und Kapitalvermittlung ist nach wie vor eine wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe einer Retailbank. Für die Raiffeisenbank St.Gallen gehört diese Tätigkeit ganz klar zum Kerngeschäft – genau wie auch die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung. Wir sehen auch, dass wir immer häufiger als Ansprechpartner für diese Fragen angesehen werden und hier selbstverständlich auch passende Lösungen anbieten wollen und können.

Und was kann die Raiffeisenbank St.Gallen für KMU tun?
Neben der Gewährung von Betriebskrediten bieten wir ein breites Spektrum an Finanzlösungen für KMU und Gewerbekunden an. Das beinhaltet beispielsweise die Sicherstellung des Zahlungsverkehrs im In- und Ausland und demzufolge auch das vollumfassende Devisengeschäft. Des Weiteren bieten wir auch Finanzierungsalternativen wie Leasing und vieles mehr an.

Mit welchen Irrtümern sehen Sie sich bezüglich KMU- Bankkrediten konfrontiert?
Jede Kreditaufnahme ist naturgemäss mit gewissen Abhängigkeiten und Pflichten verbunden. Bei der Kreditvermittlung setzen wir daher vor allem auf Partnerschaft und Vertrauen. Schliesslich gewähren wir Bankkredite nicht mit unseren eigenen Geldern, sondern mit den uns anvertrauten Kundengeldern. Hier sehen wir unsere Rolle als Vermittlerin zwischen Geldgeber und Geldnehmer.

  

Jetzt steht mit der Energiekrise das nächste Katastrophenszenario nach Pandemie und Krieg ins Haus. Merken Sie davon etwas im Tagesgeschäft, ändern sich die Kundenbedürfnisse?
Die Schweizer Wirtschaft hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie mit geänderten Rahmenbedingungen sehr gut umgehen kann, wie schon die Aufhebung des Euro-Mindestkurses oder die Corona-Pandemie gezeigt haben. Aktuell stellen wir fest, dass sich die Bedürfnisse unserer Kunden nicht substanziell ändern, sondern dass eher vorsichtiger und bewusster mit finanziellen Mitteln umgegangen wird. Sich abzeichnende Preiserhöhungen gehen an niemandem spurlos vorbei.

Die Notenbanken ziehen die Zinsschraube wieder an, es sieht so aus, als wären die Null- oder sogar Minus-Zinsen-Zeiten vorbei.
Es ist tatsächlich so, dass die Negativzinsen zwischenzeitlich der Vergangenheit angehören. Für Geschäftskunden mit grossen Guthaben-Beständen heisst das, dass keine Guthabengebühren mehr darauf ausgerichtet werden müssen. Für Kreditnehmer bedeutet das hingegen unter Umständen eine Verteuerung der aufgenommenen Kredite. Das ist aber nichts Aussergewöhnliches, da dies bis zum Jahr 2016 der Normalität entsprach. Zudem werden die Marktbedingungen auch wieder bessere Konditionen für Kunden auf der Zinsseite schaffen.

Der Euro notiert zurzeit unterhalb des Frankens. Anders als beim «Frankenschock» von 2015 bleibt das Wehklagen der Wirtschaft, vornehmlich der exportorientierten Industrie und des Tourismus, aus. Wie erklären Sie sich das?
Wie erwähnt hat die Schweizer Wirtschaft bereits mehrmals bewiesen, dass sie fähig ist, schnell auf geänderte Umstände reagieren zu können. Das zeigt sich auch im heutigen Umfeld. Der «Frankenschock» hat auch dazu geführt, dass Absicherungs- und Termingeschäfte im Devisenbereich an der Tagesordnung sind. Damit kann das Kursschwankungsrisiko auf einfache Art und Weise minimiert werden.

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Zurück zum KMU-ler: Gibt es so etwas wie die ideale Finanzierung für KMU-Belange?
Ein Idealrezept dazu gibt es nicht, da sich jedes KMU und jeder Gewerbekunde individuellen Herausforderungen stellen muss. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass im Austausch mit Unternehmern die richtigen Fragen gestellt und beantwortet werden und daraufhin die richtigen Lösungen angeboten werden können.

Was braucht es für eine erfolgreiche Bankfinanzierung seitens der Unternehmen?
Kurz gesagt braucht es dazu eine positive Bonitätsprüfung, in der die Kreditwürdigkeit und die Kreditfähigkeit nachgewiesen werden kann. Das gilt nicht nur für Unternehmer, sondern auch für Private. Wichtig bei Gewerbekunden ist vor allem auch der Blick in die Zukunft, der verraten soll, in welche Richtung sich das Unternehmen bewegen wird.

Und wann sagen Sie auf jeden Fall Nein?
Wenn regulatorische Vorgaben nicht erfüllt werden, begründete Zweifel am Projekt bestehen oder die volle Transparenz nicht gewährleistet ist. Wie gesagt liegt unsere Verantwortung darin, die uns anvertrauten Kundengelder in die richtigen Hände seitens der Kreditnehmer zu geben.

Zum Schluss noch einen Abstecher ins Digitaluniversum: Digitale Finanzierungsinstrumente werden medial immer häufiger als Alternativen zu den klassischen Bankkrediten oder zur «normalen» Kapitalerhöhung diskutiert. Sind digitale Finanzierungsformen wirklich das moderne Füllhorn für Wachstumsfinanzierung von KMU?
Wir beobachten die Entwicklung der digitalen Finanzierungsformen. Es gibt mittlerweile einige spannende Ansätze für gewisse Unternehmensideen und Start-Ups, ich persönlich wage zu bezweifeln, ob die Zeit schon reif ist, diese Ansätze auch auf klassische KMU zu übertragen.

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